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Quadriga-Schatten

19. Juli 2011

Die Querelen um den Quadriga-Preis für Putin werden die Beziehungen mit Moskau nicht dauerhaft belasten. Bedenklicher ist jedoch die erkennbare Spaltung der deutschen Elite in der Russlandpolitik, meint Ingo Mannteufel.

Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Wie so oft in den vergangenen Jahren, stand auch der diesjährige Petersburger Dialog unter keinem guten Stern. Es ist schon fast eine bedauerliche Regel, dass sich kurz vor dem "Treffen der deutschen und russischen Zivilgesellschaften" Schatten auf die ohnehin nicht immer leichten Gesprächen legen: So wurde 2006 kurz vor dem Petersburger Dialog die russische Journalistin Anna Politkowskaja umgebracht. 2008 sorgte der russisch-georgische Krieg für eine Krise in den deutsch-russischen Beziehungen, und 2009 wurde die Menschenrechtsaktivistin Natalija Estemirova im Nordkaukasus getötet.

Quadriga-Skandal

In diesem Jahr waren es die Querelen um den geplanten Quadriga-Preis an den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, die einen Tag vor dem Beginn des Petersburger Dialogs in Wolfsburg mit der Absage der Preisverleihung ihren Höhepunkt erfuhren.

Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Kein Wunder, dass insbesondere die offiziellen russischen Vertreter wie Vize-Premier Viktor Subkow - zugleich russischer Vorsitzender des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs - und der russische Botschafter Wladimir Grinin etwas irritiert und verschnupft auf diese Entscheidung reagierten. Dabei kritisierten sie nicht zu unrecht das Chaos im Vorstand des Vereins, der den Quadriga-Preis vergibt. Ganz professionell beeilten sie sich jedoch zu erklären, dass der Skandal keine Auswirkungen auf die deutsch-russischen Beziehungen habe. Die Botschaft ist klar: Man hat sich in Moskau schon geärgert, aber die von Pragmatismus und Realismus getriebene Außenpolitik der Russen wird dieser Skandal nicht verändern.

Deutsche Elite in Russlandpolitik entzweit

Der Geschichte um den Quadriga-Preis hat aber etwas ganz anderes offengelegt, was die russische Seite mit einer gewissen Freude wahrgenommen haben dürfte. Die deutsche Elite ist in der Bewertung des heutigen Russlands und der sich daraus abzuleitenden Russlandpolitik mittlerweile vollständig entzweit. Dies war schon im Vorfeld des Petersburger Dialogs zu spüren, zeigte sich aber erst recht in den Diskussionen, Vorträgen und Gesprächen in Wolfsburg.

Der eine Teil der deutschen Elite steht für einen leisen, diplomatischen und rücksichtsvollen Dialog mit der russischen Führung. Offene Konflikte werden vermieden. Stattdessen wird getreu dem russischen Wunsch, man solle Russland so nehmen, wie es ist, und nicht so viel an Russland kritisieren, an pragmatischen Zielen gearbeitet. Missstände in Russland werden zwar nicht geleugnet, aber mit Fehlentwicklungen in Frankreich oder Italien verglichen und damit relativiert.

Der andere Teil der deutschen Russland-Community ist auch an guten Beziehungen zu Russland interessiert, strebt aber nach einer deutlicheren Kritik an den demokratischen Defiziten und Menschenrechtsverletzungen in Russland.

"Die Zahmen" vs. die "Russland-Basher"

Unterschiedliche Meinungen und Tendenzen in der deutschen Russlandpolitik gab es schon immer, was ja auch das Wesen einer lebendigen und freien Zivilgesellschaft ist. Doch mittlerweile scheint die Spaltung tiefe Gräben aufzureißen: Da werden Strukturreformen gefordert, die weitere Finanzierung des Petersburger Dialogs in Frage gestellt und die jeweils andere Gruppe mit Bezeichnungen wie "die Zahmen" oder die "Russland-Basher" verunglimpft.

Die Spaltung fügt aber den deutschen Interessen im Verhältnis zu Moskau einen schweren Schaden zu: Im besten Fall führt das Zerwürfnis in der deutschen Elite zu einem solchen peinlichen Hin und Her wie beim Quadriga-Preis. Im schlimmsten Fall vermitteln einige Deutsche den Eindruck, dass sie bereit erscheinen, demokratische Prinzipien zu relativieren oder die euro-atlantische Partnerschaft für engere sicherheitspolitische Beziehungen mit Russland in Frage zu stellen. Das alles kann nicht im Sinne der deutschen Politik sein, zumal in einer Zeit, in der von Deutschland eine klare Linie in Europa erwartet wird.

Autor: Ingo Mannteufel, z.Z. Wolfsburg
Redaktion: Ursula Kissel