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PolitikEuropa

Der Dienst der Queen ist vorbei

8. September 2022

Großbritannien trauert: Königin Elizabeth II. ist im Alter von 96 Jahren in ihrer Sommerresidenz auf Schloss Balmoral in Schottland gestorben. Für viele war sie die Verkörperung Großbritanniens.

Queen Elizabeth II wird von Prinz Charles geführt
Im Alter von 96 Jahren gestorben: Queen Elizabeth II.Bild: Toby Melville/REUTERS

Sie war die am längsten regierende Königin in der britischen Geschichte. Ihr langes Leben war Dienst. So hat Elizabeth II. es selbst gesehen. Bereits als Prinzessin wandte sie sich an ihrem 21. Geburtstag 1947 an ihre künftigen Untertanen im gesamten Commonwealth.

"Ich gelobe vor Ihnen allen, dass ich mein ganzes Leben, mag es lang sein oder kurz, Ihnen dienen werde und der großen imperialen Familie, der wir alle angehören." Elizabeth nahm die kurze Rede mit ihrem Lebensmotto während einer Reise in Kapstadt für das Radio auf. Sie nutzte die Medien und moderne Kommunikation. Ihre Krönung 1953 ließ sie als erste im Fernsehen übertragen. Ein Weltereignis.

70 Jahre auf dem britischen Thron: Elizabeth II. nach ihrer Krönung am 2. Juni 1953Bild: empics/dpa/picture alliance

"Niemals zuvor wurde ein so außerordentliches Versprechen so exakt eingehalten. In Zeiten, in denen Sitten und Politik sich ständig wandeln, ist ihre Majestät unerschütterlich geblieben, ein Fels für unsere Nation und manchmal auch für die ganze Welt", lobte der damalige britische Premierminister David Cameron zum 60jährigen Thronjubiläum 2013.

Beliebt war die "Königin von Großbritannien und Nordirland, ihrer anderen Besitzungen und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth und Verteidigerin des Glaubens" (so der korrekte Titel) in vielen Teilen der Welt, besonders in Deutschland. Eine Art Ersatzmonarchin, meinte die deutsche Adelsforscherin Monika Wienfort gegenüber der DW.

"Die Faszination rührt vom Spektakulären im Alltäglichen her", meint die Historikerin. "Eigentlich tun diese Adeligen ganz gewöhnliche Dinge. Sie heiraten, bekommen Kinder und sterben. Aber sie tun es auf eine repräsentative Weise. Wann sieht man sonst schon einmal eine Kutsche?"

Trauer um Diana: Queen Elizabeth II. und ihr Mann am 31. August 1997 vor dem Buckingham Palast in LondonBild: Dave Chancellor/Zumapress/IMAGO

Die große Krise nach Dianas Tod

Prinz Charles, der älteste Sohn der Königin, hat seine Familie, die Windsors, einmal als "Seifenoper" beschrieben. Die Queen hat alle Dramen, Scheidungen, Skandale ausgehalten. Nur 1997 kam sie ins Wanken, als die Briten sie als zu kalt empfanden. Elizabeth trauerte erst nach langem Zögern öffentlich um ihre ehemalige Schwiegertochter, Prinzessin Diana. Nach dem Unfalltod im Pariser Autotunnel ging die Königin erst nach öffentlicher Kritik im Buckingham Palace vor die Fernsehkamera: "Wir haben alle auf unsere Weise versucht, damit klar zu kommen. Es ist nicht einfach den Verlust auszudrücken, weil sich nach dem anfänglichen Schock eine Mischung von vielen Gefühlen einstellt: Unglauben, Ärger und Sorge um diejenigen, die nachbleiben." Sie sprach als Königin und Großmutter im tiefschwarzen Kostüm mit Perlenkette. Das Volk war versöhnt.

Die Queen hat Tausende von Terminen wahrgenommen, hunderte Auslandsreisen absolviert und immer gelächelt, sich nie politisch geäußert. Doch sie wusste immer, was los ist, bescheinigte ihr zum Beispiel die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher. "Sie hat vorzügliche Kenntnisse der aktuellen Entwicklungen und einen überragenden Erfahrungsschatz. Ihre Ratschläge und Empfehlungen sind immer sehr akkurat. Als Premierministerin habe ich von beidem immens profitiert."

Elizabeth II.: ein Leben im Dienste der MonarchieBild: Chris Jackson/REUTERS

15 verschiedene Regierungschefs hat die Queen in ihrer Regierungszeit erlebt - von Winston Churchill bis Liz Truss. Der Empfang der neuen Premierministerin am 6. September 2022 war der letzte öffentliche Auftritt der schwächer werdenden Königin. Mit frischer Dauerwelle, in einem Rock mit schottischen Muster und grauer Strickjacke auf einen Stock gestützt ließ sich die Monarchin lächelnd ein letztes Mal fotografieren. Sie hatte sich auf Schloss Balmoral in Schottland zurückgezogen. Hier wollte sie auch sterben, so Palast-Insider. Das relativ rustikale Balmoral mitten in der rauen schottischen Natur, in die sie ausgedehnte Wanderungen und Ausritte unternahm, war zeitlebens Elizabeths Lieblingsplatz.

Jede Woche hat die Queen ihre Premiers zu vertraulichen Gesprächen empfangen. Und nicht nur die Premiers, sondern auch Richter, Gewerkschafter, Unternehmer und ganz normale Leute wurden in den Palast gebeten. "Audienz heißt für mich, ich kann Menschen treffen, ohne dass jemand anderes zuhört. Das gibt einem ein sehr breites Bild davon, was wirklich vor sich geht in der Regierung oder in der Beamtenschaft. Viele sind ganz normale Menschen, aber ich kann jeden treffen, den ich treffen will." So hat die Queen ihren Arbeitsstil gegenüber der BBC in einem Interview beschrieben.

Hoch zu Ross bis ins hohe Alter: die Queen mit US-Präsident Ronald Reagan im Juni 1982Bild: Everett Collection/picture-alliance

Pferde waren ihr ein und alles

"Ich hatte keine Lehrzeit, mein Vater starb viel zu früh. Ich musste sehr plötzlich übernehmen und einen möglichst guten Job machen." Ihren Job als Königin nahm sie ernst. Disziplin war ihr Leitmotiv. Ihre Leidenschaft war das Landleben. Pferde. Ihre Hunde. Über 30 Corgies haben die Queen begleitet. Seit 2012 hat sie keinen neuen Hund mehr angeschafft. Sie wollte nicht, dass einer der Hunde sie überlebt. "Sie ist immer glücklich und lächelt, wenn es um Pferde geht. Dann kann sie sich entspannen. Sie erkennt ein verletztes Pferd aus 30 Metern Entfernung", erinnerte sich ihr ehemaliger Pressesprecher Dickie Arbiter.

Die kleine weißhaarige Frau, die stets in auffallende, manchmal schrille Farben gekleidet war, beeindruckte. Selbst ein anderer Charismatiker, der ehemalige US-Präsident Barack Obama, bescheinigte ihr nach seinem letzten Besuch auf Schloss Windsor: "Die Queen war immer eine Quelle der Inspiration für mich und für viele Menschen auf der ganzen Welt. Sie ist eine erstaunliche Person und ein echtes Juwel nicht nur für Großbritannien, sondern für die ganze Welt."

Elizabeth II. im Kreis ihrer Familie auf dem Balkon des Buckingham Palasts (2019)Bild: Victoria Jones/PA Wire/empics/picture alliance

Schicksalsschläge in den letzten Lebensjahren

Zuletzt wurde die Queen von mehreren Schicksalsschlägen ereilt: Ihr Enkel Prinz Harry und seine Frau Meghan stiegen mit viel Medien-Tamtam aus dem Windsor-Zirkus aus und vermarkten sich seither als missverstandene Königskinder. Meghan, Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, warf der Familie Windsor in einem weltweit beachteten TV-Interview im März 2021 Rassismus vor.

Noch gravierender war der Fall von Prinz Andrew: Der zweitälteste Sohn der Queen wurde in Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal um den US-Multimillionär Jeffrey Epstein vor einem New Yorker Gericht verklagt. Die Klägerin warf dem Prinzen vor, sie vor mehr als 20 Jahren als Minderjährige mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Andrew bestritt dies.

Vor allem aber starb, fast hundertjährig, im April 2021 Prinz Philip, mit dem Elizabeth mehr als 73 Jahre lang verheiratet gewesen war. "Er war ganz einfach mein Halt und meine Stärke in all diesen Jahren", hatte sie einmal über ihn gesagt.

Letzter öffentlicher Auftritt: Elizabeth II. ernennt Liz Truss zur neuen PremierministerinBild: Jane Barlow/PA/AP/picture alliance

"Majestät und Mami"

Doch schon kurz nach der Beerdigung nahm die Königin ihre Pflichten als Staatsoberhaupt wieder auf - doch zuletzt musste sie immer wieder Termine aus gesundheitlichen Gründen absagen.

Ihr ältester Sohn, Prinz Charles (geb. 1948), hat lange darauf gewartet, ihr Nachfolger zu werden. Er grollte ihr nicht, sondern nannte sie beim 60-jährigen Thronjubiläum fast zärtlich "Majestät und Mami". Charles versuchte locker zu sein, was seiner Mutter weniger lag.

"Eure Majestät, Millionen Menschen, so sagte man mir, träumen davon, einmal mit Ihnen Tee zu trinken." Die Queen verzog keine Miene, obwohl das Publikum herzlich lachte. Erst als Charles sie standesgemäß drei Mal hochleben ließ und das Volk ihre Hymne sang, war die Mutter der Nation zufrieden: "God save the Queen."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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