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Politik

Außenminister Kotzias nimmt seinen Hut

18. Oktober 2018

Aus Protest gegen den rechtspopulistischen Regierungspartner ist Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias überraschend zurückgetreten. Ist der Kompromiss im Namensstreit um Mazedonien nun gefährdet?

Mazedonien Griechischer Außenminister zu Besuch
Bild: Reuters/O. Teofilovski

"Mit Herzensschmerz" habe er den Rücktritt seines Außenministers angenommen, erklärte Linkspremier Alexis Tsipras vor seinem Abflug zum EU-Gipfel nach Brüssel. Das Außenministerium werde er selbst übernehmen. Ausdrücklich wolle er sich bei seinem Chefdiplomat bedanken. Selten klingt die Reaktion auf einen Ministerrücktritt so bewegend. "Der falsche Minister hat die Rechnung bezahlt", titelt am Donnerstag die linksgerichtete Zeitung der Redakteure, die dem Regierungschef ansonsten wohlwollend gegenüber steht. "Er opfert Kotzias, um etwas länger an der Macht zu bleiben" moniert das konservative Blatt Eleftheros Typos. Auch Tsipras wäre es anscheinend lieber, wenn sein Außenminister bleiben würde. Trotzdem musste er gehen. Warum eigentlich?

Vorausgegangen war ein Streit zwischen Kotzias, - der nicht der regierenden Linkspartei SYRIZA angehört -, und dem rechtspopulistischen Verteidigungsminister Panos Kammenos während einer Kabinettsitzung am Dienstag. Es ging um das Abkommen zur Beilegung des Namensstreits um Mazedonien, welches Kotzias als eigenen Erfolg reklamiert und Kammenos nach wie vor ablehnt. Heftig diskutiert wurde auch über weitere Prioritäten der Athener Außenpolitik. Premier Tsipras schwieg zum Ministerstreit. Dadurch fühlte sich Kotzias nicht ausreichend unterstützt, glaubt Konstantinos Filis, Forschungsdirektor am Athener Institut für Internationale Beziehungen. "Das muss man sich einmal vorstellen: Kotzias unterstützt das Abkommen zum Namensstreit auf eigene Kosten und muss mitansehen, wie Kammenos zum Nebenaußenminister avanciert, Tsipras ihn dafür aber nicht in die Schranken weist", sagt Filis der DW. Auch der konservative Kommentator Aris Portosalte ist sich sicher: "Es gab einen Streit zwischen Kotzias und Kammenos, und Tsipras hat sich eindeutig für Kammenos entschieden".

Premier Tsipras: Rückendeckung für Verteidigungsminister Kammenos (li.)?Bild: picture-alliance/AP Photo/L. Pitarakis

Mazedonien-Kompromiss nicht in Gefahr. Oder vielleicht doch?

Dabei stellt Tsipras das Abkommen zur Beilegung des langjährigen Namensstreits um Mazedonien nicht in Frage. Im Gegenteil: Die Entscheidung, das Außenministerium zu übernehmen, unterstreiche seine Entschlossenheit, das "historische Abkommen" umzusetzen, sagte er im Staatsfernsehen ERT. Zur Erinnerung: Nicht zuletzt auf Initiative von Kotzias konnten sich Athen und Skopje im Juni auf einen Kompromiss im langjährigen Namensstreit einigen. Demnach soll sich der nördliche Nachbar in "Nord-Mazedonien" umbenennen und seine Verfassung dahingehend ändern, dass bestehende Grenzen anerkannt und Gebietsansprüche gegen Nachbarstaaten ausgeschlossen werden. Verteidigungsminister Kammenos hatte schon zu diesem Zeitpunkt erklärt, er lehne den Kompromiss ab und werde auch im Parlament dagegen stimmen. Bei Tsipras mussten die Alarmglocken geläutet haben; schließlich agiert der Chef der rechtspopulistischen ANEL-Partei seit 2012 als sein Juniorpartner und Mehrheitsbeschaffer. Sollte das Parlament in Skopje die Namensänderung in diesen Tagen absegnen - was allerdings nicht sicher ist-, würde das Abkommen spätestens im März 2019 auch dem griechischen Parlament vorgelegt.

Nun steht Regierungschef Tsipras vor einer widersprüchlichen Situation: Er unterstützt das Mazedonien-Abkommen, lässt aber mit Kotzias dessen größten Befürworter zurücktreten, während der größte Scharfmacher Kammenos weiterhin am Kabinettstisch Platz nehmen darf. Damit legt Tsipras politischen Zynismus an den Tag, glaubt Politikwissenschaftler Filis: "Was auch immer passiert im März: Der Premier hat sich offenbar ausgerechnet, dass es viel besser für ihn wäre, bis dahin gemeinsam mit Kammenos zu regieren, anstatt ihn loszuwerden und Neuwahlen zu riskieren". Und was sagt Kotzias selbst zu den jüngsten Vorfällen? "Der Ministerpräsident und eine Reihe von Ministern haben ihre Wahl getroffen und daraufhin habe ich das auch getan", twitterte er am Mittwochabend. Mit Spannung blicken die Griechen nun auf den kommenden Montag. Denn für diesen Tag hatte der zurückgetretene Minister schon vor längerer Zeit einen Vortrag auf Kreta angekündigt, der wie geplant stattfinden soll. Griechische Medien wollen erfahren haben, dass Kotzias mit seinen Aussagen nächste Woche "ein politisches Erdbeben auslösen will". Bestätigt wird das nicht, doch viele Griechen erinnern sich nun an einen alten Spruch von Kotzias erinnert: "Ein Außenminister soll nicht allzu oft reden, damit er Gehör findet, wenn er mal redet".

Vor allem im Norden Griechenlands hat die Einigung im Namensstreit mit Mazedonien zu Protesten geführtBild: Reuters/A. Avrimidis

Neuanfang in den griechisch-russischen Beziehungen?

Bleibt noch die Frage, ob unter Tsipras eine Neuausrichtung der Athener Außenpolitik zu erwarten ist. Nach Auffassung von Politikwissenschaftler Filis seien große Umwälzungen unwahrscheinlich - mit einer Ausnahme: "Durchaus möglich ist eine Wiederannäherung an Russland. Nach der Ausweisung von zwei russischen Diplomaten im Juli war es nämlich zu Streitereien zwischen Athen und Moskau gekommen. Kotzias hat nichts unternommen, um die Spannungen zu entschärfen. Im Gegenteil, er hat die Russen mit forschen Aussagen weiter provoziert", so Filis.

Laut griechischen Medien war der Grund für die Ausweisung der Versuch Russlands, sich "in innere Angelegenheiten Griechenlands einzumischen" und insbesondere die Beilegung des Namensstreits mit dem nördlichen Nachbarn zu untergraben. Nach Informationen des TV-Senders Skai sorgten die Spannungen mit Moskau schon damals für ein kühles Verhältnis zwischen dem griechischen Regierungschef und seinem Außenminister. Nun will Tsipras anscheinend einen Neuanfang wagen: Vermutlich Anfang Dezember wird der Linkspremier und Außenminister in Personalunion zu einem Staatsbesuch in Moskau erwartet.

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