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Politik

Ramadan in Zeiten von Corona

Hans Pfeifer | Monir Ghaedi
15. April 2020

Die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus hat massive Auswirkungen auf die bevorstehende islamische Fastenzeit, den Ramadan. Führende muslimische Gelehrte überlegen sogar eine Verschiebung.

Libyen Feuerpause Fastenbrechen
Bild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Die Corona-Pandemie ist für Muslime in aller Welt eine echte Prüfung. Denn gleich drei ihrer fünf Glaubenssäulen sind von den Folgen betroffen: viele Länder haben die Versammlungsfreiheit so weit eingeschränkt, dass Moscheen für das verpflichtende Gebet geschlossen bleiben. An eine Pilgerreise nach Mekka ist derzeit ohnehin nicht zu denken, da Saudi-Arabien die heilige Stätte bis auf weiters geschlossen hat. Und jetzt steht auch noch der Ramadan auf dem Spiel. Die islamische Fastenzeit beginnt 2020 am Donnerstag, den 23. April. Dann dürfen Muslime einen Monat lang nur in den Abend- und Nachtstunden essen und trinken. So hatte es schon der Prophet Mohammed gehalten.

Gemeinsam: so sieht es beim Fastenbrechen normalerweise ausBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Angesichts der raschen Ausbreitung des Coronavirus scheint aber ein "normales" Fasten derzeit kaum möglich. Denn der tägliche Verzicht könnte ein Ausbrechen von COVID-19 begünstigen, weil die körperliche Belastung eine Erkrankung begünstigen könnte. Die islamische Fastenpflicht gilt aber nur, solange die Gesundheit nicht gefährdet wird - kranke und gebrechliche Menschen sind, wie auch schwangere Frauen, ohnehin davon ausgenommen. Diese Ausnahmeregelung könnte aber 2020 sogar zu Regel werden.

Ramadan ohne Versammlungen

Denn viel problematischer ist in Corona-Zeiten das gemeinschaftliche Fastenbrechen am Abend: Dann treffen sich Familien und Freunde, um gemeinsam zu speisen und zu beten. Traditionell beginnt der Abend erst mit Datteln oder Süßigkeiten und einem Glas Wasser oder Milch. Dann folgen das Gebet und schließlich das gesellige Mahl. In Zeiten von "Social Distancing" sind solche Zusammenkünfte natürlich problematisch.

Heiligtum ohne Pilger: die Große Moschee in MekkaBild: Getty Images/AFP/A. Ghani Bashir

Zum öffentlichen Fastenbrechen, der sogenannten "Iftar", kommen teilweise tausende Menschen zusammen, auch um Geld für Bedürftige zu sammeln. Diese öffentlichen Versammlungen wurden bereits in zahlreichen Ländern abgesagt: Die Regierung in Ägypten hat alle größeren Versammlungen verboten. Auch der Iran schränkt die religiösen Gewohnheiten massiv ein. In einer Videobotschaft vom Donnerstag, den 9. April 2020, wandte sich das geistliche Oberhaupt des Iran, Ali Chamenei, an seine Landsleute: "Diesen Ramadan werden wir auf öffentliche Versammlungen verzichten müssen. Das betrifft sowohl Gebete als auch Versammlungen zum Fastenbrechen."

"Kontaktbeschränkungen sind Bürgerpflicht"

Muslime in Deutschland richten sich ebenfalls auf weitreichende Beschränkungen ein: Der einflussreiche Zentralrat der Muslime hält die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen nicht nur für eine Bürgerpflicht: "Die Unversehrtheit der Menschen steht im vollkommenen Einklang mit unseren Glaubensbestimmungen", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Zentralrat stimme sich mit dem Krisenkabinett der Bundesregierung darüber ab, was gesundheitlich erforderlich sei. Für den Ramadan der Muslime gilt damit, was 2020 auch für die christlichen Kirchen an den Osterfeiertagen gilt: nichts ist dieses Jahr wie gewohnt. Und entgegen rechter Verschwörungstheorien in den Sozialen Medien gibt es für Muslime in Deutschland keinerlei Ausnahmen.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in DeutschlandBild: picture-alliance/NurPhoto/E. Contini

Zahlreiche Politiker der AfD verbreiten über Facebook die These, dass die Bundesregierung die Kontaktbeschränkungen nur bis kurz nach den Ostertagen aufrecht erhalten würde, um sie dann extra wegen Ramadan zu lockern. Auch dass es Versammlungen in Moscheen geben würde, während christliche Gottesdienste verboten seien, wird immer wieder behauptet. Fakt ist dagegen, dass Gottesdienste, egal welcher Konfession, derzeit nicht stattfinden. Als es in einem Einzelfall vor einer Berliner Moschee im Rahmen des Freitagsgebets zu einer Versammlung kam, wurden Gebet und Versammlung von der Polizei aufgelöst.

2020 ohne Ramadan?

Für viele muslimische Gemeinden könnte die Corona-Krise existentielle Folgen haben. Denn die Spenden im Fastenmonat Ramadan sind eine wichtige Einnahmequelle für die Gemeindearbeit. Der Zentralrat fürchtet, dass durch die wegfallenden Spenden viele Gemeinden ganz geschlossen bleiben, auch nach der Pandemie.

Ob die Fastenzeit in diesem Jahr überhaupt stattfindet, ist noch unklar. Die vielen verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen entscheiden darüber unabhängig voneinander. Die iranische Staatsführung will den Rat von Ärzten befolgen, erklären offizielle iranische Medien. Und die oberste Autorität der sunnitischen Mehrheit der Muslime, die Gelehrten der ägyptischen Al-Azhar-Universität, machen ihre Entscheidung vom Rat der Weltgesundheitsorganisation, WHO, abhängig. Möglicherweise geht es den gläubigen Muslimen auf der Welt am Ende wie Millionen von Sportfans: 2020 müssen alle Großereignisse verschoben werden.

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