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Rammstein: Keine Ermittlungen gegen die Band in Litauen

Sabine Oelze mit Agenturen | Philipp Jedicke
26. Juni 2023

Laut Staatsanwaltschaft gibt es kein Verfahren gegen die Band Rammstein. Rund 100.000 Menschen protestieren in einer Petition gegen die geplanten Rammstein-Konzerte im Berliner Olympiastadion.

Till Lindemann ganz in Rot bei einem Auftritt am 2. Dezember 2022 in Toluca, Mexiko.
Rammstein-Sänger Till Lindemann bei einem Auftritt in Mexiko im Dezember 2022Bild: Carlos Santiago/ Eyepix Group/ZUMA

Am Freitag, 23.06.2023, bestätigte die Staatsanwaltschaft von Vilnius, dass sie keine Ermittlungen gegen die Band Rammstein oder andere Personen aufgenommen habe. Nach Prüfung der Informationen zur Klärung der Umstände des Vorfalls rund um das Rammstein-Konzert in Vilnius am 22. Mai diesen Jahres sei es "legitim und begründet", kein Verfahren einzuleiten. Nach dem Konzert hatte die junge Nordirin Shelby Lynn schwere Missbrauchs-Vorwürfe gegen die Band erhoben.

Die Prüfung der Polizei umfasste nach Angaben der Staatsanwaltschaft die Vernehmung Lynns und eines Zeugen. Auch sollen Daten und Dokumente analysiert worden sein. Laut Pressemitteilung seien "keine objektiven Tatsachenbeweise" ermittelt worden, die belegen würden, dass Lynn körperlicher oder seelischer Nötigung oder anderen Gewalttaten sexueller Art ausgesetzt war oder dass sie zum Gebrauch von Betäubungsmitteln gezwungen wurde oder bestohlen wurde. Gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft könne noch Berufung eingelegt werden.

Rammstein-Sänger Till Lindemann bei der Rammstein-Show Anfang Juni 2023 in Odense, DänemarkBild: Sebastian Dammark/Gonzales Photo/picture alliance

Shelby Lynn reagierte prompt auf Twitter: "Das ist wohl kaum eine Neuigkeit, was für eine große Überraschung, dass die Polizei von Vilnius sich weigert, zu ermitteln. Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Beschwerde nichts bringen würde. Berlin ermittelt weiter, und das ist der Fall, von dem ich als erstes hören möchte", schreibt sie.

Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Rammstein

Im Gegensatz zu Vilnius wurde in Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen Lindemann eingeleitet. Dies sei auf der Grundlage mehrerer Strafanzeigen geschehen, hieß es. Auf Anfrage der Deutschen Welle teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass noch nicht abzusehen sei, wann mit einer abschließenden Entscheidung zu rechnen ist.

Im Interview mit der Deutschen Welle erzählt Shelby Lynn, welche Konsequenzen ihre Schilderungen der Backstage-Party beim Rammstein-Konzert in Litauen hatten: "Es gab Kopfgelder auf mich und Todesdrohungen. Dinge wie  'Ich will dich finden und vergewaltigen' und 'Ich hoffe, du stirbst'. 'Lügner, Hure, Groupie, was erwartest du, wenn du so angezogen bist?'"

Inside Rammstein's 'Row Zero' system: Women speak out

09:49

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Shelby Lynn lässt sich von diesen Drohungen nicht einschüchtern: "Was mich interessiert, ist, dass diese Stimmen einmal wirklich gehört werden. Und wenn das bedeutet, dass ich die Person sein muss, die sich dem Ansturm des Hasses entgegenstellt, ist mir das egal."

Auch andere Frauen beschrieben in Interviews mit der Süddeutschen Zeitung und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), offenbar gezielt für Sex mit dem Sänger rekrutiert worden zu sein. Zwei Frauen berichteten zudem von mutmaßlichen sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Die Band wies die Darstellungen zurück.

Proteste in Berlin und Bern

Gleich drei Mal tritt Rammstein Mitte Juli im Zuge der diesjährigen Europa-Tournee in Berlin auf. Die lange im Voraus ausverkauften Konzerte werden überschattet von den Missbrauchs-Vorwürfen gegen Frontmann Till Lindemann. Zwei Petitionen, mittlerweile von rund 100.000 Menschen unterzeichnet, fordern: "Die Rammstein-Konzerte müssen abgesagt werden! Berlin darf nicht zum Ort für sexuellen Missbrauch werden! Wir feiern keine Täter." 

"Keine Show für Täter", so lautete auch ein Wunsch Protestierender der Rammstein-Konzerte von München im JuniBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

In der Schweiz haben am Samstag (24.06.) etwa 150 Menschen gegen zwei Konzerte von Rammstein im Berner Stadion demonstriert. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hielten Schilder mit Aufschriften wie "Keine Bühne für Täter" hoch und zeigten wartenden Fans der Band den Mittelfinger. Konzertbesucher buhten die Protestierenden aus, Polizisten trennten die beiden Lager.

Sänger und Band dementieren die Vorwürfe. Bundesfamilienministerin Lisa Paus nimmt sie ernst, will aber keine "Vorverurteilung" betreiben. Sie glaubt nicht, dass es sich bei den Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann um einen Einzelfall handelt. "Ohne Vorverurteilung im konkreten Fall: So wie ich die Diskussion wahrnehme, haben wir ein strukturelles Problem in der Konzertszene, über das nun endlich gesprochen wird", sagte sie der Boulevardzeitung "Bild am Sonntag". Paus sieht es als Aufgabe der Veranstalter an, "gerade junge Fans zu schützen".   

Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung fordert Konzertabsage

Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerte sich zur geforderten Absage: Er halte es "für fragwürdig, ob die geplanten Rammstein-Konzerte in Berlin im vom Land betriebenen Olympiastadion so stattfinden sollten", sagte Felix Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe am vergangenen Montag.

"Antidemokratische Diskriminierungen wie Antisemitismus, Frauenverachtung und Rassismus gehen oftmals Hand in Hand", so Klein weiter. "Wir sollten die betroffenen Frauen ernst nehmen, genauso wie wir Jüdinnen und Juden ernst nehmen sollten, wenn es um Antisemitismus geht", sagte er außerdem. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter verschoben werden, auch wenn das unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit geschieht."

Solidarität mit den mutmaßlichen Opfern

Der 60-jährige Rammstein-Frontmann Till Lindemann hat seine Anwälte hinzugezogen, die Unterlassungsaufforderungen verschickten. "So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von 'Rammstein' mithilfe von K.O.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr", ließen sie mitteilen.

Trotz der Proteste kamen zu den vier Rammstein-Konzertabenden im Juni 2023 über 240.000 Menschen ins Münchener OlympiastadionBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Frauen, die nun Post von Lindemanns Anwälten erhalten, bekommen prominente Unterstützung. Damit die mutmaßlichen Opfer nicht von den Anwaltskosten eingeschüchtert werden, rufen YouTuber Rezo, die Schauspielerin Nora Tschirner oder die Comedian Carolin Kebekus auf Instagram zu Spenden auf. "Damit hier im Ansatz eine Chancengleichheit herrscht", so Nora Tschirner.

Nutzen Stars systematisch ihre Machtposition aus?

Der Fall Rammstein deckt nach Ansicht von Paus ein grundlegendes Problem auf: "Einige öffentliche Veranstaltungen sind nicht so organisiert, dass Frauen und Mädchen sich wirklich sicher fühlen können." Es gebe "Stars, die ihre Machtposition gegenüber Frauen ganz klar missbrauchen". Dies müsse sich beides ändern, forderte die Ministerin. Auch wenn eine Absage des Konzerts unwahrscheinlich ist - so gab es etwa auch gegen den unter Antisemitismusverdacht stehenden Sänger Roger Waters Petitionen, dennoch ging Waters auf Tournee -, steht zumindest fest, dass es in Berlin keine Aftershowpartys von Rammstein geben wird, wie Berlins Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger mitteilte.

Die Kritik kratzt indes nicht am Erfolg der Band Rammstein: In den jüngsten Album-Charts Top 100 ist sie wieder mit sechs ihrer bisher acht Studioalben vertreten, alle konnten deutlich hinzugewinnen.

Dieser Artikel wurde am 26.06.2023 aktualisiert.

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