Pünktlich zum Ramadan haben viele arabische Staaten die strengen Pandemieregeln gelockert. Aber der Fastenmonat steht unter einem schlechten Stern: Der Krieg in der Ukraine macht Lebensmittel knapper und teurer.
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Im Ramadan wird es festlich in den Innenstädten im Nahen und Mittleren Osten. Der islamische Fastenmonat hat in den meisten Ländern in diesem Jahr am 2. April begonnen. Straßen und Läden sind mit dem Symbol des Halbmonds dekoriert, mit Laternen und Transparenten, die ein frohes Fest wünschen: "Ramadan karim" oder "Ramadan mubarak".
In der libanesischen Hauptstadt Beirut ist der Feiertagsschmuck für die Wohnzimmer allerdings großenteils in den Läden liegengeblieben. "Ich erinnere mich gut an die Zeit, als ich die Dekoration für Ramadan gekauft und meine Geschwister zu einem großen Abendessen eingeladen habe", erzählt Randa Mohsen, Krankenschwester und Mutter von vier Kindern, der DW. "Dieses Jahr können wir uns nicht mal unser eigenes Essen zum Iftar leisten, zum Fastenbrechen nach Sonnenuntergang."
Allein für Fattusch, den traditionellen Salat zum Iftar, müsste Randa Mohsen für umgerechnet 3,60 Euro Zutaten besorgen, sagt sie. Bei einem Familieneinkommen von umgerechnet knapp 75 Euro im Monat ist das völlig unrealistisch.
Armut im Libanon nimmt zu
02:23
"Uns als Familie ist es total egal, ob die Corona-Regeln gelockert werden oder nicht. Wir haben sowieso kein Geld, um auszugehen. Wir können es uns ja kaum leisten, überhaupt zu essen. Die Beschränkungen waren wenigstens eine Ausrede, um zu Hause zu bleiben."
Libanon: Mit Maske in die Moschee
Seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren waren die traditionellen Ramadanfeiern und Festessen mit Familie und Freunden in der ganzen Region verboten oder stark eingeschränkt. Dieses Jahr jedoch bleiben davon nur die Maskenpflicht und manchmal verkürzte Betzeiten und Abstandsgebote in den Moscheen.
Rechtzeitig zum diesjährigen Ramadan haben die meisten Regierungen arabischer Länder die Hygieneregeln fast auf das Niveau vor der Pandemie gesenkt oder ganz abgeschafft, wie Simon Wolfgang Fuchs vom Orientalischen Seminar der Universität Freiburg berichtet.
Das bestätigt auch Scheich Mohammed Abu Zaid, Vorsitzender des sunnitischen Gerichts und Imam der größten Moschee der libanesischen Stadt Saida. "Im Libanon sind alle Moscheen geöffnet und die Menschen sind willkommen, sich hier zu versammeln und zu beten. Den Imamen steht es frei, auf Abstandsregeln oder Masken zu bestehen. Allerdings sind sich die meisten Imame einig, dass sie alten Menschen und chronisch Kranken empfehlen, nicht in die Moschee zu gehen." Für die langen Morgen- und Abendgebete in seiner eigenen Moschee bittet Mohammed Abu Zaid die Gläubigen, eine Maske zu tragen.
Wenn auch die pandemiebedingten Beschränkungen wegfallen - nun werfen neue Probleme ihre Schatten auf den Fastenmonat.
Ägypten: Armut im Fastenmonat
Inflation und Lebensmittelknappheit beeinträchtigten derzeit viele Länder der Region in einem nie dagewesenen Ausmaß, sagt Simon Wolfgang Fuchs. Vor allem Ägypten litt schon vor dem Ramadan unter Preiserhöhungen und der Abwertung des ägyptischen Pfunds.
"Wir denken, dass dieser Ramadan wirklich hart wird, weil die Preise kurz vor seinem Beginn nach oben geschnellt sind", berichtet der Journalist Haitham El-Tabei, Gründer der Hilfsorganisation Abwab Elkheir in Kairo, der DW.
Am frühen Freitagmorgen haben sich 20 Ehrenamtliche in den Räumen der Initiative im Stadtviertel Mokattam getroffen, um Körbe mit Fleisch und Datteln zu packen. Sie erwarten, dass während des Ramadans mehr Familien als jemals zuvor kommen werden, um sich gespendete Nahrungsmitteln zu holen.
"Dieses Jahr hat sich die Situation verschärft", bedauert El-Tabei, "weil wir mit weniger Spenden und gestiegenen Preisen klarkommen müssen." Bisher hat die Organisation es geschafft, die höheren Kosten aufzufangen: "In so schwierigen Zeiten können wir die Familien im heiligen Monat nicht im Stich lassen."
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Halbmond über Saudi-Arabien
Weltweit gibt es rund 1,8 Milliarden Muslime. Während des Ramadans dürfen erwachsene Gläubige, die körperlich und seelisch gesund sind, 30 Tage lang zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang weder essen noch trinken oder rauchen. Der Monat des Fastens und Betens zählt zu den fünf Säulen des Islam. In diesem neunten Monat des islamischen Mondkalenders soll Gott seinem Propheten Mohammed die ersten Verse des Korans offenbart haben.
Der Ramadan beginnt, wenn am Ende des Vormonats die neue Mondsichel gesichtet wird, darum ist das Datum nicht in allen Ländern gleich. Traditionell berechnen astronomische Experten in dem saudischen Ort Hautat Sudair den Tag und die genaue Uhrzeit. Für dieses Jahr wurde der Beginn des Ramadans in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Oman, Kuwait, Bahrain und Ägypten auf den 2. April festgelegt, im Libanon, in Syrien und Marokko auf den 3. April.
Ramadan in Zeiten des Coronavirus
Ob im Christentum oder Islam: In schweren Zeiten hilft der Glaube. Was aber, wenn Moscheen schließen, wenn Gotteshäuser keine Anlaufstelle mehr bieten? Im Fastenmonat Ramadan wissen sich Muslime weltweit zu helfen.
Bild: Reuters/M. P. Hossain
Saudi Arabien: Blitzblank geputzt
Nicht auszudenken, was passierte, wenn sich an der Kaaba in Mekka die üblichen Menschenmassen drängeln würden. Auch diesem Großereignis hat die Coronavirus-Pandemie Grenzen gesetzt. Ein paar Gläubige sind am ersten Tag des Ramadan dennoch in die Große Moschee gekommen. Die allermeisten Menschen auf diesem Bild sind aber Reinigungskräfte, deren Arbeit jetzt besonders wertvoll ist.
Bild: Getty Images
Sri Lanka: Fastenbrechen trotz Virus
Nach mitteleuropäischen Kriterien wäre das Treffen dieser Familie in Malwana auf Sri Lanka nicht im Sinne der Corona-Bekämpfung. Auf Abstand achtet man hier nicht, aber auf das Ritual beim Fastenbrechen im Ramadan. Das Tuch reich gedeckt, ein letztes gemeinsames Gebet - und dann wird verzehrt, was die Familie gemeinsam mitgebracht hat.
Bild: Getty Images/I. S. Kodikara
Israel: Mit dem Teppich auf Abstand
In Israel, so heißt es, werden die Regeln zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie streng eingehalten. Die palästinensischen Männer, die sich hier zum Gebet auf einem Parkplatz am Strand von Jaffa versammelt haben, machen da keine Ausnahme. Die Streifen der Parklücken helfen dabei, den Teppich im gebotenen Abstand zum Nebenmann auszurichten.
Bild: Getty Images/A. Gharabli
Indonesien: Gebet mit Maske und Internet
In der indonesischen Hauptstadt Jakarta hilft es dem Imam namens Bambang Suprianto sehr, dass diese Stadt ohne Mobiltelefone und Internet ohnehin kaum funktionieren würde. Also kann er aus dem Koran vorlesen und das Gebet live im Internet anbieten - aus der Sunda Kelapa Mosche per Social Media. Seine Vorbildfunktion erfüllt Suprianto auch deshalb, weil er die Worte mit Mund-Nasen-Schutz vorträgt.
Bild: Reuters/W. Kurniawan
USA: In großen Lettern angekündigt
Nicht dass man glauben würde, die Moslems in Daerborn im US-Bundesstaat Michigan hätten den Fastenmonat vergessen. Aber die Mitarbeiter des "Community Center", in dem auch die Masjid-Al-Salaam-Moschee zu finden ist, haben den Beginn des Ramadan in großen Lettern angekündigt. "Ramadan Kareem" gibt den Gläubigen ein ermutigendes Motto auf den Weg, übersetzt in etwa: "Habt einen großzügigen Ramadan."
Bild: Getty Images/E. Cromie
Sri Lanka: Der Blick in den Himmel gerichtet
Beten kann man auch allein - selbst wenn die Moscheen ansonsten im Ramadan gut besucht sind. Aber Alleinsein, das kann man auch mit einem Teppich auf einem Häuserdach in der Metropole Colombo. Die Hände zusammen, den Blick in den Himmel gerichtet, wartet dieser Junge darauf, das Fasten dieses Tages zu beenden.
Bild: Reuters/D. Liyanawatte
Deutschland: Video aus der schönen Moschee
Viele sagen ja, dass Deutschland in Sachen Internet eher hinterher hinkt. Wie dem auch sei: Benjamin Idriz ist Imam des Islamischen Forums in der oberbayerischen Stadt Penzberg, und auch er nutzt sein Mobiltelefon, um seine Koran-Rezitation anschließend ins Netz zu stellen. Selbst in diesem Bildausschnitt wird klar, warum die 2005 eröffnete Moschee dort für ihre Architektur ausgezeichnet wurde.
Bild: Reuters/A. Uyanik
Türkei: Beleuchtet, aber kein Mensch zu sehen
Nicht nur der Galata-Turm im Istanbuler Stadtteil Beyoglu ist an diesem Abend menschenleer. Die Behörden haben auch verfügt, dass die Moscheen in der Türkei geschlossen bleiben, ungeachtet des Ramadan. Auch die Türkei hat gegen die Krankheit namens COVID-19 zu kämpfen. Und so bietet das beleuchtete Istanbul "von oben" betrachtet zwar einen pittoresken, aber doch auch einen beklemmenden Eindruck.
Bild: Getty Images/B. Kara
Nepal: Der Ruf des Muezzin
Ein paar Sachen funktionieren auch in Kathmandu wie eh und je. Am ersten Tag des Heiligen Monats steigt dieser Muezzin nach oben und rezitiert den Azan, den islamischen Gebetsruf. Trotz der Coronavirus-Pandemie wird der Aufruf zum gemeinschaftlichen Gebet in der Hauptstadt Nepals wie üblich mehrfach am Tag zu vernehmen sein.
Bild: Getty Images/P. Mathema
Singapur: Eine Messehalle tut es auch
Das moderne Messegebäude in Singapur ist eigentlich für ganz andere Dinge vorgesehen. Doch das Wirtschaftsgeschehen steht weltweit still, an eine Verkaufsschau im "Expo Convention Hall and Exhibition Centre" wird lange nicht zu denken sein. Das Gebäude wurde jetzt in eine Einrichtung umgewandelt, in der Patienten sich von ihrer COVID-19-Erkrankung erholen und während des Ramadan beten können.
Bild: Reuters/M. Nasiruddin
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So wie viele andere Länder der Region hat auch Saudi-Arabien kurz vor dem Ramadan die meisten Corona-Beschränkungen aufgehoben. Pilgerreisende in Mekka und Medina müssen allerdings Masken tragen und die COVID-19-Warn-Apps Tawakkalna oder Eatmarna nutzen. Für saudische Staatsbürger ist die App Tawakkalna während der Pandemie zur Pflicht geworden. Die IT-Behörde Saudi Data and Artificial Intelligence Authority (SDAIA) hat die App entwickelt, um die Bewegungen der Bürger während der Ausgangssperren zu überwachen.
Dass diese Pflicht wegen der Corona-Situation nun immer wieder verlängert wird, hält Simon Wolfgang Fuchs für vorgeschoben. Die Pandemie habe autoritären Regimen die Überwachungswerkzeuge gegeben, die sie nun unter dem Vorwand der Gesundheit nutzten.
Saudi-Arabien ist allerdings nicht das einzige arabische Land, das ein wachsames Auge auf seine Bürger wirft. Andere Länder der Region bleiben gleich ganz bei den Einschränkungen. In Kuwait sind Iftar-Treffen verboten, ob vor oder in Moscheen, erlaubt ist nur das Verteilen vorgekochter Gratis-Mahlzeiten.
Ende des Ramadan: Muslime feiern Eid al-Fitr
Der islamische Fastenmonat Ramadan ist zu Ende. Muslime feiern gemeinsam das Zuckerfest trotz Corona-Pandemie und gewalttätiger Konflikte. Wir zeigen Eindrücke aus aller Welt.
Bild: Ahmad Yosri/REUTERS
Überschattet vom Nahost-Konflikt
Das Ende des Ramadans fällt in eine Woche der eskalierenden Gewalt zwischen Palästinensern und Israel. Laut Medienberichten kamen an diesem Donnerstagmorgen dennoch rund 100.000 Muslime auf dem Tempelberg in Jerusalem zusammen. Die Anlage mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam.
Bild: Mahmoud Illean/AP Photo/picture alliance
Selfie an heiliger Stätte
Anfang der Woche gab es hier noch gewaltsame Ausschreitungen. Es flogen Steine, Blendgranaten, Gummigeschosse, ein Brand brach aus. Zum Eid al-Fitr ist der Felsendom wieder beliebtes Fotomotiv.
Bild: Mahmoud Illean/AP Photo/picture alliance
Die Gemeinschaft ist wichtig
Donnerstag ist der erste Tag des dreitägigen Festes Eid al-Fitr, auf Deutsch meist Zuckerfest genannt, das den Fastenmonat Ramadan abschließt. Hier eine Szene in Riad, Saudi-Arabien nach dem Morgengebet, das den Beginn des Festes einläutet.
Bild: Ahmad Yosri/REUTERS
Gebete neben Trümmern
Die Al-Masfi-Moschee im irakischen Mossul, auch Umayyaden-Moschee genannt, wurde vor fast 1400 Jahren gebaut. Während des Krieges gegen den sogenannten "Islamischen Staat" wurde sie teils zerstört. Zum Feiertagsgebet kommen Muslime hier dennoch zusammen.
Bild: Abdullah Rashid/REUTERS
Die Suche nach dem Mond
Das Ende des Fastenmonats richtet sich nach der Sichtung der Mondsichel. Dafür werden in der Al-Musyari'in Moschee in Jakarta, Indonesien, auch traditionelle Instrumente verwendet.
Bild: Willy Kurniawan/REUTERS
Das Fest mit Licht einläuten
In Jakarta sind Kinder am Vorabend des Eid al-Fitr in einem Fackelzug durch die Nachbarschaft gezogen.
Bild: Willy Kurniawan/REUTERS
Freude für die Kleinen
Für Kinder ist Eid al-Fitr ein ganz wichtiges Fest: Es gibt Geschenke und Süßigkeiten! Dieser Junge in Pakistans Metropole Karachi hat inmitten der Ballons anscheinend seinen Favoriten entdeckt.
Bild: Arif Ali/AFP/Getty Images
Mit Abstand, aber gemeinsam
Auch in Deutschland treffen sich Muslime zum gemeinsamen Gebet zum Beginn des Zuckerfestes - hier in Bonn - ganz Corona-konform: mit Abstand und Maske auf einem Sportplatz.
Bild: Lindita Arapi/DW
Unter freiem Himmel
Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina sind Muslime. Auch sie haben sich zum Gebet unter freiem Himmel getroffen. Am Abend zuvor hatten Kanonenschüsse das letzte Fastenbrechen angekündigt.
Bild: Armin Durgut/PIXSELL/picture alliance
Hält der kurzzeitige Friede?
In Afghanistan haben sich die radikalislamischen Taliban und die Regierungstruppen auf eine dreitägige Waffenruhe geeinigt. In der Abdul-Rahman-Moschee in Kabul, einer der größten des Landes, sind beim Morgengebet dennoch Sicherheitskräfte im Einsatz, die die Gläubigen bei ihrer Ankunft kontrollierten.
Bild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images
Ein Fest für den Magen
Nicht zuletzt bedeutet das dreitägige Fest für alle auch: Schlemmen bis zum Umfallen! Gebäck darf dabei auf keinen Fall fehlen.
Bild: Nabil al-Jurani/AP Photo/picture alliance
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Marokko hat den Ausnahmezustand gerade bis zum 30. April verlängert, aus Angst vor emporschnellenden COVID-19-Zahlen, obgleich die Infektionsrate derzeit gering ist. Das Königreich kämpft außerdem gegen eine schwere Dürre und mit der Angst vor Lebensmittelknappheit, da auch hier die Weizenimporte aus der Ukraine aufgrund des Krieges zurückgehen.
Falls der Ausnahmezustand wirklich am 30. April ausläuft, könnten die Menschen in Marokko am 3. Mai mit Familie und Freunden Eid al-Fitr feiern - das traditionelle Fest am Ende des Ramadans.
Mitarbeit: Razan Salman, Beirut, und Mohammed Magdi, Kairo.