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Politik

Rückkehr nach Syrien? Ein absurder Gedanke

26. Juli 2018

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erörtert in verschiedenen Ländern die Rückkehrmöglichkeit syrischer Flüchtlinge. Doch für diese Idee fehlen viele Voraussetzungen. Das größte Hindernis: die syrische Regierung.

Syrien, Daraa: Konflikte in Syrien
Bild: picture-alliance/dpa

Es war eine konzertierte Aktion. Vier Selbstmordattentäter sprengten sich am frühen Mittwochmorgen in dem Städtchen Al-Suwaida in die Luft, derweil weitere Attentäter in umliegenden Dörfern ihre Sprengstoffgürtel zündeten. Anschließend stürmten IS-Kämpfer die Dörfer und erschossen dutzende Einwohner. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) übernahm die Verantwortung für die Angriffe, bei denen nach Informationen der "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" 246 Menschen getötet wurden, darunter 135 Zivilisten. Auch seien mindestens 56 Dschihadisten ums Leben gekommen.

Der Terror  fällt in eine Zeit, in der sich Russland bemüht, syrischen Flüchtlingen die Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen. Am Sonntag hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow diese Frage mit seinem jordanischen Amtskollegen Ayman Safadi in einem Telefongespräch erörtert. Am Dienstag dann empfingen  Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maas Lawrow sowie den Generalstabsschef der russischen Streikräfte, Waleri Gerassimow. Auch bei diesem Treffen ging es um die Frage der Rückkehr syrischer Flüchtlinge.

"Schwer, an eine Rückkehr zu denken"

Grundsätzlich sei die Lage in Syrien nicht so, dass man von Flüchtlingen verlangen könnte, in das Land zurückzukehren, sagt Elias Perabo von der den syrischen Oppositionellen verbundenen Organisation "Adopt a Revolution" in Berlin. "Noch vor drei Monaten sind rund 150 000 Menschen aus den Vororten von Damaskus in andere Gebiete Syriens geflohen. Zudem halten sich über fünf Millionen Menschen als Binnenflüchtlinge in Syrien selber auf. All dies macht es schwer, an eine Rückkehr zu denken", so Perabo im DW-Interview.

Totenklage: Gottesdienst für die Opfer des Anschlags in Al-Suwaida und Umgebung Bild: picture-alliance/AP Photo/SANA

Erheblichen Anteil an der derzeitigen Situation hat die Regierung Assad. Vor wenigen Wochen setzte sie zum Sturm auf die Rebellenhochburg Daraa an. Während der tagelangen Angriffe ergriffen nach Informationen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte rund 50.000 Menschen die Flucht. Die meisten suchten Schutz an den Grenzen zu Jordanien und Israel.

Beide Länder weigerten sich jedoch, die Flüchtlinge in ihr Land zu lassen. Schließlich öffnete Israel die Grenzen für Aktivisten des so genannten syrischen Zivilschutzes, die so genannten "Weißhelme", die die Assad-Regierung als "Terroristen" bezeichnet. Sie und ihre Familien, insgesamt rund 400 Personen, wurden umgehend nach Jordanien gebracht. Von dort aus sollen sie im Herbst in mehrere westliche Länder gebracht werden. Auch Deutschland nimmt einige Weißhelme und ihre Familien auf.

Flüchtlinge vertrauen der Regierung nicht

Von einer Situation, die die Rückkehr der Flüchtlinge erlaube, sei das Land noch weit entfernt, so Perabo. Zwar nähere sich der Krieg langsam seinem Ende. Aber von der grundlegenden Voraussetzung für die Rückkehr, einer stabilen Rechtsstaatlichkeit, könne keine Rede sein. "Das Regime garantiert niemandem Freiheitsrechte. Die Menschen werden nach wie vor verfolgt. Viele Personen verschwinden weiterhin in Gefängnissen. Und Menschen, die bereits in Gefängnissen sitzen, werden nicht entlassen. Das schafft überhaupt kein Vertrauen in diese Regierung und dieses Regime."

Wie die Assad-Regierung gegen Oppositionelle vorgehe, zeige sich auch am so genannten "Gesetz Nr. 10". Mit ihm hat die Regierung die Möglichkeit, Immobilien, deren Besitzer ihre Eigentumsrechte nicht dokumentieren können, zu konfiszieren. Das Gesetz lässt insbesondere ins Ausland geflohenen Oppositionellen keine Chance. Kämen sie zurück, um ihre Ansprüche zu dokumentiere, müssen sie damit rechnen, verhaftet zu werden. Auch das zeige, wie riskant eine Rückkehr unter den derzeitigen Umständen sei, so Perabo.

Das Regime habe den Krieg weitgehend gewonnen. "Warum sollte es nun bereit sein, Zugeständnisse zu machen? Stattdessen folgt es einer rationalen Logik: Die Leute, die damals auf die Straße gegangen sind und die zu den Waffen gegriffen haben, hält es nun auf Distanz, indem es ihnen signalisiert, dass ihre Rückkehr nicht erwünscht ist."  

Kein Weiterkommen: syrische Flüchtlinge auf den Golanhöhen, nahe der Grenze zu IsraelBild: picture-alliance/AA/A. Al Ali

Idee der Rückkehr als russischer Medien-Coup

Angesichts dieser Umstände habe der von Lawrow nun aufgebrachte Gedanke, die Flüchtlinge könnten nach Syrien zurückkehren, vor allem propagandistischen Charakter, sagt der syrische Menschenrechtsaktivist Adnan al-Nashi im DW-Gespräch. Das Ganze sei ein Mediencoup, um die USA und die EU-Länder davon zu überzeugen, das russische Engagement in Syrien habe Früchte getragen.

Dies sei aber nicht der Fall. Russland könne die Sicherheit in Syrien nicht garantieren - auch und gerade nicht, wenn die Assad-Regierung weiterhin an der Macht bleibe. "Wie soll das möglich sein angesichts eines Regimes, das die eigene Bevölkerung acht Jahre lang bekämpft hat und dies weiterhin tut?"

Zwar hat die Regierung Assad die ins Ausland geflüchteten Syrer zuletzt ermuntert, nach Syrien zurückzukehren, wie das russische Außenministerium am Donnerstag nach Konsultationen in Damaskus am Donnerstag mitteilte. Aus dem russischen Verteidigungsministerium wurde zudem bekannt, Russland habe Arbeitsgruppen nach Jordanien, in den Libanon und in die Türkei geschickt, um an der Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien zu arbeiten. Doch noch haben sich nur die wenigsten Flüchtlinge zur Rückkehr entschlossen. Sie, heißt es in einem Agenturbericht, fürchteten vor allem die amtierende Regierung ihres Landes.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika