Rückzug der USA aus der WHO wäre ein "strategischer Fehler"
14. Januar 2025Was Sie wissen sollten
- Die Sorge wächst, dass die USA mit dem Beginn der Präsidentschaft Trumps die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verlassen könnten.
- Die USA sind der größte Geldgeber der WHO, vor allem durch freiwillige Zahlungen für bevorzugte Programme.
- Das Finanzierungsmodell der WHO steht in der Kritik, weil es zu sehr von zweckgebundenen Spenden abhängig ist.
Donald Trump will gleich zu Beginn seiner zweiten Präsidentschaft die Mitgliedschaft der USA in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beenden. Experten warnen, dass dieser Schritt für beide Seiten äußerst schädlich wäre.
Zum Ende seiner ersten Amtszeit im Juli 2020 wollte Donald Trump bereits per Dekret durchsetzen, dass sich die USA aus der WHO zurückziehen. Zum endgültigen Bruch kam es allerdings nicht, weil der US-Kongress beschloss, dass es eine einjährige Kündigungsfrist geben und alle ausstehenden Verbindlichkeiten zurückgezahlt werden müssen.
Durch diese Frist konnte Trumps Nachfolger, der jetzt scheidende US-Präsident Joe Biden, die Entscheidung rückgängig machen. Dieses Mal aber wird Trump nichts mehr im Wege stehen.
Die USA sind der größte Geldgeber der WHO
Ein Austritt der USA aus der WHO wäre ein schwerer Schlag für den Haushalt der Organisation und ihre Fähigkeit, internationale Gesundheitsprogramme und -politik zu koordinieren.
Die WHO ist eine Organisation der Vereinten Nationen, die sich aus 196 Mitgliedsländern zusammensetzt. Auf Grundlage des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und der Bevölkerungszahl legt die WHO in einem zweijährigen Turnus die jeweiligen Beiträge für die Mitgliedsstaaten fest.
Auf die USA entfällt fast ein Viertel dieser Finanzmittel, gefolgt von China, Japan und Deutschland.
Darüber hinaus können die Länder freiwillige Beiträge leisten, was die USA auch tun. So haben die USA im laufenden Zyklus bereits fast eine Milliarde Dollar zum WHO-Haushalt beigesteuert.
Die Hälfte der Mittel der WHO stammt allerdings von Nichtregierungsorganisationen. So hat beispielsweise die Bill & Melinda Gates Stiftung Hunderte Millionen Dollar gespendet und ist damit der zweitgrößte Beitragszahler.
Mehr als 70 Prozent des Gesamthaushalts der WHO entfallen auf spendengebundene oder "spezifizierte" Beiträge, bei denen der Geber vorgibt, wie und wo das Geld verwendet wird.
Laut Gian Luca Burci stellt dies ein großes strukturelles Problem für die Arbeit der WHO dar. Burci ist ein ehemaliger WHO-Anwalt, der jetzt als Spezialist für globales Gesundheitsrecht an der Geneva Graduate School tätig ist.
"Die Geber knüpfen ihre Zuwendungen an viele Bedingungen, so dass die WHO sehr geberorientiert ist", sagt Burci. "So bekommen die USA für relativ wenig Geld eine ganze Menge zurück."
"Es gibt viele Gesundheitsthemen, denen die USA große Bedeutung beimessen, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt. Das gilt insbesondere für gesundheitliche Notfälle, Pandemien, Krankheitsausbrüche, aber auch für die Beschaffung von Daten aus anderen Ländern."
Der Verlust ihres wichtigsten Geldgebers würde der WHO nur wenige Möglichkeiten lassen, das Defizit auszugleichen. Entweder müssten andere Mitgliedstaaten ihre Finanzmittel aufstocken oder der WHO-Haushalt müsste drastisch gekürzt werden.
Ein Austritt aus der WHO würde auch den USA schaden
Die Beziehungen zwischen der WHO und Donald Trump verschlechterten sich 2020, als Trump die WHO während der Corona-Pandemie beschuldigte, eine "Marionette Chinas" zu sein.
"Er hetzt weiter gegen China und behauptet, dass China die WHO in der Tasche hat, dass die WHO von China beeinflusst wird", so Lawrence Gostin. Er ist Professor für globales Gesundheitsrecht und Direktor des WHO-Zentrums für Recht im Gesundheitswesen und Menschenrechte an der Georgetown University in den USA.
Gostins Meinung nach wäre ein Austritt aus der WHO ein "Eigentor" für die USA und würde den "enormen Einfluss", den sie im globalen Gesundheitswesen haben, zunichtemachen.
"Ich denke, dass dies den nationalen Sicherheitsinteressen der USA zutiefst abträglich wäre. Es würde die Tür für die Russische Föderation, China und andere öffnen. Das könnte auch auf die BRICS zutreffen: Südafrika, Indien, Mexiko", so Gostin.
Demnach würde ein Austritt der USA aus der WHO das globale Gesundheitsrisiko erhöhen. Durch eine Isolierung von der globalen Gesundheitsgemeinschaft würden sich die USA beim Ausbruch von Krankheiten und Seuchen selber schwächen.
"Es gibt viele Dinge, die die Vereinigten Staaten auch allein tun können. Aber neuartige Krankheitserreger daran zu hindern, die Grenzen zu überwinden, gehört einfach nicht dazu", so Gostin.
Gostin verweist auf aktuelle Probleme im Zusammenhang mit der H5N1-Vogelgrippe, die derzeit in den USA grassiert: "Wir haben keinen Zugang zu den wissenschaftlichen Informationen, die wir für die Bekämpfung benötigen, schließlich ist die Vogelgrippe ein weltweit zirkulierender Erreger."
"Die WHO betreibt ein Grippezentrum, in dem sie alle Stämme auf der ganzen Welt überwacht. [Die US-Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention] sind ein sehr enger Partner, und wir nutzen diese Daten, um Impfstoffe und Therapeutika zu entwickeln. Wir würden im Blindflug fliegen", sagte Gostin.
Drohkulisse könnte Veränderungen erzwingen
Der Rückzug der USA aus der WHO würde die Beziehungen zwischen den USA und der WHO sicherlich verändern, aber nicht unbedingt beenden.
Burci ist offen dafür, wie diese zukünftige Beziehung aussehen könnte. Sein Vorschlag: Die USA könnten wie Nichtregierungs- und Wohltätigkeitsorganisationen handeln - also freiwillige Beiträge zu Programmen leisten, die sie ideologisch unterstützen.
"Sie könnten weiterhin einige Projekte und Aktivitäten finanzieren, so dass die WHO nicht gleich den gesamten Beitrag der USA verlieren würde", so Burci.
Trump versteht sich als einen Präsidenten, der gerne Deals aushandelt. So könnte er auch den Rückzug aus der WHO als Druckmittel nutzen, um von den USA unterstützte Reformen in Genf durchzusetzen.
Die Arbeit der WHO wird schon lange kritisiert, nicht nur von den USA. Allerdings habe die WHO nach der Coronapandemie entsprechende Reformen eingeleitet, betont Lawrence Gostin. Die "Transformationsagenda" der WHO bestehe zwar schon seit fast acht Jahren, aber Trump könnte den Veränderungsprozess noch stärker vorantreiben.
Gostin würde es begrüßen, wenn Trump in seinen Verhandlungen mit der WHO eher als Dealmaker denn als Isolationist auftreten würde.
"Er könnte einen Austrittsschreiben schicken. Oder er könnte eine Vereinbarung mit der WHO treffen, um sie zu einer besseren, widerstandsfähigeren, rechenschaftspflichtigeren und transparenteren Organisation zu machen, was für die Vereinigten Staaten, die WHO und die Welt eine win-win-Situation wäre", meint Gostin.
Redaktion: Fred Schwaller
Der Artikel ist ursprünglich auf Englisch erschienen.