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Politik

Rajoy stellt Katalonien unter Zwangsverwaltung

28. Oktober 2017

Die Lage in Spanien eskaliert. Erst votiert das katalanische Regionalparlament für die Abspaltung, dann greift Rajoy durch: Spaniens Ministerpräsident setzt die Regionalregierung in Barcelona ab und ruft Neuwahlen aus.

Spanien PK Ministerpräsident Mariano Rajoy in Madrid
Bild: Reuters/S. Vera

Knapp vier Wochen nach dem umstrittenen Votum der Katalanen für eine Abspaltung von Spanien hat die Zentralregierung in Madrid die Separatisten in Barcelona entmachtet. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy entließ den Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont. Für den 21. Dezember setzte er Neuwahlen in Katalonien an. Dabei handele es sich um "erste Maßnahmen", um die bisherigen Verantwortlichen in der Region an einer weiteren "Eskalation des Ungehorsams" zu hindern, sagte Rajoy am Freitagabend nach einer Krisensitzung seines Kabinetts. Seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie im Jahr 1978 ist noch nie eine Region unter die Zwangsverwaltung Madrids gestellt worden.

Mit dem beispiellosen Schritt will Rajoy einen Schlussstrich unter die schwere politische Krise in Spanien ziehen, die das von Puigdemont vorangetriebene Unabhängigkeitsvotum am 1. Oktober ausgelöst hatte. "Spanien durchlebt einen traurigen Tag", erklärte Rajoy. Es sei aber dringend Zeit, sämtlichen Bürgern Kataloniens Gehör zu schenken. Sie sollten selbst über ihre Zukunft entscheiden. Niemand könne dies außerhalb des Gesetzes für sie tun.

Madrid greift durch - Einschätzungen

07:19

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Bald Anklage gegen Puigdemont

Rajoy kündigte an, dass sein Kabinett die Aufgaben der Regionalregierung übernehmen werde. Er habe auch den katalanischen Polizeichef entlassen. Die Zentralregierung setzte auch die katalanischen Regierungsvertreter in Madrid und Brüssel ab und ordnete die Schließung der katalanischen Vertretungen weltweit an, ausgenommen in Brüssel. Die spanische Generalstaatsanwaltschaft kündigte ein Verfahren gegen Puigdemont wegen "Rebellion" an. Die Behörde wird demnach in der kommenden Woche Anklage gegen Puigdemont erheben. Auf "Rebellion" steht im spanischen Recht eine Höchststrafe von 30 Jahren Haft. Die Separatisten hatten schon vor Rajoys Ankündigung die Bediensteten der katalanischen Verwaltung dazu aufgerufen, den Anordnungen aus Madrid nicht Folge zu leisten und mit "friedlichem Widerstand" zu reagieren.

Am Nachmittag hatte in Barcelona das Regionalparlament für die Loslösung von Spanien und die Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt, allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Für die Resolution votierten vor allem die Abgeordneten von Puigdemonts Regierungsbündnis JxSí und der linksradikalen Partei CUP. 70 Ja-Stimmen standen zehn Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen gegenüber. Die meisten Gegner Puigdemonts hatten nach heftiger Debatte vor der Abstimmung den Saal verlassen.

Separatisten jubeln

Nach der Abstimmung standen die verbliebenen Abgeordneten auf und sangen die katalanische Nationalhymne, viele von ihnen recken die linke Faust in die Höhe. Puigdemont forderte die Katalanen auf, weiter friedlich für die Unabhängigkeit zu kämpfen. Zehntausende Katalanen feierten am Abend die "Republik" auf den Straßen in Barcelona, Girona, Tarragona und anderen Städten. In Barcelona verstummten sie jedoch, als Rajoy am Abend die Zwangsverwaltung ankündigte.

Kurz nach dem Beschluss in Barcelona gab der Senat in Madrid grünes Licht für die Zwangsmaßnahmen nach Artikel 155 der spanischen Verfassung. Rajoy hatte am Vormittag in der Parlamentskammer dafür plädiert, die direkte Kontrolle in Katalonien zu übernehmen. "In meinen Augen gibt es keine Alternative", sagte er. "Wir stehen einer Herausforderung gegenüber, die beispiellos ist in unserer jüngeren Geschichte."

Aktienkurse purzeln

Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung stürzten die Aktienkurse der katalanischen Banken ab. Der Kurs der CaixaBank fiel an der Madrider Börse am Nachmittag um rund fünf Prozent, der Kurs der Sabadell gab um etwa sechs Prozent nach. Die Kurse der beiden Banken waren bereits Anfang Oktober stark gefallen. Viele Kunden kündigten seither ihr Konto oder hoben ihr Geld ab. Beide Institute verlegten daraufhin ihren Unternehmenssitz in andere spanische Regionen. Insgesamt beschlossen bereits mehr als 1600 Unternehmen, ihren Firmensitz außerhalb Kataloniens zu verlegen.

Auch am Abend feierten Katalanen in Barcelona noch die Unabhängigkeitserklärung ihres ParlamentsBild: Reuters/Y. Hermann

Die jüngste Zuspitzung geht auf das Referendum vor vier Wochen zurück, als sich 90 Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit von Spanien aussprachen. Die Beteiligung lag aber nur bei 43 Prozent, viele Gegner einer Loslösung von Spanien blieben zu Hause. Die spanische Verfassung lässt eine Unabhängigkeit einzelner Regionen nicht zu. Die Abstimmung war im Vorfeld für illegal erklärt worden, die Madrid unterstellte Polizei ging mit harter Hand gegen Wähler vor.

EU stützt Rajoy

Die USA, die EU sowie Deutschland und Frankreich stellten sich nach dem Parlamentsvotum, aber noch vor dem Schritt in die Zwangsverwaltung hinter Rajoy. EU-Ratspräsident Donald Tusk teilte mit, die EU werde weiterhin ausschließlich mit Spanien sprechen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte vor "weiteren Rissen" in der EU und sagte: "Ich möchte nicht, dass die Europäische Union morgen aus 95 Staaten besteht." Bundesaußenminister Sigmar Gabriel erklärte, nur Gespräche auf Basis der Rechtsstaatlichkeit könnten zu einer Lösung führen. "Die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens werden wir daher auch nicht anerkennen."

kle/ml (rtr, afp, dpa)

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