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Rätselraten um Schicksal von HNA

6. Juli 2018

Der Tod des Co-Verwaltungsratschefs der HNA-Gruppe kommt zur Unzeit. Mit Wang Jian verliert der chinesische Mischkonzern seinen Protagonisten bei der Expansion und Sanierung des Unternehmens.

China HNA-Konzern
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/Niu Bo

Wang Jian galt als das Gesicht von HNA. Der frühere Vorzeigeunternehmer aus dem tropischen Süden Chinas war jahrelang rund um den Globus unterwegs, um Unternehmen und Firmenbeteiligungen zu kaufen.

In New York war er einer der besten Kunden des Private Equity-Riesen Blackstone, dessen Mitarbeiter 2017 auf einer Feier Party-Masken trugen, die das Konterfei von Wang Jian zeigten. Das berichtet jedenfalls die britische Financial Times (FT) unter Berufung auf Wall-Street-Insider. Wegen seiner großen Verschwiegenheit nannte ihn das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin den "Cäsar ohne Schatten", die "eigentliche Nummer Eins " von HNA.

In Deutschland wurde Wang Jians Mischkonzern vor allem durch den Einstieg bei der Deutschen Bank bekannt.  Mit einem Anteil von knapp unter zehn Prozent schlug der HNA-Stratege zwei Fliegen mit einer Klappe: HNA wurde so zum größten Einzelaktionär der Deutschen Bank mit einem Posten im Aufsichtsrat, blieb aber weiter unter dem Radar der deutschen Wertpapieraufsicht. Die nimmt nämlich erst ab einem Aktienanteil von mindestens zehn Prozent Großaktionäre gezielt unter die Lupe.

Doch diese Pflicht zur Transparenz wollten die Konzernlenker von HNA vermeiden. Den US-Behörden erschienen die Macht- und Eigentümerstrukturen des Konzerns zuletzt so undurchsichtig, dass HNA bis auf weiteres Firmenzukäufe in den USA verboten wurden.

Die Geschichte des Konzerns liest sich wie viele der fast schon märchenhaften Firmen-Sagas aus dem Reich der Mitte: Aus einer kleinen regionalen Firma, die mit Flügen auf die tropische Urlaubsinsel Hainan ihr Geld verdiente, war über die Jahre ein Global Player geworden - mit Beteiligungen an Luftfahrt-Unternehmen, Hotels oder eben Deutschlands größter Bank.

Wie geht es weiter bei der Umstrukturierung von HNA nach dem Tod von Wang Jian?Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/G. Lin

Undurchsichtige Strukturen

Der verstorbene Wang Jian galt als Architekt der gigantischen Einkaufstour von HNA, für die der Mischkonzern im Lauf der Jahre 50 Milliarden US-Dollar auf den Tisch blätterte - zum allergrößten Teil auf Pump. HNA machte mit seinen milliardenschweren Zukäufen international Schlagzeilen, etwa durch den Einstieg bei den Hotelgruppen Hilton und NH Hotels.

Nach dem Tod von Wang Jian soll HNA-Mitgründer Chen Feng alleiniger Konzernchef werden. Das Direktorium habe entschieden, dass Chen die Aufgaben von Wang Jian übernehmen solle, teilte HNA mit.

Wang war nach einem Sturz in Frankreich am 3. Juli seinen schweren Verletzungen erlegen. Er galt als treibende Kraft hinter Mitgründer Chen, der wie Wang den Titel Verwaltungsratschef führte. Beide hielten jeweils 15 Prozent an HNA.

Die Mehrheit an dem Konzern, der wegen seiner undurchsichtigen Eigentümerstruktur nicht nur in den USA in der Kritik steht, besitzen mit 52 Prozent zwei Stiftungen. Die eine ist in China ansässig, die andere, Hainan Cihang Charity, in New York. Sie wird seit Ende 2017 vom ehemaligen deutschen Wirtschaftsminister Philip Rösler geleitet.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, die ein entsprechendes Dokument einsehen konnte, haben die Eigner versprochen, dass ihre HNA-Anteile an die Stiftungen übergehen, sollten sie sterben oder aus dem Unternehmen ausscheiden.

Die Tropeninsel Hainan wird auch die Côte d'Azur von China genannt - Traumstrände inbegriffenBild: picture-alliance/dpa/Feel China/tmn

Chefsache HNA-Rettung?

Viele seiner Beteiligungen hat der hochverschuldete Konzern in den vergangenen Monaten losgeschlagen, um an flüssige Mittel zu kommen.

Darüber hinaus sollen sich wiederholt oberste Entscheidungsträger aus Peking mit den Finanzproblemen von HNA befasst haben - mit der Weisung an chinesische Gläubigerbanken, der HNA-Gruppe bei der Umstrukturierung ihrer Kredite unter die Arme zu greifen.

Die FT berichtet von einem Gläubigertreffen im Juni, bei dem ein Vize-Gouverneur der chinesischen Zentralbank den Vorsitz führte und signalisierte, dass die Rettung der HNA-Gruppe mittlerweile als nationale Aufgabe angesehen würde.

Trotzdem musste HNA erst kürzlich einen weiteren Rückschlag im Kampf ums Überleben einstecken: Eine in China begebene Unternehmensanleihe in Höhe von zwei Milliarden Yuan (258 Millionen Euro) musste aus Mangel an interessierten Banken auf den Wert von einer Milliarde Yuan halbiert werden. Trotz der Bitten aus Peking, HNA nicht fallen zu lassen, hatten gerade einmal drei Banken die Anleihe gezeichnet. Darunter war mit der Shengjing Bank ein Geldhaus, das damit half, einen älteren HNA-Kredit umzustrukturieren, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin berichtete.

Seit Wang Jian zusammen mit Chen Feng 1993 Jahren Hainan Airlines gegründet hatte, das Flaggschiff des Konzerns und heute die viertgrößte chinesische Fluggesellschaft, sorgten die Unternehmenslenker immer wieder für Paukenschläge in der Luftfahrtbranche: in Deutschland, wo HNA 2017 Anteile von 82,5 Prozent des defizitären Regionalflughafens Frankfurt-Hahn für 15 Millionen Euro kaufte oder international, als der Schweizer Luftfahrt-Caterer Gate Group übernommen wurde.

Notverkäufe

Mittlerweile braucht HNA so dringend frisches Geld, dass offenbar ein größeres Anteilspaket von Hainan Airlines an die staatliche Temasek-Holding aus Singapur verkauft werden muss. Bereits im April hatte HNA seinen Anteil an der Deutschen Bank von 9,9 auf 7,9 Prozent reduziert und angekündigt, seine 26-prozentige Beteiligung an der Hilton-Hotelkette im Wert von mehr als sechs Milliarden US-Dollar ganz oder teilweise verkaufen zu wollen.

Nach Berechnungen von Reuters hat HNA für dieses Jahr den Verkauf von Vermögenswerten in Höhe von mehr als 16 Milliarden Dollar vereinbart. Der Konzern will sich dazu nicht äußern.

Dass HNA in eine existenzbedrohende Schieflage geraten ist, hängt auch mit der neuen Politik der chinesischen Staats- und Parteiführung zusammen. Jahrelang finanzierten Chinas Staatsbanken bereitwillig die Kauforgien chinesischer Konzerne im Ausland und pumpten immer neue Milliarden in die neuen Vorzeigeunternehmen aus dem Reich der Mitte. Doch damit war plötzlich Schluss - auch aus Sorge vor zu großen Kapitalabflüssen ins Ausland.

Die Regierung in Peking will nun, dass sich heimische Firmen bei Übernahmen im Ausland auf Hochtechnologie konzentrieren, um die industrielle Modernisierung des Landes voranzutreiben. Konzernen wie HNA, die sich vor allem für Immobilien und Finanzbeteiligungen interessieren, wird dagegen rigoros der Geldhahn abgedreht. Neben HNA sind so zuletzt auch der Immobiliengigant Wanda und der Versicherungskonzern Anbang in schwierige Fahrwasser geraten. Um Anbang zu retten, wurde der Konzern kurzerhand verstaatlicht.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.