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Radio von Kindern

Svenja Üing5. September 2012

Kinderradioprogramme werden zwar für Kinder gemacht, aber meist von Erwachsenen. Radijojo spannt schon die Jüngsten mit ein und berichtet über Entwicklungs-Themen. In mehreren Sprachen, rund um den Globus.

Radijojo-Reporterin Hannah hält Bundeskanzlerin Merkel ein Mikrofon vor (Foto: Radijojo)
Radijojo-Repoprterin Hannah interviewt Bundekanzlerin Angela MerkelBild: Radijojo

Sie können nicht lesen. Sie können nicht schreiben. Aber sie können sprechen. Und damit erfüllen sie die Grundvoraussetzung fürs Radiomachen. Die jüngsten Moderatoren und Reporter von Radijojo haben bis vor Kurzem buchstäblich noch in die Windeln gemacht. Jetzt sitzen die Knirpse der Berliner Kindertagesstätte "Kleiner August" vor dem Computerbildschirm, skypen und zeichnen eine Radiosendung auf.

"Hallo, ich bin's, Alexej. Wir haben heute etwas Besonderes für euch. So etwas hatten wir noch nie. Wir versuchen eine Verbindung zwischen zwei Kitas in zwei Ländern herzustellen." So begrüßt der kleine Alexej seine Hörerinnen und Hörer. Am anderen Ende der Skype-Verbindung sitzen die Kinder der Tagesstätte "Sonnenschein". Sie liegt in Moskau, rund 1600 Kilometer von Berlin entfernt. Normalerweise würden die beiden Welten der Kinder nicht aufeinandertreffen. Bei Radijojo ist genau das das Ziel.

Kinder der Berliner Kita "Kleiner August" bei Aufnahmen zum Unesco Radio DayBild: Radijojo

Den Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben

Seit zehn Jahren produziert Radijojo Radiosendungen für Kinder und Jugendliche. Hauptzielgruppe des nicht-kommerziellen Programms sind die 3- bis 13-Jährigen. Bei einigen Projekten wirken auch ältere Schüler und Studenten mit. Die Formate reichen vom kurzen Jingle bis zur 60-minütigen Sendung. Zu diesem Zweck werden die Kinder und Jugendlichen, wenn sie alt genug sind, eigens geschult. Sie lernen, wie man digital schneidet, gute Interviews führt und Texte präsentiert. Und selbst die Kleinsten entwickeln ihre Themenideen selbst, sagt Wolfgang Fischer, Pressesprecher und Producer bei Radijojo: "Uns ist wichtig, dass die Kinder befähigt werden, ihre Stimme zu gebrauchen. Und dass sie lernen, dass jedes Kind etwas ganz Besonderes ist."

Workshop in Indien: Kinder lernen, wie man Radiobeiträge produziertBild: Radijojo

Die Idee zu Radijojo wurde im Berliner Stadtteil Wedding geboren. Einem Stadtteil, den man gerne als "Problembezirk" bezeichnet. Hier leben viele Menschen mit wenig Geld. Kinderradioprogramme gab es damals schon in Deutschland, aber der Sohn von Thomas Röhlinger, dem Chefredakteur und Gründer von Radijojo, wünschte sich ein neues Programm mit besonderem Zugang. So entstand vor zehn Jahren ein internationales Radioprogramm für Kinder und Jugendliche mit bildungs- und umweltpolitischen Themenschwerpunkten, das in verschiedenen Sprachen sendet. Inzwischen kooperiert Radijojo mit Kindern und Jugendlichen aus 100 Ländern. Gemeinsam berichten sie über Themen wie soziale Gerechtigkeit und fairer Handel, über den Klimawandel und die Immunschwächekrankheit AIDS.

24 Stunden auf Deutsch und Englisch im Internet-Stream

Schon die kleinsten "Mitarbeiter" von Radijojo sollen verstehen, was es bedeutet, in einem anderen Land, in einer anderen Kultur zu leben. Übersetzungen helfen bei der sprachlichen Verständigung, sagt Wolfgang Fischer: "Wir arbeiten gerne in Originalsprache, weil sich die Kinder da am besten äußern können und sich in ihrer Muttersprache wohl fühlen. Die Sendungen werden dann mit englischen Synchronisierungen überspielt, so dass sie dann auch international verwertbar sind."

Radijojo-Reporter Jonathan und Mina im Interview mit der Schimpansenforscherin und UN-Friedensbotschafterin Jane GoodallBild: Radijojo

Ausgestrahlt werden die Sendungen auf Deutsch und Englisch im 24-Stunden-Stream im Internet. Außerdem übernehmen eine Reihe Partnersender weltweit das Programm von Radijojo, darunter zum Beispiel das Pacifica Radio Network in den USA, die World Association of Community Radios und diverse Bürgerradios in Deutschland. Wie viele Hörer sie mit ihrem Programm auf diese Weise erreichen, ist nicht genau bekannt, sagt Wolfgang Fischer. "Was wir aber wissen, ist, dass manche Sendungen eine technische Reichweite von zehn Millionen Nutzern haben. Die werden allerdings nie alle zur selben Zeit dieselbe Sendung hören."

Radijojo sendet 24 Stunden im Internet-StreamBild: Radijojo

Vor allem ein Nischenprogramm

Zehn Millionen Nutzer, das klingt zunächst einmal nach viel. Doch zumindest in Deutschland ist Radijojo selbst unter eingefleischten Radioliebhabern nicht sehr bekannt. Bei Radijojo ist man sich der Problematik bewusst: "Wir sind tatsächlich in erster Linie einem Fachpublikum im entwicklungspolitischen und im Bildungskontext bekannt", so Fischer. Für sein Engagement ist Radijojo in diesem Jahr - schon zum zweiten Mal - als Offizielles Projekt der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet worden.

Seit Anfang dieses Jahres etabliert Radijojo ein neues Projekt im arabischen Raum in Nordafrika. "Wir wollen im Rahmen der Demokratisierungswelle den Bedarf, den wir dort spüren, abdecken und mit den jungen Menschen ins Gespräch zu kommen", so Fischer. Viermal ist das Team von Radijojo für das Projekt, das sich an Studierende richtet, in diesem Jahr in Marokko, für jeweils zwei Wochen. Im Zentrum die Frage: Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor? Das Thema haben die 20- bis 25-Jährigen selbst gewählt, sie wollen vor allem über ihre Bildungschancen sprechen.

Radijojo-Workshop "Nous sommes le futur du Maroc"Bild: Radijojo

Viele Anfragen - allein es fehlt das Geld

Das Geld für das Programm stammt vor allem aus Spenden, von Stiftungen und aus öffentlichen Fördertöpfen. Damit finanziert Radijojo die einzelnen Radio-Projekte. Einen festen Etat gibt es nicht. Deshalb sind die 30 bis 40 wechselnden Projekt-Mitarbeiter damit beschäftigt, immer wieder neue Förderanträge zu schreiben. Auch wenn bei den Verantwortlichen von Radijojo der Wunsch nach einem größeren Bekanntheitsgrad und besseren finanziellen Arbeitsbedingungen durchklingt: das Interesse der Kinder und Jugendlichen bestärke sie in ihrer Arbeit, sagt Wolfgang Fischer: "Wir haben in Berlin mehr als 500 unbeantwortete Kooperationsanfragen auf dem Schreibtisch liegen." Allerdings fehle das Geld, all diese Projekte am Ende auch umzusetzen.

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