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Querdenker soll neuer Pentagon-Chef werden

Michael Knigge8. Januar 2013

US-Präsident Barack Obama hat den ehemaligen Senator Chuck Hagel als neuen Verteidigungsminister nominiert - die Bestätigung des Republikaners ist jedoch kein Selbstläufer.

Der damalige demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama spricht am 22.07.2008 bei einer Presekonferenz in Amman (Jordanien). Neben ihm sitzt der republikanische US-Senator Chuck Hagel (r). US-Präsident Barack Obama will Medienberichten zufolge den ehemaligen republikanischen Senator Chuck Hagel zum neuen Verteidigungsminister nominieren. UEPA/JAMAL NASRALLAH dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

Wen man dieser Tage auch befragt über Chuck Hagel, den Präsident Obama zum neuen Pentagon-Chef machen will - auf einen Charakterzug kommen alle Beobachter unaufgefordert sofort zu sprechen: Hagel ist ein Querdenker. "Das ist jemand, der tradierte Weisheiten hinterfragen und unangenehme Fragen stellen wird", sagt James Davis, Professor für internationale Politik an der Universität St. Gallen. Hagel, so Davis weiter, denke "outside of the box", halte sich also nicht einfach an vorgegebene Denkschemata. "Ich glaube, das ist eine intelligente Wahl."   

"Das ist eine unkonventionelle Besetzung, ein sehr unabhängiger Geist", betont auch Andreas Falke, Professor für englischsprachige Gesellschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg. Falke, der mit Hagel vor Jahren einmal ein längeres persönliches Gespräch führen konnte, bezeichnet den 66-Jährigen ebenfalls als guten Kandidaten für das Amt.

Vietnam-Veteran

Die fachliche Qualifikation für den Posten als Pentagon-Chef spricht Hagel auch niemand ab. Schließlich war der langjährige Senator bis 2008, als er nicht mehr zur Wiederwahl antrat, einer der profiliertesten Außen- und Sicherheitspolitiker im US-Kongress. Und nicht nur das: Als hoch dekorierter Vietnam-Veteran verfügt er auch über den besonders für einen Militärchef wichtigen "Stallgeruch".

Dennoch dürfte die nötige Bestätigung durch den Kongress für Hagel kein Spaziergang werden. Denn im Laufe seiner langen Karriere im Senat hat sich der unbequeme Politiker keineswegs nur Freunde gemacht. Sowohl in seiner eigenen Partei als auch bei den Demokraten gibt es viele, die er seit seiner ersten Wahl in den Senat 1996 verprellt hat. Denn Hagel bezieht gerne klar Position und scheut dabei weder Kontroversen mit der eigenen Partei oder der Opposition noch mit den zahlreichen außerparlamentarischen Interessenvertretern.

Israel-Kritik und Klimaschutz

So stellen einige republikanische wie demokratische Kritiker Hagels Loyalität zu Israel in Frage, nachdem der Ex-Senator in einem nicht von ihm verfassten Buch mit Israel-kritischen Aussagen zitiert wurde. Bei Demokraten und Umweltschutzaktivisten könnte auch Hagels frühere Rolle als Klimaschutzgegner - als neu gewählter Kongressabgeordneter zählte er zu den schärfsten Gegnern des Kyoto-Protokolls - noch immer für Unmut sorgen. Mit seiner offenen Ablehnung eines schwulen Kandidaten für einen Botschafterposten zog sich Hagel 1998 zudem den Zorn der amerikanischen Homosexuellen-Verbände zu. Er entschuldigte sich daraufhin. Dennoch haben sich einige Homosexuellen-Organisationen gegen seine Nominierung  ausgesprochen.      

Die Zustimmung für Hagel im Senat ist nicht garantiertBild: picture-alliance/dpa

Irak-Krieg-Gegner

Aber auch die eigene Partei verschonte Hagel nicht. So verweigerte er ironischerweise dem ihm seelenverwandten John McCain die Unterstützung als republikanischer Präsidentschaftskandidat 2008. Viele Parteifreunde dürften auch Hagels Kritik am Irak-Krieg und an George W. Bushs Kampf gegen den Terror nicht vergessen haben. Zwar stimmte Hagel ursprünglich für die Irak-Invasion, wurde jedoch im Laufe der Zeit zu einem der schärfsten Gegner des Kriegs. Auch seine Haltung bezüglich des iranischen Atomprogramms könnte republikanischen Hardlinern zu schwammig sein. Während der Bush-Regierung warnte Hagel wiederholt vor einem Angriff auf den Iran. Zwar schloss er kürzlich in einem Meinungsartikel in der Washington Post die militärische Option im Hinblick auf Teheran ausdrücklich nicht aus. Dennoch gilt Hagel als Befürworter einer multilateralen Politik.      

Hagel gilt als unbequem, aber konsequentBild: picture-alliance/dpa

"Ich glaube, dass Hagel jemand ist, der sehr viel zurückhaltender ist und sehr genau überlegt, welche Konsequenzen bestimmte Aktionen haben", sagt Falke. Dies bedeute nicht, dass Hagel ein Isolationist sei, aber sicherheitspolitische Abenteuer seien mit ihm schwer zu machen. Hagel, so Falke, analysiere Situationen "ohne ideologische Scheuklappen". Trotz mancher Widerstände bei Republikanern und Demokraten werde Hagel am Ende doch die Zustimmung seiner ehemaligen Kollegen erhalten und Pentagon-Chef werden, glauben die Experten.

Kürzung der Ausgaben

Mit dem Republikaner Hagel als Verteidigungsminister könnte Obama die unumgängliche Kürzung der Sicherheitsausgaben leichter in Angriff nehmen, sagt Davis: "Das ist auch jemand, der bereit ist, eine unabhängige Meinung zu vertreten gegenüber der Generalität." Falke verweist auf eine Bemerkung Hagels, der Verteidigungshaushalt dürfe nicht der Industriepolitik oder den Interessen von Wahlbezirken dienen. "Das ist natürlich eine explosive Aussage, weil viele Abgeordneten ihre Militärstützpunkte halten wollen."

Tiefgreifende, kurzfristige Veränderung seien aber auch unter einem Pentagon-Chef Hagel nicht zu erwarten, betonen die Fachleute. Schließlich blieben die geopolitischen und strategischen Interessen der USA unverändert. Noch am wahrscheinlichsten sei, so Barbara Zanchetta, US-Expertin am Geneva Centre for Security Policy und am Finnish Institute of International Affairs in Helsinki, dass sich die neue außen- und sicherheitspolitische Achse der US-Regierung - bestehend aus Obama, Hagel und Kerry - um einen Neustart des Nahost-Friedensprozesses bemühe.

Für Europa werde sich unter Hagel nur wenig ändern, so Zanchetta weiter. Der Nahe Osten und Asien blieben auch weiterhin im Fokus der US-Außenpolitik, ohne akute Krisen spiele Europa für Washington nur eine Nebenrolle.

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