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Rabe: "Ein Nein muss reichen"

Sabrina Pabst16. März 2016

Das bisherige deutsche Sexualstrafrecht baut in vielen Fällen Hürden für die Verurteilung von Tätern auf. Doch die geplante Verschärfung reicht nicht weit genug, kritisiert die Juristin Heike Rabe.

Frauenarme sind verschränkt und die Hände machen eine abwehrende Geste. (Foto: Davor Puklavec/PIXSELL )
Bild: picture-alliance/PIXSELL/Puklavec

DW: Bietet die Verschärfung des Sexualstrafrechts, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat, nun einen umfassenden Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts?

Heike Rabe: Der Regierungsentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er bietet aber keinen umfassenden Schutz des Selbstbestimmungsrechts im Sinne der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen des Europarats und auch nicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Welche Lücken müssen noch geschlossen werden?

Der jetzige Entwurf hat viele Kritikpunkte, die im letzten Jahr vorgetragen wurden, aufgegriffen, allerdings nichts an der grundlegenden Systematik des Vergewaltigungstatbestandes geändert. Das führt dazu, dass es immer wieder Fallkonstellationen geben wird, über deren Strafbarkeit man streiten kann. Wenn eine Frau "Nein" zu der sexuellen Handlung sagt, der Täter das klar hört und auch versteht, und sich dennoch darüber hinweg setzt, ist nach wie vor nicht gewährleistet, dass sein Verhalten strafbar ist. Dem neuen Tatbestand liegt immer noch die Annahme zugrunde, dass das normale Opfer sich in der Regel schon wehren wird. Das Verhalten des Täters begründet erst dann eine Straftat, wenn er Gewalt anwendet oder mit Gewalt droht oder das Opfer aus verschiedenen Gründen widerstandsunfähig ist. Das ist nicht ausreichend. Wir brauchen einen Perspektivwechsel: Der deutlich erklärte Wille der Betroffenen muss im Zentrum der Norm stehen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Nach dem Regierungsentwurf macht sich strafbar, wer eine Lage ausnutzt, in der eine andere Person im Falle eines Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet.

Eine Frau und ein Mann sind Nachbarn und haben eine Affäre. Die Nachbarin hat gesehen, dass der Mann gegenüber seiner Partnerin gewalttätig ist. Als er Geschlechtsverkehr mit der Nachbarin fordert, den sie klar ablehnt, fürchtet sie, dass er auch ihr gegenüber gewalttätig wird, sollte sie sich zur Wehr setzen. Also tut sie das nicht und lässt es über sich ergehen. Damit diese Handlung nach dem neuen Entwurf strafbar ist, müsste der Täter wissen, dass die Nachbarin seine Gewaltbereitschaft kennt und fürchtet. Weiß er das nicht, nutzt er ihre Lage im Sinne des Gesetzes nicht aus. Und das ist nicht strafbar. Das ist nur ein Fall und man kann verschiedene Beispiele aufführen, die ähnliche Fragen aufwerfen. Der Gesetzentwurf bietet so gewaltbetroffenen Frauen wenig Rechtssicherheit. Das haben wir im jetzigen Strafrecht schon mit der sehr umstrittenen Formulierung "schutzlose Lage".

Warum wird an dem alten Entwurf nachgebessert? Was hindert unsere Gesetzgeber daran, das Gesetz entsprechend anzupassen?

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie ein Vergewaltigungsparagraph formuliert werden kann, der sich auf den Willen der Betroffenen bezieht: Wer gegen den erklärten Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt (…), macht sich strafbar. Das ist rechtsdogmatisch machbar, was bisher fehlt, ist der politische Wille. Eine solche Formulierung würde auch der Vielfalt möglicher Reaktionen von Betroffenen Rechnung tragen und nicht davon ausgehen, dass sich "normale" Frauen in jeder Situation gegen einen sexuellen Übergriff zur Wehr setzen. Das stimmt eben nicht. Ein Übergriff ist keine Situation, in der man rational vorgeht. Man überlegt nicht, was zu tun ist. Wir wissen aus der Forschung, dass es ganz unterschiedliche Reaktionen auf einen sexuellen Angriff gibt. So gibt es das sogenannte "Freezing", bei dem Personen einfach erstarren und nicht mehr in der Lage sind, zu handeln - und das Geschehen über sich ergehen lassen. Andere Frauen können durchaus kalkuliert überlegen, wie sie aus der Situation herauskommen. Aber die Reaktionen sind individuell. Man kann nicht von einer typischen Verhaltensweise ausgehen.

Strafverfahren wurden in der Vergangenheit oft eingestellt, weil der Tatbestand einer Vergewaltigung nicht erfüllt wurde. Was würde sich durch den Vorschlag des Deutschen Instituts für Menschenrechte für die Opfer ändern?

Die Botschaft für Betroffene wäre in vielen Fällen eine andere: Das Verhalten der Täter erkennt die Gesellschaft als strafwürdig, auch wenn es unter Umständen schwierig zu beweisen sein wird. Das ist eine andere Botschaft, als zu vermitteln: Das, was der Täter getan hat, ist überhaupt nicht strafbar.

Heike Rabe ist Juristin und seit 2009 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin. Als Referentin arbeitet sie im Bereich Geschlechterspezifische Gewalt und Zugang zum Recht. Zuvor war sie in der Evaluation von Gesetzen zu den Themen häusliche Gewalt, Prostitution und Menschenhandel tätig.

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