Quentin Tarantino in Berlin
26. Januar 2016Gedreht hat der 52-jährige Kultregisseur schon einmal in der deutschen Hauptstadt. Sein Film "Inglourious Basterds" wurde im Herbst 2008 zum Teil in den Babelsberger Studios realisiert. Tarantino schätzt Berlin. Das bekräftigte er jetzt vor der deutschen Presse noch einmal: Er liebe die Stadt, habe seine ganz persönlichen Erinnerungen an Berlin, an Freundschaften und Eskapaden.
Auf die Diskussion um die Nichtberücksichtigung von Afro-Amerikanern bei der diesjährigen Oscar-Nominierung ging der Regisseur nur ausweichend ein. Er wolle lieber über seinen neuen Film reden, sagte Tarantino. Nur soviel: "Wenn ich nominiert wäre, würde ich hingehen." Im vergangenen Jahr hatte sich Tarantino in den USA sehr kritisch gegenüber der Polizeigewalt gegen Schwarze geäußert. Polizeigewerkschaften hatten daraufhin zum Boykott des neuen Tarantino-Films aufgerufen.
Am Abend feierte "The Hateful Eight" dann vor geladenen Gästen und viel Prominenz Premiere im Berliner Zoo-Palast. Auch die beiden Hauptdarsteller Kurt Russell und Jennifer Jason Leigh waren mit dabei. In dem Western-Thriller spielen sie zwei bis zum blutigen Ende schicksalhaft aneinandergekettete Charaktere, die sich hassen.
Ein fast schon klassischer Tarantino
"The Hateful Eight" bietet das für Quentin Tarantino so typische Spiel mit den Mythen des Kinos. "Die glorreichen Sieben" hieß ein berühmter Hollywood-Western mit Yul Brynner aus dem Jahre 1960. Regisseur John Sturges hatte sich damals an dem japanischen Film "Die sieben Samurai" orientiert, der sechs Jahre zuvor in die Kinos gekommen war. Der wiederum war von Japans Star-Regisseur Akira Kurosawa in Szene gesetzt worden.
Tarantino setzt nun mit seinem aktuellen Film noch einen drauf, macht aus sieben Pistoleros acht Westernfiguren, spielt so mit der Geschichte des Kinos und ihren berühmten Werken. Der Kult-Regisseur liebt das populäre amerikanische Genrekino, vor allem Western und Kriminalthriller, aber er ist auch ein großer Fan des asiatischen Films. Was lag nun also näher, beides zusammenzubringen?
The Hateful Eight: Spiel um Hinterlist und Täuschung
"The Hateful Eight" erzählt die Geschichte eines mit allen Wassern gewaschenen Kopfgeldjägers, der mit einer gesuchten Mörderin durch Wyoming zieht (gedreht wurde in Colorado) und in einen Schneesturm gerät. In einer ausrangierten Poststation finden die beiden Unterschlupf und treffen auf einen Haufen versprengter und scheinbar zufällig dort gestrandeter Figuren. Doch die meisten sind nicht die, für die sie sich ausgeben. Es beginnt ein Spiel um Verdächtigungen und Rache, um Hinterlist und Täuschung. Tarantino hat ein Western-Kammerspiel gedreht.
Wie immer bei diesem Regisseur stößt der Zuschauer auf messerscharfe Dialoge, die zwischen trockenem Witz und Irrsinn changieren. Der Zuschauer sieht ein großartiges Schauspieler-Ensemble: die für Tarantino typische Mischung aus alten Hollywood-Haudegen (Kurt Russell, Bruce Dern), aktuellen Stars (Samuel L. Jackson, Channing Tatum), Newcomern (Demián Bichir) und einer geheimnisvollen Lady (Jennifer Jason Leigh, die für ihren Auftritt eine Oscarnominierung erhielt).
Der Morricone-Soundtrack wurde für einen Oscar nominiert
Der Soundtrack stammt einmal mehr vom Großmeister des Italo-Western Ennio Morricone. Die breiten Ultra-Panavision-70-mm-Bilder (Kamera: Robert Richardson, ebenfalls für den Oscar nominiert) bringen sowohl die klaustrophobische Enge der Poststation wie auch die weiten Schneelandschaften der Drehorte im US-Bundesstaat Wyoming zur Geltung. Allerdings ist es schade, dass sich Tarantino schon nach der Eröffnungsviertelstunde von der Weite der Schneelandschaft verabschiedet und seine Handlung anschließend fast vollständig in die Enge der Poststation verlegt.
In den USA hat der neue Tarantino die finanziellen Erwartungen bisher nicht erfüllen können. Nach seiner Welturaufführung am 7. Dezember in Los Angeles kam der 62-Millionen-Dollar teure Film an Weihnachten in die Kinos, zunächst nur mit wenigen Kopien. Bisher spielte er etwas über 50 Millionen Dollar ein - verglichen mit den vorherigen Tarantino-Streifen ist das wenig.
Ein paar allzu lange Dialoge, wenig Abwechslung bei den Schauplätzen
Natürlich musste sich "The Hateful Eight" gegen die übermächtige Konkurrenz von "Star Wars VII" behaupten. Doch liegt das magere Einspielergebnis möglicherweise auch daran, dass Tarantinos achtes Werk nicht ganz so gelungen ist wie frühere Filme des Regisseurs.
Knapp drei Stunden Dialoge zwischen Westernfiguren in einer Poststation - das ist für viele Zuschauer womöglich nicht befriedigend. In Sachen Action sind die abgebrühten jüngeren Kinogänger ganz anderes auf der Leinwand gewohnt. Richtig zur (blutigen) Sache geht's in "The Hateful Eight" erst in den letzten 20 Filmminuten.
Vielleicht trifft der Film nun aber in Europa auf ein größeres Interesse. Denn Tarantinos Spiel mit den Mythen des Kinos, der liebevolle und sorgfältige Umgang mit seinen Mitteln - Musik, Kamera, Schauspieler - könnte für ein cineastisches Publikum in vielen europäischen Ländern durchaus reizvoll sein.