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"Jede falsche Nachricht ist eine zu viel"

13. Oktober 2020

Die Leugnung des Holocaust ist bei Facebook künftig untersagt. Das entschied Unternehmensgründer Mark Zuckerberg. Für Rabbiner Andreas Nachama "ein richtiger Schritt, wenn auch ein später", sagt er im DW-Interview.

Rabbiner Andreas Nachama
Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Deutsche Welle: Rabbiner Nachama, die Leugnung des Holocaust soll bei Facebook verschwinden und dort weltweit verboten sein. Wie bewerten Sie diese Entscheidung? Wie bewerten Sie, dass sie so spät kommt?

Andreas Nachama: Erst mal bewerte ich es positiv, dass sie überhaupt kommt. Man hat ja lange genug dafür argumentiert, dass das so kommen sollte. Und insofern ist das jetzt erst einmal ein richtiger Schritt, wenn auch ein später.

Während der vergangenen Monate gab es im Netz eine fast verzweifelte Kampagne von Holocaust-Überlebenden, die sich persönlich an Mark Zuckerberg wendeten. Wie wichtig ist das Wort dieser letzten Zeugen?

Als Historiker kann ich da nur sagen, das ist natürlich ganz und gar wichtig, auch für die Menschen, die da ihre Stimme nochmal erheben müssen - das muss man sich ja vorstellen - um für Wahrheit zu kämpfen. Aber es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Ich meine, es gibt nicht nur genügend Zeitzeugen-Berichte, sondern auch historische Studien, die das ganz klar belegen. Und insofern würde ich jetzt einfach mal sagen: Es kommt alles sehr spät. Aber gut - wenigstens kommt es jetzt.

Auschwitz-Überlebende wie Eva Schloss (91) appellierten über Monate an Facebook-Chef Marc ZuckerbergBild: picture-alliance/AP Photo/J. C. Hong

Hinter dem langen Zögern von Mark Zuckerberg steckt auch ein ganz unterschiedlicher Umgang mit Meinungsfreiheit im US-amerikanischen und im deutschen oder mitteleuropäischen Denken. Wie wichtig ist es, in Zeiten von Fake News bei diesem Thema - unabhängig vom Rechtsverständnis - deutlich zu machen, dass es eine Grenze im Bereich der freien Meinungsäußerung gibt?

Man sieht eben, wohin eine nach meinem Dafürhalten falsch verstandene Liberalität Fake News gegenüber führt. Also man hat dann einfach Falschnachrichten, die sich sozusagen wie ein Schneeball weiter verbreiten. Und sie werden ja dadurch nicht richtiger, dass sie von vielen vertreten werden, sondern sie werden dadurch nur noch gefährlicher.

Insofern finde ich es auch den richtigen Weg, dass bestimmte Äußerungen, die prominente Politiker in den Vereinigten Staaten tun, jetzt von den sozialen Medien korrigiert oder mit Anmerkungen versehen werden. Diesen Weg hätte man schon viel früher gehen sollen. Aber es ist jetzt auch müßig. Es ist schon mal gut, dass da an vielen Stellen Bewegung reingekommen ist - natürlich insbesondere da, wo der wissenschaftliche und der historische Zweifel, der dokumentarische Zweifel, überhaupt gar keinen Spielraum lässt.

Facebook-Gründer und Unternehmenschef Mark ZuckerbergBild: picture-alliance/dpa/Maxppp/Julien Mattia/Le Pictorium

Holocaust-Leugnung ist das eine. Daneben gibt es krasse Formen von Antisemitismus im Netz, es gibt Rassismus und Gewaltverherrlichung. Würden Sie sich dafür aussprechen, dass Mark Zuckerberg auch darüber mit relevanten Stimmen der Zivilgesellschaft in einen Dialog tritt?

Das ist ja immer eine Ermessensfrage. Natürlich ist jede falsche Nachricht eine falsche Nachricht zu viel. Da muss man überhaupt nicht drüber streiten. Das ist so. Und natürlich ärgere ich mich gelegentlich auch, wenn ich auf Nachrichten treffe, die von sehr vielen geteilt werden und die doch nachweislich falsch sind. Aber ob man das jetzt sozusagen flächendeckend mit allen mir persönlich unangenehmen Positionen machen kann, das weiß ich nicht.

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Insofern würde ich jetzt einfach mal sagen: Gut, dass hier ein Anfang gemacht ist. Wir müssen mal sehen, wie sich das weiterentwickelt und ob die Dinge künftig vielleicht doch etwas gemächlicher und mehr auf die Wahrheit bezogen ablaufen. Denn ich könnte mir vorstellen, dass, wenn man das an einer Stelle mal konsequent durchzieht, es dann eben auch Veränderungen gibt.

Andreas Nachama (68), ist Historiker, Publizist und Rabbiner. Von 1994 bis 2019 war er geschäftsführender Direktor der Stiftung "Topographie des Terrors". Seit 2019 ist der gebürtige Berliner Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK). 

Die Fragen stellte Christoph Strack.

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