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Politik

Rückschlag für Deutschlands Impfkampagne

16. März 2021

Das Impfen mit dem Anti-Corona-Präparat von AstraZeneca ist in etlichen EU-Ländern vorerst gestoppt. Das in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut verteidigt seine Empfehlung.

Dänemark AstraZeneca Impfstoff
Bild: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix/picture alliance

Im Kampf gegen das Coronavirus wird in Deutschland bis auf Weiteres nicht mehr das Präparat des britisch-schwedischen Vakzin-Herstellers AstraZeneca verimpft. Die Entscheidung gehe auf sieben Fälle zurück, bei denen Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung stünden, erläuterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

"Es ist sehr selten aufgetreten", sagte Spahn und wies darauf hin, dass hierzulande mittlerweile über 1,6 Millionen Impfungen mit diesem Wirkstoff verabreicht wurden. "Es geht um ein sehr geringeres Risiko - aber, falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko."

"Eine neue Lage"

Den vorläufigen Impfstopp empfohlen hatte das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dessen Präsident Klaus Cichutek teilte mit, von den sieben in Deutschland aufgetretenen Thrombose-Fällen seien drei tödlich verlaufen. Deshalb habe man "eine neue Lage".

"Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wollen sich darauf verlassen, dass die Impfstoffe, die wir anbieten, sicher sind und wirksam sind", so Cichutek am Montagabend im deutschen Fernsehen. Mit dem AstraZeneca-Präparat Geimpfte haben nach seinen Worten nichts mehr zu befürchten, wenn ihre Impfung 16 Tage zurückliegt. Davor sollten sie dann einen Arzt aufsuchen, wenn sie über die ersten Tage nach der Impfung hinaus anhaltende Kopfschmerzen oder Hauteinblutungen hätten, riet der PEI-Präsident.

Die deutschen Befunde seien nun mit europäischen Daten abzugleichen, verlangt Klaus CichutekBild: Sean Gallup/Getty Images

Die Europäische Arzneimittelbehörde will auf einer Sondersitzung am Donnerstag die vorliegenden Informationen über den Impfstoff bewerten. Noch sei man der Überzeugung, dass die Vorteile des Vakzins bei der Verhinderung einer Corona-Infektion mit der Gefahr eines tödlichen Verlaufs größer seien als das Risiko durch Nebenwirkungen, betonte die EMA in Amsterdam.

WHO empfiehlt weitere Nutzung

Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation ist das Aussetzen der AstraZeneca-Impfungen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und anderen EU-Ländern noch kein Alarmzeichen. Die gemeldeten Vorfälle seien nicht notwendigerweise aufs Impfen zurückzuführen, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. "Es ist eine Routine-Praxis, das zu untersuchen." Die führende WHO-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan empfahl, die Impfungen mit AstraZeneca vorerst fortzusetzen.

Auch Peter Kremsner, Experte für Infektionskrankheiten und Direktor am Universitätsklinikum Tübingen rät zu Gelassenheit. "Die wissenschaftlich publizierten Ergebnisse zeigen, dass es kein erhöhtes Risiko für alle Blutgerinnsel gibt. Und ob es eine ganz winzig kleine Erhöhung von Gerinnseln gibt, die im zentralen Nervensystem auftreten, das muss man sich wirklich sehr genau anschauen. Insgesamt sehe ich im Moment keine alarmierenden Anzeichen", erläuterte er im Interview der Deutschen Welle.

Die Auswirkungen auf die deutsche Impfkampagne müssten nun geprüft werden, hieß es weiter aus Berlin. Eigentlich sollten zeitnah auch Hausärzte eingebunden werden, was sich nun verzögern dürfte. Denn in den Praxen sollte insbesondere AstraZeneca zum Einsatz kommen, da dieses Präparat dort auch problemlos gelagert werden kann.

Lauterbach hält an September-Ziel fest

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach glaubt trotz des Aussetzens von Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin, dass bis Ende September jedem Deutschen, der wolle, ein Impfangebot gemacht werden könne. Seiner Meinung nach sei dieses Versprechen der Bundesregierung zu halten, sagte Lauterbach im Fernsehen. Er glaube, dass der Impfstoff bald wieder eingesetzt werden könne und auch das Vertrauen wieder aufgebaut werde.

Lauterbach sprach mit Blick auf das Aussetzen der Impfungen von einer "unglücklichen Entscheidung". Zwar sei das Risiko der beobachteten Thrombosen in Hirnvenen "mit großer Wahrscheinlichkeit" auf das Vakzin zurückzuführen. Es sei aber sehr gering, vor allem im Vergleich mit der Erkrankung COVID-19, die gerade bei Älteren "sehr sehr häufig tödlich verläuft." Der Mediziner sprach sich dafür aus, mit den Daten zum Impfstoff vollkommen transparent und offen umzugehen. Deutschland stehe am Beginn einer schweren dritten Welle, sagte er. Impfungen in Kombination mit Tests seien der Königsweg, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

wa/rb/kle (dpa, afp, rtr)

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