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Politik

Rückzug von Budapest nach Berlin

26. Juli 2018

Ende August schließen die Soros-Stiftungen ihr Gründungsbüro in Ungarn. 85 Mitarbeiter sollen künftig am Potsdamer Platz in Berlin arbeiten. Sie wehren sich gegen Aussagen des US-Rechtspopulisten Steve Bannon.

Deutschland | Soros' Open Society Institut zieht an den Potsdamer Platz in Berlin
Bild: DW/F. Hofmann

Am Wochenende erklärte Steve Bannon, der ehemalige Chefberater von US-Präsident Donald Trump, die Open-Society-Stiftungen von George Soros einmal mehr zugleich als Vorbild und Feind. Der US-Rechtspopulist polterte in einem Interview mit dem Internetportal "The Daily Beast" ins politische Europa, indem er ankündigte, eine neue rechtspopulistische Stiftung zu gründen: die "Bewegung" mit einem Hauptquartier in Brüssel. Das Ziel: eine rechte Revolution in der Europäischen Union vor den EU-Wahlen 2019. Eine populistische Front soll das Getriebe der europäischen Einigung zum Stillstand bringen. Das Vorbild seien die Open-Society-Stiftungen von US-Milliardär George Soros. Die aber streben genau das Gegenteil von Bannons nationalistischer Welt an: Pluralität und offene Gesellschaften.

Rechte Front für Europa: Steve Bannons neuer PlanBild: Getty Images/S. Gallup

Soros-Stiftungen widersprechen Bannon

Entsprechend deutlich treten die Stiftungen Bannons Aussagen entgegen. Ein Sprecher sagte der DW: "Steve Bannon beschreibt die Arbeit der Open-Society-Stiftungen unkorrekt. Weder finanzieren, unterstützen noch beraten wir politische Parteien." Die Soros-Stiftungen unterstützten vielmehr "eine einfache Philosophie: dass blühende Demokratien offene Debatten brauchen, die auf Gründen und Fakten beruhen und jeden respektieren". Diese Idee werde Bannons Populismus überdauern.

Die Open-Society-Stiftungen finanzieren Nichtregierungsorganisationen, die sich unterschiedlichsten Fragen stellen: In Osteuropa unterstützen sie zum Beispiel verfolgte Angehörige der Roma-Minderheit. Im nationalistischen Flächenbrand der Jugoslawien-Kriege der 1990er Jahre überlebten die letzten verbliebenen unabhängigen Medien, die sich gegen den nationalistischen Furor stellten, mithilfe des Soros-Geldes.

Gründung in der Heimat von George Soros

Bereits 1984 hatte der US-Börsenhändler das Büro der Stiftungen in seiner Heimatstadt Budapest gegründet. Dort entstand nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch die Central European University, die sich schnell zu einem Zentrum der Elitenbildung für die jungen Demokratien Osteuropas entwickelte.Es schien damals, als ob es für die von den Soros-Stiftungen propagierte Idee offener Gesellschaften nur noch aufwärts ging. Doch mit der Rückkehr des Rechtsnationalisten Viktor Orbán vor acht Jahren an die Macht erwuchs den Stiftungen ein immer einflussreicherer Gegner. Der Ungar propagierte schon vor seiner Wiederwahl in diesem Jahr das genaue Gegenteil von George Soros: Orbán will "illiberale" Gesellschaften in Europa sehen und den liberalen Aufbruch auf dem Kontinent seit dem Fall des Eisernen Vorhangs zurückdrehen. Orbán steht zudem für eine Allianz mit den US-Populisten um Steve Bannon. Die Soros-Stiftungen sind ihr gemeinsamer Feind.

Central European University: Zentrum für Elitenbildung der Demokratien in OsteuropaBild: DW/F. Hofmann

Gängelung durch Viktor Orbán

Und das zeigt mittlerweile Wirkung: Jahrelang hatte Budapest die Soros-Stiftungen mit immer neuen Gesetzen gegängelt. Im ungarischen Wahlkampf war Stiftungsgründer Soros als Hauptfeind Nummer Eins erkoren worden, landesweit diffamiert auf Plakaten.

Kurz nach der Regierungsbildung verabschiedete Viktor Orbáns Regierungspartei ein Gesetz, das es den Open-Society-Stiftungen unmöglich macht, ihre Arbeit in Budapest fortzusetzen. Unter anderem soll jeder Soros-Mitarbeiter und jeder geförderte Verein sämtliche Vorgänge offen legen - egal ob damit die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen berührt wären. Und das ist nur ein Beispiel. "Die gesetzlichen Grundlagen haben es uns immer schwerer gemacht, unsere Arbeit in Budapest fortzusetzen", sagt ein Mitarbeiter, der mit der Schließung des Büros in Budapest betraut ist.

Hetzjagd gegen Regierungskritiker in Ungarn

04:44

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Dass die Beschäftigten aus Budapest nach Berlin umziehen, war schon bekannt. Jetzt gibt es ein festes Datum und die neue Immobilie ist gefunden: Am 31. August machen sie in Budapest das Licht aus, um ab September für ein Jahr Übergangsbüros in Berlin zu beziehen - am Potsdamer Platz mitten in Berlin. Ein historischer Ort: Als die Berliner Mauer noch stand, war hier zwischen Brandenburger Tor und Landwehrkanal eine riesige Brache, begrenzt von der Mauer.

Von den 150 Beschäftigten machen sich 85 in die deutsche Hauptstadt auf - "zunächst", heißt es. Weitere Mitarbeiter sollen später hinzu kommen. Innerhalb eines Jahres wolle man andere Büros finden, die dann der langfristige Sitz der Stiftungen sein sollen. Von Berlin aus würden weiterhin Menschenrechtsgruppen in Ungarn und anderen Ländern Ostmitteleuropas finanziell unterstützt, sagt der Mitarbeiter: "Die Programme laufen weiter." Das klingt trotzig. Tatsächlich erscheinen die Soros-Stiftungen nach Jahren des Erfolgs derzeit stark in der Defensive angesichts der nationalpopulistischen Regierungen in Budapest, Warschau oder Bratislava. Als Ministerpräsident Orbán nach seiner Wiederwahl das Gesetz zur Beschränkung der freien Arbeit von Stiftungen beriet, wollten die Soros-Leute tagelang keine Interviews geben - in der Hoffnung, dass es doch nicht so schlimm kommen werde. Es kam schlimm.

In den Büros am Potsdamer Platz mitten in Berlin soll der Neustart erfolgenBild: DW/F. Hofmann

Rückzug - nicht Umzug

Der Umzug nach Berlin erscheint politisch als ein Rückzug aufs Wesentliche: Der aus einer ungarisch-jüdischen Familie stammende George Soros war hier außer bei Buchvorlesungen nie wirklich präsent nach dem Fall der Mauer. Und das obwohl das Ende der Macht der Politbüros in Osteuropa von Anfang an sein erklärtes Ziel war, wie es Soros' akademischer Ziehvater Karl Popper vorgeschwebt hat. Das Prinzip der offenen Gesellschaft des einst in London lehrenden Philosophen war das Gegenmodell zum Sowjet-Kommunismus von Moskau bis Ost-Berlin.

In Ungarn mehr auf Plakaten als persönlich präsent: Stiftungsgründer George SorosBild: Reuters/B. Szabo

Der Sound der Freiheit der 1990er Jahre im einst durch Mauer und Stacheldraht geteilten Berlin hat nach dem Mauerfall den Takt für die Arbeit der Soros-Stiftungen vorgegeben. Eines der ersten Großprojekte war die Förderung von 3000 sowjetischen Nuklearforschern, damit die - wenn auch bescheiden - überleben konnten und nicht in die Hände finsterer Mächte gerieten, die an der Bombe bauten.

Der Krieg auf dem Balkan war die Antithese zur Freiheit Berlins, wo sich zum Sound elektronischer Musik eine ganze Generation Liebe und absoluter Freiheit hingegeben hat. Gezielt wurden in Belgrad und Zagreb Gruppen finanziert, die sich wie einst in Berlin Bürgerrechtler-Refugien geschaffen hatten, um dort zu überwintern. Als die Berliner Kiffer auf Demonstrationen Freiheit für ihr Hanf forderten, förderte Soros die Forschung hanfbasierter Alternativmedizin.

Jetzt wird sich zeigen müssen, ob die Soros-Mitarbeiter mit ihrem Rückzug nach Berlin neue Kraft für ihre Arbeit im Osteuropa der Nationalpopulisten finden.

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