Immer häufiger geben auch private Sammler zurück, was ihnen nicht gehört - wie jetzt im Falle von 13 Maya-Kulturgütern. Macht ihr Beispiel Schule?
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Die Entdeckung und Rückgabe von Maya-Artefakten hat zuletzt für Schlagzeilen gesorgt - denn es waren auch Privatsammler, die die umstrittenen Gegenstände freiwillig abgaben. Ende 2020 hatte sich in der sachsen-anhaltinischen Stadt Klötze ein Mann bei der Polizei gemeldet. Er wollte Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg abgeben, die seinem Vater gehört hatten. In seinem Keller fand sich dann auch eine Sammlung von 13 Gegenständen aus der Maya-Kultur, darunter Figuren, Teller und Tassen, die aus der Zeit zwischen 250 und 850 n. Chr. stammten. Der Mann behauptete nicht zu wissen, woher die Gegenstände stammten. Er habe sie 2003 für weniger als 100 Euro auf einem Flohmarkt in Leipzig erworben.
Ein Experte bestätigte die Echtheit der Objekte und erklärte, dass elf der Artekfakte im heutigen Guatemala hergestellt wurden. Zwei weitere stammten aus Teotihuacán, rund 48 Kilometer vom heutigen Mexiko-Stadt entfernt. Das antike mesoamerikanische Teotihuacán war die größte Stadt des präkolumbianischen Amerikas. Die Polizei vermutet, dass die Kulturgegenstände von Grabräubern mitgenommen wurden.
An diesem Freitag (05.11.2021) übergibt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, die Artefakte von unschätzbarem Wert in Berlin in einer feierlichen Zeremonie dem guatemaltekischen Botschafter Jorge Lemcke und dem mexikanischen Botschafter Francisco Quiroga.
Vorbildlicher Rückgabewille
Die Übergabe erfolgt nur eine Woche, nachdem ein anderer privater Sammler in Frankreich ein Maya-Artefakt an Guatemala zurückgegeben hat. Das Steinfragment war vermutlich in den 1960er-Jahren aus einer Maya-Stätte geplündert worden. Es stellt den Kopf eines Herrschers von Piedras Negras dar, der einen Kopfschmuck in Form eines Raubvogels trägt.
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Piedras Negras war die Hauptstadt eines Maya-Königreichs, das zwischen dem 4. Jahrhundert v. Chr. und dem 9. Jahrhundert n. Chr. bestand und im heutigen Nordwesten Guatemalas lag.
Die Los Angeles Times berichtete, das Objekt habe mehrmals den Besitzer gewechselt, bevor es schließlich von den privaten Sammlern Manichak und Jean Aurance in Paris erworben wurde. Später gelangte es in eine Sammlung präkolumbischer Artefakte, die 2019 in Paris versteigert werden sollten. Der Schätzwert lag zwischen rund 23.000 und 34.000 Euro.
Guatemala erhob jedoch Einspruch und legte Beweise für die Herkunft der Schnitzerei vor, darunter Zeichnungen und Bilder, die auf ihre Entdeckung im Jahr 1899 zurückgingen. Daraufhin wurde die Schnitzerei von der Auktion zurückgezogen.
Es folgten Verhandlungen zwischen dem Sammler Manichak Aurance, der französischen und der guatemaltekischen Regierung sowie der UNESCO. Diese gab später bekannt, Aurance gebe das Artefakt von sich aus zurück. "Die freiwillige Rückgabe dieses Fragments einer Maya-Stele an das Ursprungsland Guatemala zeigt, wie sich das internationale Umfeld in den letzten 50 Jahren unter der Leitung der UNESCO zugunsten der Rückgabe von emblematischen Kulturgütern und Artefakten an ihr Heimatland entwickelt hat", erklärte UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay. Es sei ein Beleg für die große Bedeutung des UNESCO-Übereinkommens von 1970 für die Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern, so Azoulay, eine Erfolgsgeschichte, die auf internationaler Zusammenarbeit beruhe - und auf dem guten Willens eines privaten Sammlers. "Ein Vorbild für andere."
Respekt vor kulturellem Erbe wächst
Bereits im Mai dieses Jahres gaben zwei deutsche Privatsammler 34 präkolumbianische Artefakte freiwillig an Mexiko zurück. Das Gros der Objekte kam aus der Stadt Monheim am Rhein, die übrigen aus dem 70 Kilometer entfernten Recklinghausen. Diego Prieto, Direktor des mexikanischen Nationalen Instituts für Anthropologie und Geschichte, würdigte die Restitution als Folge einer "wachsenden Sensibilität" dafür, kulturelles Erbe zu respektieren und Artefakte zurückzugeben.
Im heutigen Guatemala stellen indigene Völker mit Maya-Abstammung über 40 Prozent der Bevölkerung. Im Norden des Landes liegen die Ruinen der Stadt Tikal, eines der ehemaligen Machtzentren der Maya. Unweit von Mexikos Hauptstadt Mexiko-Stadt liegen die weitläufigen Ruinen von Teotihuacán - das Zentrum einer Kultur, die im 1. Jahrhundert n. Chr. Mittelamerika beherrschte.
Das geheimnisumwobene Volk der Maya
Sie waren brillante Architekten und Astronomen. Heute locken ihre Bauten Touristen aus aller Welt. Der Untergang des Maya-Imperiums gibt viele Rätsel auf.
Bild: Sergi Reboredo/picture alliance
Städtebau im Dschungel
Die Maya waren das einzige Volk der Antike, das riesige Städte im tropischen Regenwald errichtete. Zeitweise lebten hier bis zu 100.000 Menschen. Warum die Maya im 9. Jahrhundert ihre Häuser aufgaben, ist bis heute ein Rätsel. Waren es Kriege oder Naturkatastrophen, die sie vertrieben? Von der versunkenen Hochkultur zeugen heute beeindruckende Tempel und Paläste.
Bild: picture-alliance/dpa/INAH
Versunkene Pracht
Als die Spanier im 16. Jahrhundert auf die von Lianen überwucherten Prachtbauten stießen, staunten sie nicht schlecht. Den Vorfahren der Indios trauten sie derartige Gebäude allerdings nicht zu. Stattdessen glaubte man, ägyptische Überreste oder gar das sagenhafte Atlantis entdeckt zu haben. Erst ab 1784 versuchten Forscher, das Geheimnis zu lüften, darunter Alexander von Humboldt.
Bild: picture-alliance/dpa/INAH
Friedliche Sterngucker?
Noch im 21. Jahrhundert glaubten viele Menschen an die Prophezeiung des Maya-Kalenders: die Welt würde 2012 untergehen - sie tat es nicht. Aufgrund der hochentwickelten Astronomie wurden die Maya lange für friedliche Sterngucker gehalten. Als man dann vor rund 40 Jahren endlich ihre Schrift entschlüsselte, wurde klar: Auch die Maya führten regelmäßig Kriege mit Nachbarstädten.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Grafik und Programmierung: PXNG.LI Gmbh
Gottkönige und Königinnen
Die Maya-Gesellschaft war streng hierarchisch. An der Spitze stand der Gottkönig: Durch ihn, so glaubte das Volk, sprachen die Götter. Für ihn wurden prächtige Tempel gebaut. Wenn einer Dynastie ein männlicher Thronfolger fehlte, übernahm auch schon mal eine Königin die Macht. Legendär war die kriegerische Wakchanjalam, die sich viele Monumente errichten ließ.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Ricky López Bruni
Opferrituale
Sklaven gab es bei den Maya nicht, stattdessen wurden Kriegsgefangene zu Frondiensten wie zum Tempel- oder Palastbau herangezogen. Bei der Einweihung wurden sie den Göttern manchmal als Menschenopfer dargebracht - wie hier auf einem Trinkgefäß dargestellt. Das war allerdings selten: Höher im Kurs standen Weihrauch, Tabak und Blutopfer. Hier durchbohrten sich Frauen die Zunge, Männer das Glied.
Bild: Fundación La Ruta Maya, Guatemala
Für jede Todesart einen Todesgott
Diese Todesgottdarstellung stammt aus dem Grab eines wohlhabenden Würdenträgers. Für jede Todesart gab es einen eigenen Gott. Ganz so ernst nahmen die Maya diese Götter allerdings nicht. Oft wurden sie als tanzende Skelettfiguren dargestellt, so wie noch heute in Mexiko beim Tag der Toten. Die Maya glaubten nämlich an die Wiedergeburt - in Form von Maispflanzen oder gar als Maisgott.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Ricky López Bruni
Mais über alles
Die Maya hatten rund 8000 Götter, der Maisgott gehörte zu den wichtigsten, hier auf einem Teller dargestellt. Mais war nicht nur Hauptnahrungsmittel, die Maya glaubten sogar, Mais sei der Ursprung allen Lebens. In ihrer Mythologie formte nämlich Hunab Ku, der Schöpfer des Kosmos, die Menschen aus Maismasse. Er war der Herr aller Götter - und der einzige, der nie als Figur dargestellt wurde.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Carolin Breckle
Kakao für den Adel
Auch Kakao war begehrt, allerdings ist die Pflanze ungleich anspruchsvoller. Das Luxusgetränk galt als heilig und war dem König und Adel vorbehalten. Und natürlich gab es auch eine Kakaogöttin, die das seltene Konsumprodukt schützte. Hier ziert sie den Deckel eines Weihrauchgefäßes, das rundum mit Kakaobohnen verziert ist. Weihrauch wurde regelmäßig bei Ritualen eingesetzt.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Ricky López Bruni
Verbreiteter Handel
Zu Hochzeiten der Maya-Kultur zwischen dem 2. und 9. Jahrhundert gab es keine Lasttiere; erst die Spanier brachten Pferde und Esel in die Neue Welt. Die Maya mussten also Ernte und Waren auf dem Rücken tragen, wie diese Tonfigur eines Händlers zeigt. Warum der Künstler der Skulptur den Kopf eines Nasenbärs verpasst hat, ist nur eines der vielen Rätsel, die bis heute ungelöst bleiben.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Ricky López Bruni
Feinarbeit ohne Metallwerkzeug
Diese kleine Jademaske zierte wahrscheinlich eine Gürtelschnalle. Das harte Gestein bearbeiteten die Maya kunstvoll mit Wasser und Sand, denn Metall war unbekannt. Die Lippen wurden mit Korallen rot gefärbt. Forscher glauben, dass vor allem Mitglieder des Adels zahlreiche Kunstwerke schufen; viele der gefunden Skulpturen und Artefakte tragen ihre Signaturen.
Bild: Historisches Museum der Pfalz/Ricky López Bruni
Stummes Zeugnis
Diese fast drei Meter lange und ein Meter breite Kalksteinskulptur schmückte vor vielen Jahrhunderten die Fassade eines Gebäudes. Wer war der Mann mit der Maske des Jaguargottes? Der Herrscher über die Unterwelt, ein König oder ein Krieger? Die Antwort bleibt ungewiss, die Steine können nur ein stummes Zeugnis über die versunkene Kultur ablegen.
Bild: Fundación La Ruta Maya/Jorge Pérez de Lara Elías
Götter bleiben unvergessen
Zwar ging die Hochkultur der Maya unter, doch noch heute leben rund sechs Millionen Maya auf dem Gebiet ihrer Vorfahren. Viele Traditionen sind in Vergessenheit geraten, unterdrückt von den Spaniern, die eine fremde Kultur mitbrachten. Doch noch heute huldigen die Maya den Göttern ihrer Ahnen: Christus ist mit dem Maisgott verschmolzen und den Regengott bittet man um eine gute Ernte.
Bild: picture-alliance/robertharding
Endlich entschlüsselt
Es gibt viele Theorien über das Volk der Maya - und genauso viele Rätsel. Bis in die 1960er-Jahre leiteten nordamerikanische und europäische Forscher die Ausgrabungen. Mittlerweile sind Wissenschaftler aus Mexiko und Guatemala federführend - auf der Suche nach ihrer eigenen Geschichte.
Bild: picture-alliance/akg-images/W. Forman
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Das Recherchenetzwerk InsightCrime.org berichtete im Februar 2020, in Guatemala gebe es immer noch Schwarzmärkte, auf denen Maya-Artefakte verkauft werden. Der Bericht stützt sich auf einen Experten der Stiftung "La Ruta Maya", wonach Maya-Stätten zwischen den 1960er und 1980er-Jahren geplündert wurden. Damals habe ein Trend zu präkolumbianischen Ausstellungen in den Vereinigten Staaten die Nachfrage nach Kulturgütern von Museen und privaten Sammlern explodieren lassen. Auch habe der Bürgerkrieg in Guatemala einige Archäologen gezwungen, Ausgrabungsstätten aufzugeben und sie verarmten ländlichen Gemeinden zu überlassen, die nach Einnahmemöglichkeiten suchten.
Wem gehören die Artefakte?
Für Nikolai Grube, Professor für Altamerikanistik an der Universität Bonn, sind die indigenen Völker Lateinamerikas die rechtmäßigen Erben der Artefakte. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte er im Mai dieses Jahres, Angehörige der indigenen Bevölkerung lebten entweder verarmt auf dem Land oder in den Favelas der Großstädte. "Die Debatte um afrikanische Raubkunst hätte schon viel früher geführt werden müssen", so Grube. Das sei jetzt auch für Südamerika nötig. "An all diesen Objekten klebt Blut - es ist nur älter."