Putin und Xi philosophieren über ewiges Leben - gibt es das?
4. September 2025
Organtransplantationen, Verjüngungstherapien und ein Leben bis ins Alter von 150 Jahren: Ein Mikrofon hat bei der Militärparade in Peking ein Gespräch zwischen Chinas Staatschef Yi Jinping und Kreml-Chef Wladimir Putin über Unsterblichkeit eingefangen. Die beiden 72-jährigen Autokraten philosophieren also über ewiges Leben. Xi ist seit 2013 an der Macht, Putin bereits seit einem Vierteljahrhundert.
Beide haben in ihrem Land die Verfassung ändern lassen, um länger regieren zu können. Und die beiden – formal – kommunistischen Führer sind sich auch einig, dass diese Gedanken wohl keine Option für die breiten Massen sind.
Xi und Putin forever – bei der Vorstellung läuft vielen ein Schauer über den Rücken.
Aber was ist dran an einem Leben bis 150 Jahre oder länger? Werden einige Auserwählte irgendwann unsterblich?
Was passiert beim Altern?
Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist so alt wie die Menschheit. Er ist tief in Religionen und Mythen verwurzelt, aber bleibt trotz wissenschaftlicher und medizinischer Fortschritte unerreichbar – bislang jedenfalls.
Altern ist ein unvermeidlicher biologischer Prozess, bei dem sich im Laufe der Zellteilung DNA-Fehler ansammeln, die zu Zellschäden, Mutationen, dem Verlust der Funktionsfähigkeit oder Entzündungen führen. Das verursacht körperlichen und geistigen Verfall.
Altern, das ist der Normalzustand, sagt Björn Schumacher, der an der Universität Köln erforscht, was genau da biologisch passiert. "Es geht eigentlich alles kaputt". Jeden Tag unseres Lebens käme es in jeder einzelnen Zelle unseres Körpers zu bis zu 100.000 Schäden. "In den ersten Lebensjahrzehnten sind wir Menschen in der Lage, diese Schäden zu reparieren“, erklärt Schumacher. Mit Anfang 70 aber sind auch Potentaten etwas spät dran.
Sowohl genetische als auch Umweltfaktoren beeinflussen, wie alt wir werden, wobei schädliche Umwelteinflüsse wie Schadstoffe, Stress und schlechte Ernährung den Prozess beschleunigen können. Aber Staatsmänner haben ja bekanntlich keinen Stress, werden bestens versorgt und vor schädlichen Einflüssen geschützt.
Der natürliche Alterungsprozess führt im Laufe des Lebens auch zu Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen. Die können auch keine Bodyguards aufhalten.
Wie könnten wir länger leben?
Zugegeben, die Fortschritte in der Biotechnologie und Transplantationsmedizin haben das Potenzial, die Lebensdauer um das Zwei- bis Dreifache auszudehnen, also bis zu etwa 150 Jahre. Das ist noch nicht die Unsterblichkeit, aber schon erstaunlich lang.
Möglich werden könnte der Wunsch nach einem übernatürlich langen Leben irgendwann durch spezielle Anti-Aging-Therapien, regenerative Medizin und genetischen Eingriffe. Sie zielen eigentlich alle darauf ab, die gesunde Lebensspanne auszudehnen und den Alterungsprozess, also den Verfall auf biotechnologischer Ebene zu verlangsamen.
In diesem biotechnologischen und genetischen Forschungsbereich gibt es bereits vielversprechende Ansätze. Studien zeigen, dass genetische Eingriffe in den Alterungsprozess auf zellulärer Ebene, etwa durch Erhaltung der Telomere oder Verbesserung der mitochondrialen Funktion, möglich sind. Telomere sind die Schutzkappen an den Chromosomenenden, die mit jeder Zellteilung kürzer werden und letztlich die Zellteilung stoppen, was zur Alterung beiträgt.
In Hefezellen haben diese zellulären Verjüngungstherapien und genetischen Manipulationen bereits eine Verlängerung der Lebensdauer bis zu 82 Prozent gezeigt. Und welcher Staatsmann möchte nicht gerne mit Hefezellen verglichen werden? Als wissenschaftliche Grundlage ist dies für zelluläre Verjüngungstherapien spannend, aber ob diese Technologie irgendwann auch beim Menschen angewendet werden kann, ist höchst zweifelhaft.
Abschauen könnte man sich möglicherweise etwas vom Beginn unseres Lebens: Dort schafft unser Körper es nämlich, das biologische Alter auf null zu setzen, obwohl Eizelle und Spermium bei der Vereinigung selbst schon deutlich älter sind.
"Generell ist es durchaus möglich, eine Verjüngung zu machen", sagt Björn Schumacher. "Kurz nach der Befruchtung gibt es ganz normale biologische Prozesse, die das Alter zurücksetzen." Was genau da passiert, ist im Moment jedoch kaum verstanden. Und selbst wenn das geschafft ist: Die Prozesse, die uns in unseren ersten Lebenswochen wieder jünger machen, sind unfassbar komplex. Sie auf einen alten und ganzen Körper zu übertragen, ist im Moment nicht vorstellbar.
Ein Tier kann seinen kompletten Organismus zu verjüngen: Der Fadenwurm. Vielleicht ein anderes Modell aus der Natur, an dem Mächtige sich orientieren.
Wir können das Altern verlangsamen
Auch wenn jünger werden noch schwierig ist: Es gibt ein paar Maßnahmen, mit denen wir das Altern zumindest verlangsamen können: Den größten Effekt hätten Sport und verminderte Kalorien, sagt Altersforscher Schumacher. Auch einige Medikamente wie Metformin oder Semaglutid könnten nicht nur einzelne Krankheiten heilen, sondern auch den Alterungsprozess verlangsamen.
Fortschritte gibt es auch in der von Putin erwähnten Transplantationsmedizin. Theoretisch ist es möglich, menschliche Organe kontinuierlich zu transplantieren und zu regenerieren, um Alterungserscheinungen durch Organversagen entgegenzuwirken. So eine Transplantation ist aber ein massiver Eingriff mit schweren Nebenwirkungen, sagt Björn Schumacher. Schließlich führt man ein fremdes Organ ein und muss dafür das eigene Immunsystem unterdrücken. "Das ist eine sehr komplexe Geschichte." Auch Organoide, die momentan als Mini-Organe in der Forschung zum Einsatz kommen, könnten irgendwann eine Rolle in der Transplantationsmedizin spielen. Auch das sei im Moment jedoch noch sehr weit weg, so Schumacher.
Vorstellbar sei hingegen, so Björn Schumacher, aus körpereigenen Zellen Organe oder Organteile zu gewinnen, die man dann wieder einsetzt. Auch ein Umprogrammieren der eigenen Zellen sei eine Möglichkeit, die teilweise schon jetzt genutzt wird. So gibt es bei Parkinsonpatienten den Ansatz, Hautzellen in Stammzellen zurückzuversetzen und dann in spezielle Nervenzellen umzupolen. Im Gehirn von Betroffenen können diese dann Nervenzellen ersetzen, die dort abgestorben sind.
(Alp-)Traum der Reichen und Mächtigen
Vieles klingt noch nach Science Fiction – oder nach einem Horrorfilm, je nach Auffassung. Allerdings darf man gerade in diesem Zusammenhang nicht die unglaubliche Macht der Künstlichen Intelligenz unterschätzen.
Viele Konzerne und auffallend viele alte, eitle High-Tech Bosse investieren Unsummen in die "Computational Biology" und die Entwicklung personalisierter Medizinansätze.
Wie weit die Forschung in diesen Bereichen tatsächlich vorangeschritten ist, könnte ein wohlgehütetes Geheimnis der Reichen und Mächtigen sein. Denn da stimmen sie sicherlich mit Xi und Putin überein: Eine Verlängerung der natürlichen Lebensspanne ist sicherlich keine Option für die breiten Massen.
Wollen wir wirklich ewig leben?
Und damit wären wir bei der eigentlichen Frage: Ist ein künstlich verlängertes Leben oder gar Unsterblichkeit überhaupt erstrebenswert? Mal abgesehen von diesen beiden eitlen Autokraten. Wäre dies tatsächlich ein Segen für die Menschheit, für den sich viele Reiche und Mächtige selbst halten?
In der Evolution haben das Altern und unsere Sterblichkeit eine sehr sinnvolle Funktion, all dies fördert die Artenvielfalt und sichert die Ressourcen für jüngere Generationen.
Letztlich liegt die Bedeutung des Lebens darin, die begrenzte Lebenszeit bewusst zu nutzen und einen positiven Einfluss zu hinterlassen. Anstatt nach Unsterblichkeit zu streben und sich einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern.
Viel Lebenszeit haben die beiden Staatsmänner Xi und Putin nicht mehr, um einen positiven Einfluss auf die Welt zu nehmen. Ob sie es geschafft haben, wird die Geschichte entscheiden.