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Eine frühere RAF-Terroristin sagt aus

Günther Birkenstock14. Mai 2012

Zum ersten Mal hat die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker über den Mord an Generalbundesanwalt Buback vor 35 Jahren gesprochen. Doch auf das Verfahren wirkt sich das kaum aus, sagt RAF-Experte Butz Peters.

Baden-Wuerttemberg/ Die wegen des Attentats auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback im Jahr 1977 angeklagte ehemalige Terroristin der Rote Armee Fraktion (RAF), Verena Becker, steht am Montag (14.05.12) in einem Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Stuttgart. Im Prozess um den Mordanschlag auf Buback hat Becker am Montag eine Mitwirkung an dem Attentat bestritten. (zu dapd-Text) Foto: Daniel Kopatsch/dapd
Deutschland Justiz Stuttgart Verena Becker bestreitet Beteiligung an Buback-AttentatBild: dapd

Der Sohn des Ermordeten und Nebenkläger, Michael Buback, hatte mit Spannung auf die Aussage Beckers gewartet. Doch die hatte keine neuen Details zu bieten. "Ich war nicht dabei", sagte Becker am Montag (14.05.2012) vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. "An einer konkreten Anschlagsplanung war ich nie beteiligt." Deshalb könne sie auch nicht sagen, wer den Generalbundesanwalt getötet habe.

Verena Becker war wegen versuchten Polizistenmordes 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach 12 Jahren Haft hatte sie der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigt. Im September 2010 begann erneut ein Strafprozess gegen sie vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Diesmal geht es um ihre angebliche Beteiligung am Mord an Generalbundesanwalt Buback.

Der Ablauf des Anschlags am 7. April 1977 in Karlsruhe ist bekannt: Ein Motorrad mit zwei bis heute unbekannten Mitgliedern der Rote Armee Fraktion, RAF, hielt neben dem Dienstfahrzeug des Generalbundesanwalts. Dann wurden vom Sozius aus mit einer Maschinenpistole mindestens 15 Schüsse abgegeben. Sie töteten Buback und seine beiden Begleiter.

Die Bundesanwaltschaft wirft Becker vor, an der Planung, Vorbereitung und Durchführung des Mordanschlages beteiligt gewesen zu sein. Seit 35 Jahren ist ungeklärt, wer im April 1977 die tödlichen Schüsse abfeuerte. An einem Bekennerschreiben der RAF fanden Ermittler später die DNA Beckers und leiteten vor einigen Jahren ein neues Ermittlungsverfahren ein.

Wir haben mit dem Rechtsanwalt und Experten in Sachen RAF-Geschichte, Butz Peters, gesprochen und ihn nach der Bedeutung von Verena Beckers Aussage gefragt.

Der RAF-Experte Butz PetersBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Peters, die frühere RAF-Terroristin Verena Becker hat ausgesagt, sie habe den ehemaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback nicht erschossen, sei an seiner Ermordung nicht beteiligt gewesen und wisse auch nicht, wer der Täter ist. Was verändert ihre Aussage im laufenden Verfahren gegen sie?

Butz Peters: Ergebnis ist, die Geschichte des deutschen RAF-Terrors muss nicht korrigiert werden, zumindest nicht durch die Darstellung von Verena Becker. Denn bislang ging man ja überwiegend davon aus, – basierend auf zwei Gerichtsentscheidungen des Oberlandesgerichtes Stuttgart 1980 und 1985 -  dass drei Täter Buback ermordet haben. Daran beteiligt gewesen sind Christian Klar, Knut Volkers und Günter Sonnenberg. Wer die Schüsse abgegeben hat, blieb ungeklärt. Die beiden Strafsenate gingen davon aus, dass zwei der drei Täter auf dem Motorrad gesessen haben, von dessen Rücksitz aus gefeuert wurde und der dritte im Fluchtwagen wartete. Diese These basiert auf zwei Annahmen: Zum einen, dass vor der Tat die drei in der Gegend gesehen worden sind. Zum anderen schloss der Senat aus, dass andere Bandenmitglieder für die drei eingesprungen sind.

Und das war nun die entscheidende Frage, die Teil der RAF-Geschichtsschreibung ist: Haben sich möglicherweise die beiden Gerichte geirrt und können ihre Thesen widerlegt werden? Das Ergebnis ist nun: Nein. Auch wenn mancher das erwartet hatte, die Thesen wurden nicht widerlegt. Das heißt, die Geschichtsschreibung bleibt wie sie ist.

Verändert die Aussage der Angeklagten - unabhängig von der juristischen Bedeutung - irgendetwas an der Einschätzung der RAF-Morde oder am Blick auf die Person Verena Becker?

An der Rolle von Verena Becker, die ja erst bei der Bewegung 2. Juni in Berlin gewesen ist und dann zur RAF wechselte, ändert sich nichts. Es gibt sicher noch dieses große Kapitel: 'was hat sie dem Verfassungsschutz erzählt?'. Das liegt noch weitgehend im Dunkel. Aber grundsätzlich müssten einige neue Fakten bekannt werden, damit es zu einer weiteren Verurteilung kommen könnte.

Das öffentliche Interesse am Fall Verena Becker ist groß. Man hat mit Spannung auf ihre angekündigte Aussage gewartet. Hatte man gehofft, neue spektakuläre Details zu erfahren?

Dieses große Interesse gibt es seit Anfang an und das ist ausgesprochen überraschend. Obwohl die Verhandlung schon eineinhalb Jahre lief, ist wenig Konkretes herausgekommen, das belegt hätte, Verena Becker hat etwas mit der Tat zu tun. Da wurde intensiv gesucht und nachgeforscht bei Zeugen, aber es war nichts zu finden. Nun hat Verena Becker zwei erfahrene Strafverteidiger. Und eine Verteidigungsstrategie ist, erst einmal abzuwarten, was denn überhaupt auf den Tisch kommt. Da war jedoch nichts. Der Mord geschah im April 1977. Und Verena Becker konnte dann noch als argumentatives Sahnehäubchen hinzugeben, dass sie bis zu ihrer Verhaftung im Mai 1977, niemals in Karlsruhe, dem Tatort, gewesen ist. Deswegen, so Becker, kann ich auch keinen Mord begangen haben. Ich denke, da wird es für die Bundesanwaltschaft sehr schwierig, die These zu belegen, dass sie die Ermordung von Buback mitgeplant und auch durchgeführt hat.

Bedeutet dass, die RAF-Geschichte ist nach wie vor eine offene Wunde, die fordert, die kleinste Klärungsmöglichkeit nicht außer Acht zu lassen?

Man muss natürlich auch sehen, dass bei den für die Anklage Verantwortlichen, nämlich der Bundesanwaltschaft, ein ganz starker Stachel im Fleisch sitzt: Siegfried Buback ist als Generalbundesanwalt von der RAF ermordet worden. Dann hat auch noch der Sohn, Michael Buback, in einer Reihe von Zeitungsartikeln und einem Buch vorgebracht, dass nicht ausreichend ermittelt worden sei. Da gab es natürlich das Interesse, keine Chance ungenutzt zu lassen. Aber es überrascht auch nicht, dass nach 35 Jahren Erinnerungen verblasst sind, mögliche Beweisstücke nicht mehr vorhanden sind, so dass man zuwenig Anhaltspunkte hat, um ein rundes Bild hinzubekommen.

Auch wenn dieser Prozess nichts Neues brachte, spricht er vielleicht für die Bundesanwaltschaft. Diejenigen, die 1977 dort beschäftigt waren, sind längst nicht mehr da. Man sagte sich: heute werden alle Thesen noch einmal untersucht, die wir damals vertreten haben, nach denen angeklagt und auch verurteilt wurde. Alles muss noch mal auf den Prüfstand.

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