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Putins diplomatische Offensive gegen IS

Roman Goncharenko7. August 2015

Russland bietet dem Westen Hilfe im Kampf gegen die Terrormiliz IS an. Russischen Medien zufolge soll bereits ein "Putin-Plan" existieren. Zudem hat Moskau einer Resolution zu syrischen Chemiewaffen zugestimmt.

Porträt des russischen Präsidenten Wladimir Putin (Foto: Ria Novosti)
Bild: picture-alliance/dpa

Der UN-Sicherheitsrat hat am Freitag über eine Untersuchung des Chemiewaffen-Einsatzes im syrischen Bürgerkrieg abgestimmt. Das Ja-Votum zu den Ermittlungen galt als sicher, denn die USA und Russland haben sich im Vorfeld darauf geeinigt.

Diese Abstimmung ist einer der seltenen Fälle, in denen Washington und Moskau in der Syrien-Frage an einem Strang ziehen. Sie knüpft an die Ereignisse im Herbst 2013 an. Damals konnte Russland Syrien überzeugen, seine Chemiewaffen vernichten zu lassen und so einen Militärschlag der USA abzuwenden.

Lawrow übermittelt "Putins Plan"

Nach dem russischen Beitrag zur Einigung im langjährigen Streit über das iranische Atomprogramm ist diese Resolution bereits der zweite Anlass für den Westen, Russland zu loben. Moskau, das wegen seines Vorgehens in der Ukraine international in der Kritik steht, dürfte sich über positive Schlagzeilen freuen.

Der russische Präsident Wladimir Putin möchte seine diplomatische Offensive offenbar fortsetzen und bereitet einen nächsten Schritt vor. Russland bietet dem Westen und den Staaten des Nahen Ostens Hilfe im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) an. Russische Medien berichten über einen "Putin-Plan".

Alle Details will der Kreml noch nicht verraten. Es sei noch zu früh, sagte am Mittwoch Putins Sprecher Dmitri Peskow. Er verwies auf die jüngsten Gespräche des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seinem amerikanischen Amtskollegen John Kerry.

…und kann Kerry noch nicht überzeugen

Einige Vorschläge machte Lawrow bereits publik. Moskau schlage eine "breite antiterroristische Front" gegen den IS vor, an der sich auch die Armeen Syriens, des Irak sowie die Kurden beteiligen sollen, sagte Lawrow am Mittwoch im malaysischen Kuala-Lumpur. Dort stellte er Kerry Putins Vorschläge vor. Es war das zweite Treffen der beiden Chefdiplomaten innerhalb von wenigen Tagen.

Doch es gelang Lawrow offenbar nicht, Kerry zu überzeugen. Man sei sich zwar einig, dass der IS als eine gemeinsame Gefahr gemeinsam bekämpft werden müsse. "Doch wir haben noch keine gemeinsame Vorstellung, wie man das konkret umsetzten soll", so Russlands Außenminister.

IS-Kämpfer in Syrien: Russische Medien berichten immer öfter von Russen, die sich der Terrormiliz anschließenBild: Propagandavideo Islamischer Staat via AP

"Moskau will Assad schützen"

Einer der Streitpunkte dürfte das Schicksal der syrischen Regierung sein. Lawrow habe klar gemacht, dass die von den USA angeführte Koalition gegen den IS dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad "vergeben" müsse, schrieb die russische Online-Zeitung RBC. Russland hält seit Begin des Bürgerkriegs in Syrien 2011 zu Assad. Die USA sprechen dem syrischen Machthaber dagegen jegliche Legitimität ab und fordern seinen Rücktritt.

Georgi Mirski glaubt, dass "Putins Plan" kaum etwas Neues enthalte. Eine Koalition gegen den IS gebe es bereits. Der russische Präsident wolle Assad schützen, sagte der Nahost-Experte an der Russischen Akademie der Wissenschaften im Gespräch mit der DW. Er verweist auf die jüngste Ankündigung der USA, auch Stellungen der syrischen Armee bombardieren zu können. "Das wäre das Ende des Assad-Regimes", glaubt Mirski. "Putin kann das nicht hinnehmen."

Eigene Truppen werde Moskau allerdings nicht für den Kampf gegen den IS bereitstellen, sagt der russische Nahost-Experte. Das bestätigte auch Putins Sprecher Peskow. Er schloss eine Teilnahme der russischen Luftwaffe am Kampf gegen den "Islamischen Staat" aus.

Der Moskauer Experte Mirski bezeichnet "Putins Plan" als einen Versuch, "ein Handeln vorzutäuschen". Er glaubt nicht an eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland in der Syrien-Frage: Das sei nach der russischen Annexion der Krim kaum möglich.

Zahl der IS-Kämpfer aus Russland steigt

Uwe Halbach von der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) sieht eher interne Motive hinter "Putins Plan". "Die Einschätzung über den IS hat sich in Russland geändert", sagte der Experte im Gespräch mit der DW. Russland nehme die Herausforderung durch den IS viel ernster als noch vor einem Jahr.

Vor wenigen Monaten beschrieb der russische Außenminister Lawrow den IS als "wichtigsten Feind" Russlands. Rund 2000 Russen sollen nach Angaben des russischen Sicherheitsrates für den IS im Nahen Osten kämpfen. Die meisten von ihnen stammen aus den mehrheitlich muslimischen Regionen im Nordkaukasus, wie Tschetschenien oder Dagestan.

Vom Kaukasus nach Syrien

"Wir haben erlebt, dass im sogenannten 'Kaukasus-Emirat', dem islamistischen Untergrund im Nordkaukasus, zunehmend Kommandeure zu dem IS-Anführer al-Baghdadi übergetreten sind", sagt Halbach.

In russischen Medien wird immer öfter über junge Russen und Russinnen berichtet, die sich dem IS anschließen. Im Frühling sorgte die Geschichte der Moskauer Philosophiestudentin Warwara Karaulowa für Aufsehen. Sie wurde auf dem Weg zum IS an der türkisch-syrischen Grenze aufgehalten und in die Heimat zurückgeschickt.

"Putins Plan" für einen gemeinsamen Kampf gegen den IS deutete sich bereits im Juli an. Sergej Naryschkin, Vorsitzender der russischen Staatsduma, nannte es eine "Tragödie", dass sich Russland und der Westen voneinander entfernten, statt gemeinsam dem IS die Stirn zu bieten.

In den kommenden Tagen und Wochen will Russland seine diplomatische Offensive fortsetzen. Unbestätigten Berichten zufolge könnte Putin bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York im September seinen Plan selbst vorstellen.

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