Qual der Wale
20. Juni 2005
"Vor Beginn des kommerziellen Walfangs, um 1910, gab es in der Antarktis 500.000 Finnwale, um 1990 noch 2000. Die Situation der Buckelwale ist nicht besser", nennt die Meeresbiologin Petra Deimer von der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) Zahlen. Bisher noch konnte sich die Partei der Artenschützer bei den Jahrestagungen der Internationalen Walfangkommission (IWC) immer durchsetzen - auch 2005, bei der Konferenz im koreanischen Ulsan.
Stimmungsumschwung denkbar?
Doch es ist zu befürchten, dass sich das Stimmenverhältnis zu Gunsten der Moratoriumsgegner langfristig immer mehr verschiebt. Die 62 Länder, die der Internationalen Walfangkommission angehören, stehen sich derzeit in einer Art "Patt" gegenüber. Aber die Präferenzen verschieben sich: Die Zahl der von Japan, Norwegen und Island angeführten Walfangbefürworter nimmt zu.
"Es ist kein Geheimnis mehr, dass Japan über seine Entwicklungshilfe das Mehrheitsverhältnis beeinflusst", sagt Jörg Dürr-Pucher, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Zur Abschaffung des Walfangverbotes würde die IWC eine Dreiviertelmehrheit brauchen.
Japan und seine Anhänger versuchen immer wieder, bestehende Wal-Schutzgebiete und wichtige Arbeitsgruppen der IWC abzuschaffen. Dazu gehören Bereiche wie Umweltschutz und Klima, Abenteuertourismus und Whale Watching, akustische Umweltverschmutzung und Schiffsunfälle mit Walen oder "Beifang". 2005 sind sie damit allerdings nochmal gescheitert.
Norwegens selbstbenannte Quote
Auch während des Moratoriums haben die Walfang-Nationen Japan, Norwegen und Island insgesamt 25.000 Wale abgeschossen. Hinzu kommen ein paar hundert Tiere, die von den Inuit in Alaska, Kanada, Russland und Grönland unabhängig vom "kommerziellen Fangverbot" gefangen werden dürfen. Norwegen zum Beispiel hat sich dem Walfangverbot nie angeschlossen und legt seine Quoten selbst fest: Seit April und noch bis Ende August dürfen die Walfänger auf rund 30 Booten 767 Zwergwale abschießen - die höchste Quote in Norwegen seit Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs 1993.
Japans geschickte Taktik
Die Japaner haben ihre Fänge als "Wissenschaft" deklariert - und Walfang für die Wissenschaft ist Ländersache.
Nach Ansicht des WWF ist es mit modernen Methoden heute jedoch möglich, Wale zu erforschen, ohne sie dabei zu töten. "Mit einem speziellen Pfeil können Wissenschaftler den Walen völlig unbedenklich kleine Gewebeproben entnehmen", erklärt Volker Homes, Walexperte beim WWF. Selbst Nahrungsgewohnheiten lassen sich auf diese Weise besser erforschen. Einen weiteren Hinweis auf die mangelnde Qualität der japanischen Walforschung gibt die Art und Anzahl der in wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlichten Artikel: Keine der vorgelegten Studien konnte die Mindestansprüche der Zeitschriften erfüllen.
Auf der Abschussliste der Japaner für die derzeitige Saison stehen 2000 geschützte Wale - darunter 150 Zwergwale im Nordpazifik und 850 in der Antarktis, 50 Bryde's Wale, 50 Sei- und 10 Pottwale sowie je 50 der streng geschützten Finn- und Buckelwale im Eismeer der Südhalbkugel. Der Direktor des japanischen Instituts für Walforschung in Tokio, Hiroshi Hatanaka, begründet die Ausweitung der Fänge mit einer Zunahme der Bestände. Das Walfleisch, das "im Namen von Wissenschaft und Forschung" über die Seziertische der Labors gegangen ist, darf übrigens für umgerechnet bis zu 400 Euro pro Kilo verkauft werden. (arn)