Rasenschach bei der WM in New York
13. November 2016"Eine interessante Schachpartie erkennt man oft daran, dass Amateure sie für uninteressant halten!" mit diesem Spruch meldete sich kurz nach Beginn der zweiten Runde der frühere Schachweltmeister Gary Kasparow über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort. Der Ex-Champion kommentierte so die bisher eher zurückhaltende Partieanlage der beiden Kontrahenten im WM-Titelkampf. Vorsichtiges Abtasten, statt wildes Angreifen lautete die Devise. Fußballer würden das Geschehen in New York wohl als "Rasenschach" bezeichnen. Nicht allen Schachfans gefällt diese Spielweise. Doch sowohl Weltmeister Carlsen auch als sein Herausforderer Karjakin hatten sich vorgenommen, die schachliche Brechstange diesmal noch nicht auszupacken.
Kontrollierte Offensive
Bei so viel Friedfertigkeit war es kein Wunder, dass sich die Partie am Samstag (12.11.2016) schnell auf die zweite Punkteteilung zubewegte. "Das ist völlig normal in einem WM-Kampf", kommentierte Carlsen das Remis im 33. Zug. Sein Gegner aus Russland versprach mit Blick auf Zuschauer in der Pressekonferenz: "Wir werden noch einige unterhaltsamere Partien in den nächsten Tagen spielen".
Dass Carlsen und Karjakin noch nicht alles auf eine Karte setzen, hat auch mit dem Austragungsmodus zu tun. Der Titelkampf geht bis zum 30.November über zwölf Partien. Sieger ist, wer als erster 6,5 Punkte erzielt. Eine frühe Niederlage könnte schon eine Vorentscheidung bedeuten, deshalb setzen die beiden Großmeister erst einmal auf kontrollierte Offensive. Beim Schach gibt es für einen Sieg einen Punkt, die im Spitzenschach häufigen Unentschieden werden mit einem halben Punkt bewertet.
Karjakin lauert auf seine Chance
Schon nach zwei Runden zeigt sich in New York, dass die Experten recht behalten: Der russische Herausforderer Karjakin, ein immer freundlich und zurückhaltend auftretender junger Mann, ist nicht zu unterschätzen. Bestens vorbereitet vom russischen Schachverband lauert er auf seine Chance gegen den favorisierten Magnus Carlsen. Der Norweger hatte schon vor dem Start der WM mit einem zähen Ringen gerechnet: "Ich werde ihn so lange beharken bis er umkippt!", hatte Carlsen angekündigt. Nach Runde zwei steht fest: Der Champion wird seine ganze Schachkunst aufbringen müssen, um den WM-Titel erfolgreich zu verteidigen.