Der Pussy-Riot-Aktivist und Betreiber eines russischen Internetportals Pjotr Wersilow soll mit Symptomen einer Vergiftung in ein Moskauer Krankenhaus eingeliefert worden sein. Unklar ist, ob es ein Anschlag war.
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Kurz vor Mitternacht piepten rasch nacheinander die Push-Nachrichten der unabhängigen russischen Medien-Portale Dozhd, Meduza und Mediazona: Pjotr Wersilow, Producer und einer der Gründer der feministischen Punk-Band Pussy Riot sei in das Bakruschin-Krankenhaus im Moskauer Stadteil Sokolniki eingeliefert worden. Er habe die Symptome einer schweren Vergiftung.
Die Medienportale zitieren Weronika Nikulschina, die Freundin des Aktivisten. Das Moskauer Studio der Deutschen Welle kontaktierte sowohl das Krankenhaus als auch die Moskauer Gesundheitsbehörde zu dem Fall Wersilow. Beide Stellen wollten die Einlieferung Wersilows und seinen Gesundheitszustand weder bestätigen noch dementieren. Die Beamten verweisen dabei auf die ärtzliche Schweigepflicht und empfehlen, die Angehörigen Wersilows zu kontaktieren.
Wersilows Kollege Sergej Smirnow, Chefredakteur von Mediazona, wollte gegenüber der DW keine Schlußfolgerungen ziehen. "Es kann alles Mögliche sein", sagte er. Auf die Frage nach einem möglichen Attentat sagte er: "Wir ziehen diese Möglichkeit in Erwägung. Aber das muss nicht unbedingt der Fall sein. Wir haben zu wenige Informationen und wollen erstmal keine Schlüsse ziehen."
Nach den Worten Weronika Nikulschinas habe ihr Lebensgefährte nach einer Verhandlung im Moskauer Basmanny-Gericht zuerst zwei Stunden zu Hause geschlafen. Danach sei das Paar auf einem Spaziergang gewesen, als Wersilows Sehkraft plötzlich schwächer geworden sei. Kurz darauf habe der Dreißigjährige kaum sprechen und gehen können.
"Als der Notarzt kam, hat er auf alle Fragen des Arztes mit dem Satz geantwortet: 'Nein, ich habe nichts gegessen und keine anderen Stoffe zu sich genommen'", sagte Wersilows Freundin dem Nachrichtenportal Meduza. "Auf dem Weg ins Kranklenhaus geriet er in einen schläfrig-ohnmächtigen Zustand. Er reagierte nicht mehr und erkannte mich nicht."
Pjotr Wersilow soll in die toxikologische Reanimationsabteilung des staatlichen Bakruschin-Krankenhaus in Moskau eingeliefert worden sein. Am selben Abend soll seine Mutter den Aktivisten besucht haben. Sie wurde angeblich nicht zu ihrem Sohn vorgelassen.
Pussy Riot träumen von freundlichen Polizisten
Mit ihren Guerilla-Performances hat sich das russische Kollektiv Pussy Riot weltweit einen Namen gemacht. Zuletzt hat die Gruppe beim Finale der Fußball-WM für Aufsehen gesorgt.
Bild: picture-alliance/Gladys Chai von der Laage
Shakehands mit dem späteren Weltmeister
In der 53. Minute des WM-Finalspiels zwischen Frankreich und Kroatien rannten vier Mitglieder des Kollektivs Pussy Riot aufs Spielfeld des Moskauer Stadions - vor den Augen des Präsidenten Wladimir Putin. Hier klatscht der spätere Weltmeister Kylian Mbappé mit einer Aktivistin ab, ehe sie von Sicherheitsleuten vom Feld gebracht wird.
Bild: picture-alliance/Gladys Chai von der Laage
Protest gegen die Fifa
Die Aktion galt dem Protest gegen den Fußball-Weltverband Fifa, der eine freundschaftliche Nähe zu autoritären Regimen unterhalte, die Menschenrechte verletzten. Die vier Mitglieder wurden einen Tag später zu jeweils 15-tägigen Gefängnisstrafen verurteilt. Pussy Riot reagierte darauf mit dem Lied "Track about good Cop", das eine Utopie beschreibt, in der sich die Polizei dem Protest anschließt.
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Guerilla-Kollektiv
2011 haben elf Frauen in Moskau Pussy Riot gegründet - nicht als Band, sondern als Kollektiv. Fortan haben diese Frauen mit künstlerischen Guerilla-Aktionen auf ihre Belange aufmerksam gemacht und Videos davon im Netz verbreitet. Innerhalb kurzer Zeit erlangte die Gruppe vor allem mit ihren regierungskritischen Performances weltweite Beachtung.
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Bekanntes Gesicht
Die Gruppe besteht noch immer aus rund einem Dutzend Mitgliedern, die häufig mit Sturmhauben auftreten, um unerkannt zu bleiben. Eines der bekanntesten Gesichter von Pussy Riot ist Nadja Tolokonnikowa (links). 2012 waren sie und zwei Mitstreiterinnen wegen "Rowdytums" und "Aufwiegelung zu religiösem Hass" zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt worden.
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Ziel der Protests
Die Künstlerinnen hatten zuvor während einer Performance in einer Kirche Präsident Wladimir Putin kritisiert. Der Kremlchef und seine Nähe zur orthodoxen Kirche ist neben dem Kampf für Feminismus das vorherrschende Thema der Aktionen von Pussy Riot. Die Duma erließ nach gut einem Jahr eine Amnestie, wodurch die inhaftierten Sängerinnen vorzeitig aus dem Arbeitslager frei kamen.
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Autoritäre Mächte
Kurz nach der US-Wahl kritisierten Pussy Riot im November 2016 im Musikvideo "Make America Great Again" den künftigen Präsidenten Donald Trump. Das Kollektiv befürchtet, dass das demokratische System durch Politiker wie Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgeweicht und weggespült wird.
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Erfahrungen niedergeschrieben
Die aktuelle Bühnenshow "Riot Days" basiert auf einem Buch von Maria Aljochina. Auch sie war damals zur Arbeit im Lager verurteilt worden. Sie hat über diese Erfahrungen in ihrem Buch geschrieben. Vor den beiden Auftritten in Deutschland gastierten Pussy Riot mit dem Programm in den USA. "Wenn man sich im Westen für Pussy Riot einsetzt, dann ist das cool", sagte Aljochina der Deutschen Welle.
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Furchtloser Protest
Trotz staatlicher Repressalien und der Erfahrungen im Arbeitslager lassen sich die Aktivistinnen nicht einschüchtern. Erst im August 2017 waren Aljochina und Olga Borissowa vorübergehend festgenommen worden, weil sie an einer Demonstration zur Freilassung des ukrainischen Regisseurs Oleg Senzow teilgenommen hatten. Er ist wegen Terrorismus zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt worden.
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Zuletzt sorgte Pjotr Wersilow und seine Freundin Weronika Nikulschina weltweit für Aufsehen, als die beiden sich als Polizisten verkleideten und während des Fußball-WM-Finales Frankreich gegen Kroatien im Moskauer Luschniki-Stadium auf das Feld rannten. Sie wollten damit gegen die Unterdrückung politisch Andersdenkender in Russland protestieren. Beide wurden nach einigen Minuten von Ordnungskräften überwältigt. Später kamen die Aktivisten vors Gericht. Wersilow wurde zu einer kleinen Geldstrafe und fünfzehn Tagen Haft verurteilt.
Die Band Pussy Riot macht immer wieder mit kremlkritischen Künstleraktionen auf sich aufmerksam. Einige Mitglieder sind auch in Westeuropa unterwegs. 2012 waren Pussy Riot-Mitglieder nach einer Protestaktion in der Moskauer Christi-Erlöser-Kirche vor Gericht gekommen. Zwei von ihnen erhielten eine zweijährige Gefängnisstrafe.