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GleichberechtigungEuropa

Und ewig klafft das Gender-Gap?

Tom Mustroph
24. September 2021

Höhere Mindestgehälter, größere Medienresonanz, Mixed-Rennen - der Frauenradsport fährt in die richtige Richtung. Doch die derzeitige WM zeigt: Die strukturellen Unterschiede bremsen gerade junge Fahrerinnen aus.

Radsport WM Belgien | Mixed-Staffel Großbritannien
Bild: Olivier Matthys/AP/picture alliance

"Es ist eine Schande, dass es keine U23-Kategorie bei den Frauen gibt. Nicht einmal bei der WM gibt es einen U23-Wettkampf für Frauen", empört sich etwa die dänische WM-Starterin Emma Norsgaard. Norsgaard, 22, kann selbst gut mit der Elite mithalten. Sie wurde im WM-Zeitfahren 12. Aber im Vergleich etwa zu ihrem Bruder Mathias (24) und ihrem Lebensgefährten Mikkel Bjerg (22), beide ebenfalls Radprofis, fehlt ihr und ihren Altersgenossinnen die Entwicklungsstufe der U23.

Radfahrerin Emma NorsgaardBild: Roth/picture alliance

"Wir brauchen diese Kategorie, um in den Elitebereich hineinzuwachsen. Mein Bruder Mathias sagte mir, hätte es die U23-Kategorie nicht gegeben, hätte er niemals den Sprung zu den Profis geschafft. Denn der Schritt von den Junioren dorthin ist sehr groß", betont sie kurz vor WM-Beginn.

Keine U23-Kategorie für Frauen

Ihrer Forderung nach einer U23-Kategorie für Frauen schließenen sich in den Tagen dieser WM viele ihrer Kolleginnen an. Auch gestandene Profis sind darunter, wie etwa die 31-jährige Anna van der Breggen. "Das ist ein großes Problem im Frauenradsport. Das Niveau im Elitefeld ist sehr hoch. Kaum jemand aus dem Juniorinnenfeld kann da sofort mithalten", meinte die zweifache Weltmeisterin aus den Niederlanden, die auch Titelverteidigerin für das Straßenrennen ist.

Zweifach-Weltmeisterin und Titelverteidigerin Anna van der BreggenBild: Roth/picture alliance

Sie beobachtete in der Vergangenheit sogar einen vorzeitigen Abgang der Jüngeren aus Enttäuschung: "Wenn die jungen Fahrerinnen dann 21, 22 oder 23 Jahre alt sind, haben sie vielleicht den Sport schon wieder verlassen. Und das nicht, weil sie nicht genug Talent mitbringen, um gute Fahrerinnen zu werden, sondern weil der Schritt einfach zu groß ist."

Die Forderungen sind mittlerweile so laut, dass sogar der Weltverband UCI reagiert. "Bei der nächsten WM in Australien wird es eine U23-Weltmeisterin geben", stellt UCI-Präsident David Lappartient in Aussicht. Um aber dann gleich  einzuschränken, dass es sich nicht um ein eigenes U23-Rennen handeln würde.

Vielmehr soll die Fahrerin in der Altersgruppe unter 23 Jahren, die im Straßenrennen der Frauen als erste ihrer Kategorie den Zielstrich passiert, als Weltmeisterin gekrönt werden. "Das ist ein erster Schritt. Es wird ein Rennen, aber zwei Podien geben", meint Lappartient gegenüber dem Branchendienst cyclingnews.

Junge Frauen in der Überzahl im Peloton

Es ist ein erster Schritt, gewiss. Allerdings ist er längst überfällig. Schon jetzt sind bei vielen Rennen die jungen Frauen im Peloton in der Überzahl. In der UCI-Weltrangliste stellen die unter 23-Jährigen zahlenmäßig mit 392 Fahrerinnen die größte Gruppe da. Danach kommen laut einer Statistik von Cyclingnews die 23 - 26-Jährigen mit 250, gefolgt von den die 27 – 30-Jährigen (184 Starterinnen) und den 31 – 34-Jährigen (146).

Für die jüngeren Fahrerinnen fehlen nach Ansicht der Schweizerin Marlen Reusser, 30, und aktuelle Vizeweltmeisterin im Zeitfahren, aber nicht nur die Rennen, sondern auch die Rennställe. "Was wir vor allem brauchen, sind Entwicklungsteams", erklärt sie gegenüber der DW. Um die Lücke zum Männerradsport zu schließen, ist ihrer Meinung nach aber auch noch viel mehr nötig. "Das fängt mit ganz banalen Dingen an. Ich würde mir wünschen, es würde Men's WorldTour und Women's WorldTour heißen, damit in den Köpfen ankommt: Es gibt beides, Männer und Frauen, und Männer sind nicht die Norm", sagte sie.

Reusser konstatiert aber auch eine beachtliche Entwicklung des Frauenradsports in den letzten Jahren. Das betrifft die Qualität von Rennen, den Zuwachs an medialer Präsenz, die Professionalisierung der Strukturen.

Game Changer Mixed Staffel

Das Zeug zum Game Changer in Sachen Geschlechtergerechtigkeit hat dabei der noch ziemlich junge Wettbewerb der Mixed Staffel. Drei Frauen und drei Männer eines Landes nehmen daran teil. Die jeweiligen Zeiten der Frauen- und Männertrios werden addiert. "Das ist ein tolles Format. Es verbindet auch die Teams und die Fans. Und es ist eine Plattform, um zu zeigen: Es gibt jetzt die Frauen und die Herren im Radsport. Das ist einfach zukunftsweisend", meinte Reusser.

Gemeinsam stark: Die Mixed-Staffel Deutschland beim WM-SiegBild: Olivier Matthys/AP/dpa/picture alliance

Die UCI bessert auch bei den Rahmenbedingungen insgesamt nach, hob etwa das Mindestgehalt für weibliche Radprofis an: waren es vor einem Jahr noch 15.000 Euro liegt es aktuell bei 20.000 Euro. Dann soll es auf 27.500 Euro angehoben werden, um 2023 die Höhe des Mindestgehalts der ProContinental-Rennställe im Männerradsport von knapp 31.000 Euro zu erreichen. Zum Mindestgehalt der WorldTour der Männer ist es dann zwar noch ein Sprung um weitere 7.000 Euro. Aber zumindest wird der Spalt kleiner.

Wachstumsbranche Frauenradsport

Auch Rennveranstalter entdecken immer mehr den Frauenradsport. "Das entwickelt sich als Geschäftsmodell", meint Tomas van den Spiegel zur DW. Er organisiert die Flandernrundfahrt und ist auch im WM-Organisationskomitee tätig. Van den Spiegel sieht vor allem den Medienzuspruch wachsen. "Am Anfang mussten wir noch Druck auf die Sender ausüben. Wir haben die Bilder auch selbst produziert. Jetzt kommen die TV-Anstalten von allein", sagt er.

Kein Platz für Frauen im Radsport?Bild: David Stockman/Belga/dpa/picture alliance

Einen Unterschied gibt es freilich noch: Für die Übertragung der Frauenrennen erhebt die Flandernrundfahrt keine Lizenzgebühren, bei den Männerrennen ist das eine wichtige Einnahmequelle. "Irgendwann werden wir aber auch die Übertragungsrechte bei den Frauenrennen nur gegen Geld vergeben", lacht van den Spiegel. Das wäre eine wichtige Etappe in Sachen Geschlechtergleichberechtigung im Straßenradsport.

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