1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rätseln über Angriff

Tania Krämer2. Februar 2013

Syrien droht mit Vergeltung, die libanesische Hisbollah hat den israelischen Angriff auf das schärfste verurteilt. Die Situation in der Region ist angespannt. Und in Israel spekuliert man über die Hintergründe.

Ein israelischer F16-Kampfjet beim Start (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bereits seit einigen Tagen stehen zwei Batterien des Luft-Abwehrsystems "Iron Dome" im Norden Israels. Die Verlegung der Waffen vom Süden Israels in die Nähe der Hafenstadt Haifa sei nur "Routine", hieß es dazu aus Militärkreisen in den vergangenen Tagen. Doch dann kam die Nachricht von einem möglichen israelischen Luftangriff auf einen Waffentransport nahe der syrisch-libanesischen Grenze. Und jetzt diskutieren Israels Medien die verschiedensten Bedrohungsszenarien. Auch Kameramann Gavri Chefer, der schon viele Krisen in Israel miterlebt hat und nicht so leicht zu beeindrucken ist, macht sich seine Gedanken: "Als Israeli mit Kindern, die in einem Alter sind, um in die Reserveeinheit der Armee eingezogen zu werden, mache ich mir jetzt wirklich Sorgen", sagt Chefer. Denn Spannungen im nördlichen Grenzgebiet seien immer ein Grund zur Sorge: "Das kann von jetzt auf gleich zu einer Eskalation zwischen der Hisbollah, Syrien und Israel führen. Und bei vielen Israelis, auch bei mir, kommen da Erinnerungen hoch, an den Krieg von 1973 etwa, und daran, dass es zu einem Krieg kommen könnte."

Israels Regierung schweigt

Noch ist nicht klar, was sich am Mittwochmorgen (30.01.2013) genau abgespielt hat. Nach syrischen Angaben soll die israelische Luftwaffe ein militärisches Forschungszentrum zwischen der Hauptstadt Damaskus und der syrisch-libanesischen Grenze bombardiert haben. Die "New York Times" und andere Medien berichteten mit Hinweis auf US-Sicherheitskreise, dass Israel einen Lastwagenkonvoi angegriffen habe, der mit hochmodernen Flugabwehrraketen beladen auf dem Weg zur Hisbollah-Miliz im Libanon unterwegs gewesen sei. Die israelische Regierung schweigt bislang über den Vorfall.

Israels Luftwaffe beschießt Militärkonvoi in Syrien

01:18

This browser does not support the video element.

Angst vor Chemiewaffen

Die Sorge um das syrische Waffenarsenal, insbesondere die Chemiewaffen, beschäftigt Israel schon seit langem. "Israel hat da eine sehr klare rote Linie, was die Versorgung der Hisbollah mit modernen Waffensystemen anbelangt", sagt Jonathan Spyer, Sicherheitsexperte am Interdisziplinären Forschungszentrum in Herzliya (IDC). "Es hat sehr deutlich gemacht, dass es darauf reagieren wird, sollte sich ein Transfer von Waffen abzeichnen. Das ist die Realität, in der sich Israel befindet, und darauf muss es reagieren."

Denn Israel muss befürchten, dass im Chaos des Bürgerkriegs Syriens großes Chemiewaffenarsenal und andere hochmoderne Waffensysteme in die Hände der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon oder anderer extremistischer Gruppen fallen könnten. Sollten radikale Gruppen in den Besitz dieser Waffen gelangen, würde dies aus Sicht von Sicherheitsexperten das regionale Machtgefüge dramatisch verschieben.

Konsultationen mit USA und Russland

In den vergangenen Tagen hatten bereits eine Reihe israelischer Politiker und Armeeführer ein militärisches Eingreifen für den Fall angekündigt, dass syrische Chemiewaffen in die Hände der Hisbollah gelangen könnten. Sogar eine geheime Sitzung des Sicherheitskabinetts zum Thema Syrien war kurz nach den Wahlen einberufen worden. Und laut Medienberichten sind hochrangige israelische Sicherheitsvertreter zu Geheimgesprächen in den USA und Russland.

Dabei hat die israelische Regierung bislang versucht, sich ganz aus dem Konflikt in Syrien herauszuhalten. Nur die besagte rote Linie, die wurde in den vergangenen Tagen sehr deutlich und oft wiederholt. Nun spekulieren die israelischen Medien darüber, was Israel dazu veranlasst haben könnte, diese Drohungen womöglich wahr zu machen.

2012: Syriens Präsident Assad mit SoldatenBild: picture-alliance/dpa

Luftabwehrraketen für die Hisbollah?

Neben dem Transfer der Chemiewaffen sei Israel besonders besorgt über die russischen SA-17 Luftabwehrraketen im syrischen Waffenarsenal, schreibt Amos Harel in der Tageszeitung Ha'aretz. "Das würde die 'Spielregeln' komplett verändern“, sagt auch Sicherheitsexperte Jonathan Spyer vom IDC in Herzliya. "Vor allem dann, wenn Hisbollah diese Abwehrraketen nutzen würde, während die israelische Luftwaffe ihre Aufklärungsflüge über dem südlibanesischen Luftraum macht. Das macht Israel um zu sehen, was die Hisbollah dort treibt. Das würde Israels Möglichkeiten extrem einschränken".

Waffen für syrische Rebellen?

01:14

This browser does not support the video element.

Außerdem spekulieren israelische Medien darüber, warum das syrische Regime und die Hisbollah ausgerechnet jetzt solche Waffentransfers durchführen sollten. Zwar gehen Experten davon aus, dass während des Bürgerkriegs bereits viel Kriegsgerät und Waffen in den Libanon geschmuggelt worden sind. Doch vielleicht könne der jetzige Vorfall darauf hindeuten, dass der syrische Präsident Bashar al Assad Befürchtungen habe, die Waffen könnten in die Hände der Aufständischen gelangen. Oder aber die Hisbollah treffe Vorkehrungen für den Fall, dass das syrische Regime vor dem Zusammenbruch stehe.

Israelis kaufen Gasmasken

Bei allen Spekulationen scheint nur eines sicher: Die Situation in der Region ist damit nicht einfacher und ungefährlicher geworden. Zwar sei die Tatsache, dass es noch keine militärische Antwort der Hisbollah gab, ermutigend, schreibt Amos Harel in der Zeitung Ha'aretz: Aber es sei nur schwer vorhersehbar, ob diese Zurückhaltung von Dauer sei.

Mit Gasmasken wollen sich viele Israelis schützenBild: picture alliance/landov

Israelische Medien berichten unterdessen, dass im Norden Israels Schutzbunker und Luftalarm-Sirenen auf ihre Funktionsfähigkeit getestet wurden. Auch die Nachfrage nach Gasmasken in den Ausgabestellen der Postämter ist offenbar deutlich höher als sonst. In der Bevölkerung würden die aktuellen Nachrichten nachvollziehbare Ängste auslösen, meint Kameramann Gavri Chefer: "Im Nahen Osten kann das, was heute als unrealistisch erscheint, morgen schon ganz anders sein. Und mit einem Herrn Assad, der mit dem Rücken zur Wand steht, ist die Situation sehr gefährlich. Es gibt viele Szenarien, aber als israelischer Bürger, als Vater und Großvater, kann ich nur sagen, dass mich das alles sehr beunruhigt."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen