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Raketen für die Diktatur des Turkmenbaschi

17. November 2003

- Moskau, Kiew und Washington im Wettbewerb um die Ausrüstung der turkmenischen Streitkräfte

Moskau, 12.11.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Wladimir Muchin

Russland wird demnächst seine militärtechnische Politik im Verhältnis zu den GUS-Staaten, in erster Linie zu Turkmenistan, grundsätzlich ändern. Diese Schlussfolgerung lässt sich nach der Sitzung der Kommission für militärtechnische Zusammenarbeit ziehen, die in der vergangenen Woche im Kreml stattfand und an der sich Russlands Präsident Wladimir Putin beteiligte. Aus Kreisen des russischen Verteidigungsministeriums verlautet, dass auf der Sitzung neben anderen Fragen auch die Frage einer festeren Stellung Moskaus auf dem Waffenmarkt der so genannten postsowjetischen Länder erörtert wurde. Es ist kein Geheimnis, dass es in letzter Zeit von diesem Markt stark verdrängt wird. Die USA haben im Militärhaushalt 2004 vergünstigte Kredite für den Kauf amerikanischer Militärausrüstung und Waffen durch die GUS-Länder sowie 36,4 Millionen Dollar für Verteidigungsdienste und professionelle Militärausbildung eingeplant. Ungeachtet der bestehenden Vereinbarungen wird Russland auch von der Ukraine bei Waffengeschäften zurückgedrängt. Und zwar dort, wo Russlands Vorteile offensichtlich sind.

Beispielsweise mit einem der solventesten Staaten der GUS - mit Turkmenistan - ist Moskaus Waffenbilanz geradezu Null, obwohl im Sommer 2001 der Erste Vize-Generaldirektor des staatlichen Unternehmens "Rosoboroneksport" Sergej Tschemesow und der Präsident Turkmenistans Saparmurat Nijasow durch Vermittlung des internationalen Energieunternehmens "ITERA" sich auf Waffenlieferungen im Austausch gegen Gas geeinigt haben. Dennoch - Russland kauft bekanntlich turkmenisches Gas. Und für Waffenlieferungen sorgt die Ukraine. Allein im Jahre 2002 brachten sie ihr mindestens 50 Millionen Dollar Gewinn. Die Ukraine hat die turkmenischen Luftabwehrtruppen modernisiert, stellte für die turkmenischen Seestreitkräfte 10 Patrouilleschiffe vom Typ "Kalkan" (...) bereit, noch größere - vom Typ "Grif" - sollen folgen (...). Außerdem organisiert die Ukraine die Ausbildung turkmenischer Soldaten und so weiter.

All diese Dienste sollte nach den ersten Vereinbarungen Russland leisten. Der Turkmenbaschi hat sich aber aus irgendwelchen Gründen für ein anderes Land entschieden. Warum, darüber wollen wir nicht rätseln.

In letzter Zeit geht Kiew im Wettbewerb mit Moskau um Waffenmärkte aus irgendwelchen Gründen stets als Sieger hervor, denn es verkauft die Waffen praktisch zu Dumpingpreisen. Im Fall Turkmenistan werden die Waffen im Austausch für Gas geliefert. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gas über Gasleitungen durch Russland transportiert wird. Und Moskau könnte, wenn es wollte, Druck auf Kiew und Aschgabad ausüben, um die Situation zu seinen Gunsten zu ändern. Das ist aber nicht geschehen. Dennoch - die Lage ist für Russland nicht ganz so aussichtslos. Im Gegensatz zur Ukraine verfügt Russland über ein großes Entwicklungspotential in der militärtechnischen Zusammenarbeit mit Turkmenistan.

Beispielsweise nur Russland produziert die modernen Luftabwehrsysteme S-300, die die turkmenische Armee nicht hat. Die vier Luftabwehrregimenter des Landes sind mit obsoleten Systemen des Typs S-60, S-75 und S-200 ausgerüstet, und auch wenn sie die Ukraine modernisiert - sie entsprechen nicht mehr den heutigen Kampfanforderungen. Das als Erstes. Zweitens, um die Kampffähigkeit beizubehalten, muss es regelmäßig Probestarts geben. Und das kann nur auf dem russischen Übungsplatz "Aschuluk" geschehen. Das gleiche gilt für die Kampfugzeuge und Kampfschiffe: Auf postsowjetischem Territorium ist nur Russland in der Lage, Flugzeuge nach den modernen Anforderungen der vierten Generation zu modernisieren. Barkassen mit geringem Ladegewicht werden auf dem Landweg nach Turkmenistan gebracht. Russland verbietet die Durchfahrt fremder Kriegsschiffe vom Schwarzen zum Kaspischen Meer und drosselt somit das Wettrüsten, das hier begonnen hat. Russland selbst darf Kreuzer und Korvetten zusammenbauen, sie zu Wasser lassen und sie über die Wolga transportieren - Kreuzer und Korvetten, die auf den Schiffswerften in Nischnij Nowgorod und Kasan gebaut worden sind.

Aus militärischen Kreisen verlautet, dass nach dem letzten Treffen der Kommission für militärtechnische Zusammenarbeit im Kreml entschieden worden ist, dass sich mit der Vorbereitung von Verträgen für mögliche Geschäfte dieser Art mit Turkmenistan "Rosoboroneksport" befassen wird. Obwohl folgendes hierbei interessant ist: Weder in Moskau, noch in Kiew, noch in anderen Ländern, darunter auch den USA (Washington will im Jahre 2004 450 000 Dollar für die Modernisierung der turkmenischen Armee ausgeben) macht sich jemand Gedanken darüber, dass in Turkmenistan gegen Menschenrechte verstoßen wird. Am 27. Oktober, dem Tag der Unabhängigkeit, wurden bei einer Parade die in Kiew gekauften berüchtigten Raketenabwehrsysteme "Koltschuga" vorgestellt. Keiner trägt sich mit der Absicht, gegen Aschgabad, das seinerzeit das Taleban-Regime in Afghanistan unterstützte (nach Angaben der turkmenischen Opposition schuldet die Bewegung "Taleban" Aschgabad 200 Millionen Dollar für Waffen, die ihr der Turkmenbaschi geliefert hat), das das Vorgehen der USA im Krieg gegen den Irak scharf kritisierte, Sanktionen zu verhängen. Mehr noch, auch die NATO-Führung widmet jetzt der Entwicklung der militärischen Beziehungen mit der turkmenischen Armee Aufmerksamkeit und arbeitet gegenwärtig an einem Plan für die militärische Kooperation mit Aschgabad in den Jahren 2004-2005. Nijasow behält Geistesgegenwart und kooperiert mit allen. Er nimmt militärische Geschenke nicht nur von den Amerikanern und vom Nordatlantischen Bündnis an (von den USA erhielten die turkmenischen Streitkräfte zwei 25 Meter lange Barkassen des Typs "Meriden"), sondern auch von seinem Nachbarn im Süden - Iran. Im Oktober wurden auf Anordnung des iranischen Verteidigungsministers Ali Shamkhani Turkmenistan sieben Küstenschutz-Schiffe und ein Zerstörer langfristig zu Sonderkonditionen vermietet.

Es heißt, der Iran habe dies getan, um die Position von Aschgabad im Streik mit Baku um die kaspischen Ölvorkommen zu stärken und westliche Investoren abzuschrecken. Das Regime von Turkmenistan kräftigt demnach seinen "Militärmuskel", obwohl dieser ohnehin schon der kräftigste in der zentralasiatischen Region ist. Nach offiziellen Angaben blieben nach dem Zerfall der UdSSR in Turkmenistan mehr als 300 Kampfflugzeuge zurück (darunter 24 Flugzeuge des Typs MIG-29, 46 des Typs SU-25, 172 des Typs MIG-23), etwa 600 Panzer des Typs T-72, 1500 Kampffahrzeuge (gepanzerte Mannschaftswagen und Kampffahrzeuge der Infanterie, mehr als die Hälfte davon neuzeitliche Modelle).

Wozu Aschgabad so viel Rüstung braucht, ist unklar. Ihre Vernichtung hat die internationale Gemeinschaft nicht angesprochen. Mehr noch, führende Länder der Welt, darunter auch Russland, sind an einer militärtechnischen Zusammenarbeit mit dem Regime des Turkmenbaschi interessiert. Wird das zu einem zweiten Saddam Hussein führen? (TS)