Feurige, provokante Bühnenshows - dafür sind die deutschen Brachial-Rocker von Rammstein bekannt. Der Regisseur Jonas Åkerlund hat zwei ihrer Auftritte in Paris begleitet. Jetzt kommt die Doku ins Kino.
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Rammstein fackeln die Leinwände ab
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2012 gab die Band zwei Konzerte in Paris. 30 Kameras haben die Gigs gefilmt, aus allen Winkeln. Regisseur Jonas Åkerlund hat die Szenen zu seinem abendfüllenden Kinofilm zusammengesetzt - mit allem, was das Herz des Rammstein-Fans begehrt: Musik, Feuer und Geknalle, beeindruckende Porträts und Zeitlupen mit Gänsehautfaktor. "Rammstein: Paris" ist mehr als nur ein Konzertfilm - Åkerlund hat versucht, sich komplett in den Zuschauer hineinzuversetzen; dazu zählt nicht nur das Abfeiern der Band, sondern auch die Spannung vor dem Konzert, das Warten in der Halle, bis die Band die Bühne betritt und losballert.
Nach "Rammstein in Amerika" (2015) ist dies nun die zweite Kino-Doku über die Truppe. Weltweit startet der Film am 23. März 2017. Er wird den Fans die Wartezeit bis zum nächsten Album verkürzen - es sei in Arbeit, heißt es, aber wann es kommt, ist noch ungewiss. Dafür gibt es ein paar große Livekonzerte in diesem Jahr, unter anderem bei den großen Festivals Rock am Ring und Rock im Park am Pfingstwochenende.
Rammstein - die dunklen Götter des Rock'n'Roll
Die deutschen Schockrocker sind Headliner auf den größten Festivals weltweit. Seit 1994 stehen sie für Texte ohne Tabus.
Bild: picture alliance/dpa/Str/epa
Der Musik gewordene Albtraum
Rammstein haben es geschafft, alles in ihrer Musik zu vereinen, was Menschen unglücklich machen kann: Bei ihnen geht es um Gewalt, Ekel, Mordphantasien, Kannibalismus, Horror. Grenzüberschreitung als purer Genuss. Sie kennen keine Tabus. Die Provokation wird gefeiert. Von der Band und ihren Fans. Rammstein sind einzigartig - und sie sind Weltstars.
Bild: picture alliance/dpa/Str/epa
Die Söhne des Ost-Punk
Die Bandmitglieder stammen aus Ostberlin und Schwerin. Ihre musikalischen Wurzeln: Punk und Underground der DDR. Flake Lorenz (keyb) und Paul Landers (git) spielten u.a. bei "Feeling B.", Sänger Till Lindemann und Richard Kruspe (git) bei "First Arsch", Oliver Riedel (bs) war bei der Speed-Folk-Truppe "The Inchtabokatables", und Christoph Schneider trommelte bei "Die Firma".
Bild: Universal
Der Schein trügt
Eigentlich sehen die Jungs doch ganz nett aus. 1995, als dieses Foto entstand, gab es die Band erst seit einem Jahr. Die erste LP "Herzeleid" war draußen und kam mit schaurigen Texten daher. Kindesmissbrauch ("Weisses Fleisch") und Nekrophilie ("Heirate mich"), alles in härteste Gitarrenriffs, ein gnadenloses Schlagzeug und knackigen Elektrosound verpackt. Platz 6 in den deutschen Albumcharts.
Bild: Pressefoto
"Gott weiß, dass ich kein Engel bin"
1997 kam der Durchbruch mit "Engel". Das Video dazu lief auf MTV und Viva rauf und runter. Inspiriert war es vom Tarrantino-Schocker "From Dusk Till Dawn". Das zweite Album "Sehnsucht" erhielt Platin. Nicht nur in Deutschland. Auch in den USA gab es Edelmetall für eine Million verkaufte Platten. Dort sind Rammstein vor allem mit dem Soundtrack zum David-Lynch-Film "Lost Highway" durchgestartet.
Bild: Paul Brown
Im Hawaiihemd gegen Fremdenhass
Sind sie nicht putzig? Als Surfboys mit hübschen Bikinimädchen stehen Rammstein am kalifornischen Strand und singen über das Fremde, das nirgendwo willkommen ist. Die fröhlichen Bilder beißen sich mit dem harten schnellen Industrial-Beat. Am Ende des Clips zu "Mein Land" (2011) endet die bonbonfarbene Beachparty wieder im gewohnten Rammstein-Look mit Feuer und bösen Gesichtern.
Bild: Universal
Gemeinsam haben sie nur das rollende "r"
Als der deutsche Volksmusikstar Heino ins Rockfach wechselte, coverte er bekannte deutsche Rock- und Popsongs. Darunter Rammsteins "Sonne". Rammstein holten Heino 2013 auf die Bühne von Wacken. Vor 75.000 Metallern, umgeben von Flammen und und Rauch, trug Heino den Song mit Rammstein zusammen vor. Und wirkte leicht erschreckt. Die Zeitung "Metal-Hammer" twitterte damals: "Wusste Heino, wo er ist?"
Bild: picture-alliance/dpa
Zum zweiten Mal Leinwandhelden
Am 24. September 2015 feierte der erste Rammstein-Konzertfilm aus dem New Yorker Madison Square Garden zusammen mit der Doku "Rammstein in Amerika" Kinopremiere. Die dazu gehörige DVD eroberte in 13 Ländern Platz 1 der DVD-Charts. Mit den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland knackten Rammstein vier der fünf größten Musikmärkte der Welt.
Bild: picture-alliance/Eventpress
Siebtes Album "Rammstein" mit einem weiteren Tabubruch
Am 17. Mai 2019 erschien das erst siebte Studio-Album - dafür hatten die Rammstein-Musiker es vor der Veröffentlichung ordentlich medial krachen lassen. Ein Video, das den Holocaust thematisiert - und schon waren Rammstein in aller Munde.
Drei Jahre nach dem letzten Album kommt im April 2022 das achte Studio-Album "Zeit". Die Single "Zick Zack" thematisiert den Schönheitswahn. Für die Werbekampagne im Netz hat die Band ihre Musiker ordentlich "photoshoppen" lassen. Ab Mai 2022 geht's mit dem neuen Album im Gepäck nach zweimaliger Verschiebung endlich auf Europa- und Amerika-Tour.
Bild: rammsteinofficial/instagram
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Lange Bandgeschichte
Es gibt kaum etwas, das noch nicht über diese Band geschrieben worden ist. Dass Sänger Till Lindemann auch mal eine Tischler- und Korbmacherlehre gemacht hat. Dass er auch fast für die DDR-Schwimmmannschaft 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau angetreten wäre. Dass es erst sechs Studio-Alben, zwei Live-Alben und eine Best-of Platte gibt. Dass alle Bandmitglieder ganz liebe und nette Menschen sind, mit Familie und Enkelkindern. Dass die sechs Musiker aus der DDR-Punk- und Undergroundszene stammen und in Bands mit Namen wie "First Arsch" gespielt haben.
Rammstein: Erschreckt und provoziert
Wer richtig hingeguckt und -gehört hat, muss mitbekommen haben, dass das komplette Bandkonzept von Rammstein darauf ausgerichtet war (und ist), den Rest der Welt zu erschrecken und zu provozieren. Keine Band kann das so wie Rammstein, mit eiskalten, knallharten Beats, peitschenden Gitarrenriffs, einer martialischen Bühnenshow, während der es fast ununterbrochen irgendwo knallt und brennt. Den Rest besorgt Till Lindemanns Gesang, der so "deutsch" klingt wie die knarzende Sprache, die uns bestens aus Film- und Tondokumenten aus dem Nationalsozialismus bekannt ist.
Es war und ist nicht immer ganz einfach, hinter dem Auftreten von Rammstein nur Gutes zu vermuten. Dass Rammstein ganz und gar nicht rechts sind, hat die Band schon 2001 mit dem Song "Links 2-3-4" klargestellt. in einem späteren Interview mit der Zeitung "Die Welt" meinte Gitarrist Richard Kruspe, sie seien viel zu schlau, um rechts zu sein.
Die Abgründe des menschlichen Gehirns
In den Texten von Till Lindemann geht es oft um Psychologie - um die Abgründe des menschlichen Bewusstseins: Inzest, Pädophilie, Nekrophilie. Wenn Lindemann darüber singt, wie jemand einmal im Jahr seine tote Frau ausgräbt, um mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben, ist das sicherlich harter Tobak.
Sadomasochismus und Unterwerfung sind ebenso Bestandteile der Texte wie auch Sehnsüchte: nach dem Tod oder nach Liebe. Leisere Töne gibt es zwar seltener, aber sie kommen auch im Rammstein-Repertoire vor. Für Fans ist der Song "Seemann" aus dem ersten Album "Herzeleid" ein Rammstein-Klassiker, der Gänsehaut verpasst: düster-romantische Lyrik, von Lindemann fast zärtlich vorgetragen. Das Stück wurde 2003 von Nina Hagen und Apocalyptica gecovert.
Die Band: ein eingeschworenes Team
Ob laut oder leiser, ob Schocker oder Ballade: In mehr als 20 Jahren Bandgeschichte sind sich Rammstein treu geblieben. Die sechs Musiker scheinen unzertrennlich. Gitarrist Richard Kruspe meint, dass das deswegen geht, weil sie viel miteinander reden: "Bestimmt 70 Prozent der Zeit, die wir zusammen sind, quatschen wir." Auch Gitarrist Paul Landers fühlt sich pudelwohl: "Wir spielen auf der ganzen Welt. Wir sind immer ausverkauft, es macht viel Spaß - ich wüsste nichts Besseres."