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Politik

Putins Wiederwahl: Auf die Frauen kommt es an

Roman Goncharenko
16. März 2018

Bei der Präsidentenwahl setzt der Kreml offenbar verstärkt auf eine Wählergruppe: die Frauen. Helfen Russinnen die Wahlbeteiligung zu steigern und damit Putin zu einem haushohen Sieg?

Russinnen in einem Moskauer Wahllokal (2016)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Shipenkov

Im Grunde ist die Präsidentenwahl in Russland am 18. März längst entschieden. Amtsinhaber Wladimir Putin, der zum vierten Mal kandidiert, liegt in allen Umfragen uneinholbar vorn. Doch sein inoffiziell vom Kreml angestrebter haushoher Sieg - "70 Prozent plus X" - scheint wegen einer möglicherweise niedrigeren Wahlbeteiligung in Gefahr. Das renommierte Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum schätzt, dass zwischen 52 und 54 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben werden - das wäre ein historisch niedriger Wert. Staatsnahe Meinungsforscher prognostizieren allerdings höhere Zahlen.

Tatsache ist: Die Wahlbeteiligung in Russland ist zuletzt dramatisch gesunken. In der bevölkerungsreichen Hauptstadt Moskau brach sie bei der Parlamentswahl 2016 auf rund 35 Prozent regelrecht ein. Außerdem ruft diesmal der nicht zur Präsidentenwahl zugelassene Oppositionsführer Alexej Nawalny zu einem Boykott auf. Vor diesem Hintergrund setzt der Kreml offenbar unter anderem auf die größte und einflussreichste Wählergruppe in Russland: die Frauen.

Wie Frauen umworben werden

Abgesehen von der überraschenden Präsentation neuer Atomwaffen während seiner Rede zur Lage der Nation Anfang März, beschreiben viele Beobachter Putins Wahlkampf als ungewöhnlich blass. Eine der wenigen Initiativen, die bisher in Erinnerung bleibt, ist die Einführung monatlicher Kindergeldzahlungen. Putin verkündete diese Maßnahme Ende November, weniger Tage vor der Bekanntgabe seiner Kandidatur. In Kraft trat die Neuregelung, von der hunderttausende Familien profitieren, im Januar, pünktlich zum Beginn der heißen Wahlkampfphase. 

Russischer Wahlwerbespot: "Zärtlich und doch stark"Bild: Youtube/A. Amosov

Es gibt auch andere Hinweise auf die besonders wichtige Rolle von Frauen bei dieser Wahl. So hat die Zentrale Wahlkommission einen Werbespot extra für Frauen produzieren lassen. In einem halbminütigen Video werden Frauen als "zärtlich und doch stark" gepriesen, aber auch als solche, die "vereinen und führen". Die Hauptbotschaft erklingt zum Schluss: "Kommen Sie zur Wahl mit der ganzen Familie".

In einem für Männer produzierten Spot gibt es diese Botschaft nicht. In anderen, teilweise anonymen Videos, die vor allem in sozialen Medien verbreitet werden und jüngeres Publikum ansprechen, werden Frauen als verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeiten dargestellt, die unbedingt zur Präsidentenwahl gehen wollen. In einem der bekanntesten Spots zieht eine Ehefrau abends den Wecker auf, um die Wahl nicht zu verpassen. Der Ehemann lacht sie aus und geht dann - nach einem Albtraum - doch wählen.

Putin treueste Wählerschicht 

Was dahinter steckt, legen Statistikzahlen der Regierung nahe. Anfang 2017 lebten in Russland rund zehn Millionen mehr Frauen als Männer. Ein Drittel der Gesamtbevölkerung sind Frauen im Rentenalter, doppelt so viele wie Männer in der gleichen Altersgruppe. Ältere Russinnen gelten als besonders diszipliniert bei Wahlen und stimmen meistens für Putin. Laut einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM, die Mitte Februar durchgeführt wurde, wollen rund 76 Prozent der befragten Frauen Putin erneut zum Präsidenten wählen. Bei den Männern erreicht der  Kremlchef knapp 62 Prozent.

Putin beim Epiphaniasfest: Medienwirksam mit nackter BrustBild: Reuters/Sputnik/Kremlin/A. Druzhinin

Putins Image als ein sportlicher, gesunder und starker Mann wird seit Jahren kultiviert. Bilder mit nacktem Oberkörper gehören dazu. Mitten im Wahlkampf zeigte sich der 65-Jährige erneut medienwirksam mit nackter Brust, diesmal beim Tauchen im eiskalten Wasser am christlich-orthodoxen Epiphaniasfest am 19. Januar.

Ein Kandidat ohne First Lady

Die Zuneigung russischer Frauen scheint seit Jahren ungebrochen. Daran ändern weder Kriege, wie zum Beispiel in Syrien, noch Gesetzesänderungen, die Strafen für häusliche Gewalt mildern. Auch umstrittene Äußerungen bleiben scheinbar ohne Folgen. "Ich bin keine Frau, ich habe keine schwierigen Tage", diese Anspielung Putins auf weibliche Physiologie in einem Dokumentarfilm des US-Regisseurs Oliver Stone sorgte vor einem Jahr für Aufregung in sozialen Medien. Er wolle niemanden beleidigen, sagte damals der Präsident, es sei "die Natur der Dinge". 

Eine Besonderheit dieser Wahl: Putin tritt zum ersten Mal ohne eine First Lady zur Präsidentenwahl an. Er und seine langjährige und einzige Ehefrau Ljudmila haben sich vor fünf Jahren getrennt. Die Scheidung scheint seine weibliche Basis nicht gestört zu haben. Über eine neue Frau an seiner Seite wird spekuliert, bestätigt ist nichts.

Frauen in der Politik unterrepräsentiert

Kurz vor dem Beginn des Wahlkampfs schloss Putin nicht aus, dass eine Frau Präsidentin Russlands werden könnte. Seit Jahren gibt es Kritik, die größte Bevölkerungsgruppe sei in der russischen Politik unterrepräsentiert. Im Unterhaus des russischen Parlaments, der Staatsduma, liegt der Anteil von Frauen aktuell bei etwa 15 Prozent, etwas höher als früher. 

Kandidatin Sobtschak: Umstrittene RolleBild: picture-alliance/AP/Moscow News Agency/S. Vedyashkin

Im Frühling 2011 wurde in Moskau eine Bewegung für Frauenrechte "Otlitschnizy" ("1A-Mädchen") gegründet, die manche Medien als kremlfreundlich beschreiben. Eines der erklärten Ziele: 2018 eine Frau Präsidentin Russlands werden zu lassen. Der Vorstoß bekam Unterstützung unter anderem von Ljudmila Narusowa, einer Senatorin im Föderationsrat, dem Oberhaus des Parlaments. Narusowa ist die Witwe des ehemaligen Bürgermeisters Anatoli Sobtschak, dessen Stellvertreter in den 1990er Jahren Putin war. 

"Otlitschnizy" verschwand schnell aus den Schlagzeilen und scheint inaktiv. Doch Narusowas Tochter, die Journalistin Xenia Sobtschak, ist heute die einzige Frau unter acht Präsidentschaftskandidaten. Eine Chance hat sie nicht und ihre Rolle ist umstritten. Manche vermuten, eines der Ziele der 36-jährigen Sobtschak sei, im Sinne der Kremls die Wahlbeteiligung anzukurbeln.

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