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PolitikAfrika

Putsch im Niger: Wie die EU und Frankreich Druck ausüben

31. Juli 2023

Immer mehr westliche Länder wollen Hilfszahlungen an den Niger einstellen. Frankreichs Rolle in dem westafrikanischen Land steht besonders im Fokus. Was Frankreich und die EU planen.

Niger Niamey | Demonstration von Anhängern des Putschisten General Omar Tchiani
"Nieder mit Frankreich, es lebe Putin", steht auf dem Plakat auf einer Demonstration von Anhängern des Putschisten Omar Tchiani am SonntagBild: Sam Mednick/AP/dpa/picture alliance

Der Militärputsch im westafrikanischen Niger verfestigt sich. Vergangenen Mittwoch wurde der 2021 demokratisch ins Amt gewählte Präsident Mohamed Bazoum festgesetzt und entmachtet.  Am Freitag erklärte sich dann der Befehlshaber der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, zum neuen Machthaber des Landes. Bereits am Wochenende kündigte die EU an, dass sie die aus dem Putsch hervorgehenden Behörden nicht anerkennen werde.

Europäische Länder stellen Zahlungen ein

Außerdem erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, dass alle Budgethilfen und die sicherheitspolitische Kooperation bis auf weiteres ausgesetzt seien. Auch Frankreich gab am Samstag die Aussetzung jeglicher Entwicklungshilfe und der Hilfen zum Haushaltsbudget bekannt. Am Montag folgte die deutsche Bundesregierung: Alle Zahlungen an die Regierung seien bereits ausgesetzt; die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit werde ebenfalls gestoppt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kündigte Sanktionen an (Archivbild) Bild: Jean-Francois Badias/AP/picture alliance

Außerdem fordern die EU und Frankreich die neuen Machthaber auf, die verfassungsgemäße Ordnung wiederherzustellen. Als Grund für den Putsch nannte General Tchiani die seiner Meinung nach verschlechterte Sicherheitslage in dem Land sowie die Unzufriedenheit über die Regierung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Dieser Rechtfertigung widersprachen zwei Berater Bazoums und legten persönliche Beweggründe nahe, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP.

Léonard Colomba-Petteng, Forscher am Zentrum für internationale Beziehungen an der französischen Universität Sciences Po, meint, dass es in der momentanen Situation schwierig sei zu ermitteln, welche Regierung die Putschisten wollten. Es sei lediglich klar, dass diese das geltende System ausgeschaltet hätten und sich jede Einmischung in innere Angelegenheiten verbäten.

EU unterstützt ECOWAS-Ultimatum

Auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verurteilt den Putsch im Niger. Neben der Verhängung von Sanktionen stellte die ECOWAS den Putschisten am Sonntag ein einwöchiges Ultimatum, den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Andernfalls werde man alle notwendigen Maßnahmen – einschließlich eines möglichen Einsatzes von Gewalt – zur Wiederherstellung der verfassungsgemäßen Ordnung ergreifen.

Léonard Colomba-Petteng, der hauptsächlich zu den europäischen Beziehungen zum Niger forscht, hält dies für ein Druckmittel, dessen Erfolg zweifelhaft sei, da das Ziel der Putschisten noch im Dunkeln liege. "Ich denke, dass da nicht viele Verhandlungen mit dem Militär selbst stattfinden. Die erste internationale Reaktion ist, lieber Druck auszuüben, als zu verhandeln und zu versuchen zu verstehen, was los ist."

Léonard Colomba-Petteng forscht am Institut für internationale Beziehungen an der Sciences Po Paris.Bild: privat

Die EU begrüßte am Montagmorgen die Maßnahmen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. "Die Europäische Union unterstützt alle Maßnahmen, welche die ECOWAS als Reaktion auf diesen Putsch ergriffen hat, und wird sie rasch und entschlossen fördern," teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Auch Frankreich begrüßte die Entscheidungen der ECOWAS. 

Demonstrationen vor französischer Botschaft

Laut Medienberichten sollen pro-Junta Demonstrationen vor der französischen Botschaft in der Hauptstadt Niamey eskaliert sein.  AFP berichtet, dass das Botschafts-Schild abgerissen worden sei und antifranzösische Parolen gerufen worden seien, während es gleichzeitig Sympathiebekundung für Russland gegeben habe. Als manche Demonstranten versucht hätten, sich Zugang zu verschaffen, seien sie mit Tränengas vertrieben worden. 

Am Sonntag hieß es aus dem Elysée-Palast, dass der französische Präsident keinen Angriff gegen Frankreich und seine Interessen dulden werde. Außerdem kündigte er eine "sofortige und unerbittliche Reaktion Frankreichs" im Falle eines Angriffes auf französische Staatsangehörige an. Von Seiten der EU hieß es, dass die EU die Putschisten für jeden Angriff auf Zivilisten, diplomatisches Personal oder Einrichtungen zur Verantwortung ziehen würde – ohne Frankreich explizit zu nennen. Am Montag wies die französische Regierung Angaben der nigrischen Militärs zurück, Waffen zum Schutz der Botschaft eingesetzt zu haben. 

Tausende Menschen protestierten am Sonntag vor der französischen Botschaft in Niamey gegen die ehemalige KolonialmachtBild: AFP/Getty Images

Frankreich - ehemalige Kolonialmacht des Niger - spielt eine besondere Rolle in dem Land. Der Experte Colomba-Petteng gibt zu Bedenken, dass Frankreich viele Interessen in der Region habe. "Man darf nicht vergessen, dass Frankreich eine komplette Entwicklungs- und Sicherheitsagenda in der Region hat." Auch fördere eine französische Firma im Norden des Landes Uran, erklärt Colomba-Petteng im Gespräch mit der DW. Nicht nur aus diesen Gründen werde Frankreich von manchen im Niger so wahrgenommen, als habe es eine "versteckte neokoloniale Agenda", meint der Politikwissenschaftler. Allerdings macht das französische Außenministerium geltend, dass Frankreichs Uran-Versorgung stark diversifiziert sei und Uran aus dem Niger lediglich vier Prozent der Weltproduktion ausmache.

Frankreich war in den vergangenen Jahren mit Einsätzen gegen islamistische Terrorgruppen in der Region präsent. Nach einem Putsch in Mali beendete Paris im Juni 2021 den Einsatz in der Sahelzone in der damaligen Form.  Bei der Operation "Barkhane" waren zeitweise bis zu knapp 5000 französische Soldaten im Einsatz. Im Januar dieses Jahres zog das Land seine Truppen aus Burkina Faso ab. Wie die DW berichtete, spielten dabei auch anti-französische Ressentiments eine Rolle. Der Rückzug auf Raten könnte weitergehen, folgt man Colomba-Petteng: Wenn sich die Putschisten durchsetzen, meint der Forscher, könnte das Frankreich weiteren Einfluss in der Region kosten.