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Rassismus im Stadion - wenn Fußballer beleidigt werden

Stefan Nestler
19. August 2025

Mehrere Vorfälle in der ersten Runde des DFB-Pokals zeigen: Trotz aller Bemühungen von Fußballbund, Vereinen und Fangruppen lässt sich Rassismus offenbar nicht komplett aus den deutschen Stadien verbannen.

 Christopher Antwi-Adjei im Schalker Trikot während des DFB-Pokalspiels in Leipzig
Christopher Antwi-Adjei wurde im DFB-Pokalspiel in Leipzig rassistisch beschimpftBild: Kroeger/RHR-FOTO/IMAGO

"Der organisierte Sport ist aufgerufen, sich aktiv gegen Rassismus im Sport zu stellen und Strukturen für die Prävention und Bekämpfung zu schaffen", forderte die damalige Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Integration und Anti-Rassismus, Reem Alabali-Radovan 2023 in ihrem Lagebericht "Rassismus in Deutschland. Es sei dringend geboten, dass sich "auch die Gesellschaft insgesamt dieser Problematik stärker annimmt, klar Stellung bezieht und Rassismus im Sport entgegenwirkt", schrieb die SPD-Politikerin, die heute das Entwicklungsministerium leitet.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte ebenfalls 2023 in einer Studie darauf hingewiesen, dass "rassistische Einstellungen vor allem im Fußball virulent sind". Die erste Runde des DFB-Pokals, für die Bundesligisten das erste Pflichtspiel der neuen Saison, sorgte mit zwei Rassismus-Vorfällen für internationale Schlagzeilen.

Was ist geschehen?

Im DFB-Pokalspiel des Zweitligisten FC Schalke 04 beim ostdeutschen Viertligisten Lok Leipzig wurde der schwarze Gäste-Spieler Christopher Antwi-Adjei von der Tribüne aus mit dem N-Wort [rassistische Bezeichnung für Schwarze - Anm. d. Red.] beschimpft. Er meldete den Vorfall, daraufhin wurde das Spiel unterbrochen. Im weiteren Spielverlauf wurde Antwi-Adjei von Leipziger Fans bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. 

Anders fiel die Reaktion der Fans auf einen Vorfall bei einem Pokalspiel in Potsdam aus. Nachdem ein Spieler des Gästeteams 1. FC Kaiserslautern rassistisch beleidigt worden war, halfen andere Zuschauende dabei, drei Täter zu identifizieren. Beide Fanlager skandierten gemeinsam "Nazis raus!". Darüber hinaus gab es rassistische Attacken in den sozialen Medien gegen Nationalspieler Nadiem Amiri und seinen Teamkollegen Arnaud Nordin vom FSV Mainz 05 sowie Kelsey Owusu von Rot-Weiss Essen. 

Sogar Gianni Infantino, Präsident des Fußball-Weltverbands FIFA, schaltete sich ein. Die beiden Vorfälle in Leipzig und Potsdam seien "untragbar" und "entsetzlich", sagte Infantino. Er forderte, dass die Geschehnisse konsequent aufgearbeitet und die Täter bestraft werden müssten. Das zuständige FIFA-Gremium werde sich mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Verbindung setzen und die Vorfälle weiterhin genau beobachten.

Ist es ungewöhnlich, dass sich Infantino zu Wort meldet?

Nein, der FIFA-Boss hat den Kampf gegen Rassismus im Fußball zur Chefsache erklärt. Infantino schaltete sich auch nach den rassistischen Anfeindungen gegen den ghanaischen Stürmer Antoine Semenyo vom englischen Klub AFC Bournemouth am vergangenen Samstag im Premier-League-Spiel in Liverpool ein.

Auch bei früheren rassistischen Vorfällen in der spanischen oder auch der italienischen Liga hatte er sich zu Wort gemeldet.

"Geldstrafen für Klubs, Punktabzüge für Teams und Stadionverbote für Fans sind alles, was wir tun können", sagte Infantino anlässlich einer UN-Veranstaltung in Wien im vergangenen Mai. Der Fußball alleine könne das Problem aber nicht lösen.

Wie reagiert der DFB?

Der mit über acht Millionen Mitgliedern größte nationale Einzelsport-Verband der Welt leitete Ermittlungen durch den DFB-Kontrollausschuss ein. Das Gremium überwacht, ob alle Statuten und Rechtsvorschriften des DFB eingehalten werden und erhebt bei Verstößen Anklage vor dem DFB-Sportgericht.

"Rassismus und Diskriminierung, Hass und Ausgrenzung haben im Fußball keinen Platz. Wir stehen für Vielfalt und Respekt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf und verwies auf zahlreiche DFB-Initiativen gegen Rassismus und Diskriminierung. So gebe es in jedem regionalen DFB-Verband eine Anlaufstelle, die Opfer von Rassismus oder Diskriminierung im Fußball unterstützten. 

Wie ist das Verfahren bei einem rassistischen Vorfall im Spiel?

Das dreistufige Programm der FIFA lautet: Pause - Unterbrechung - Abbruch. Stellt der Schiedsrichter einen rassistischen Vorfall fest, unterbricht er das Spiel. Die Zuschauer werden über den Grund informiert und aufgefordert, ihr Fehlverhalten zu beenden. Geschieht dies nach Wiederaufnahme des Spiels nicht, unterbricht der Referee die Partie und schickt die Teams in die Kabinen. Das Publikum wird informiert, dass die Partie abgebrochen wird, sollten die rassistischen Anfeindungen weitergehen. Sollte dies nach dem Wiederanpfiff der Fall sein, beendet der Referee das Spiel endgültig.

Im Dezember 2021 wurde das Spiel Duisburg gegen Osnabrück wegen einer rassistischen Beleidigung abgebrochenBild: Revierfoto/dpa/picture alliance

Im Dezember 2021 wurde mit der Drittliga-Partie zwischen dem MSV Duisburg und dem VfL Osnabrück erstmals ein Profispiel in Deutschland wegen eines rassistischen Vorfalls abgebrochen. In der ersten und zweiten Bundesliga gab es bislang noch keinen Spielabbruch wegen Rassismus.

Wie häufig werden Fußballer in Deutschland rassistisch beleidigt?

Das ist nicht genau zu sagen, weil nicht alle Fälle gemeldet und damit erfasst werden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass häufig in Statistiken Rassismus und andere Formen der Diskriminierung wie Sexismus oder LGTBQ+-Beschimpfungen zusammen erfasst werden und nicht getrennt.

Der DFB veröffentlichte vor etwa einem Jahr letztmals einen Lagebericht zum deutschen Amateurfußball. Danach gab es in der Saison 2023/24 bei rund 1,5 Millionen Spielen der Amateurklassen etwa 900 Spielabbrüche wegen Gewalt und/oder Diskriminierung. Das entsprach 0,07 Prozent aller Partien. Insgesamt meldeten die Schiedsrichter rund 2500 Spiele mit Diskriminierungsvorfällen, das machte 0,2 Prozent aller Partien. Tendenz fallend, so der DFB.

In deutschen Stadien gibt es immer wieder Aktionen gegen RassismusBild: Marco Steinbrenner/DeFodi Images/picture alliance

Ein etwas differenziertes Bild ergab eine Analyse der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland. Dort gingen 2023 insgesamt 762 anonyme Meldungen von Betroffenen zu den verschiedenen Diskriminierungsformen ein, mehr als die Hälfte kamen aus dem Profibereich.

46 Prozent der Fälle (etwa 350) bezogen sich auf Sexismus, 29 Prozent (220) auf Rassismus. Die Organisation verweist auf eine möglicherweise hohe Dunkelziffer, da diskriminierte Fußballerinnen oder Fußballer die Vorfälle nicht unbedingt meldeten.

Was sagen die Fanvertretungen?

Zahlreiche Fanklubs und Fan-Organisationen engagieren sich seit langem gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, häufig zusammen mit dem DFB und den jeweiligen Vereinen.

Fälle wie die jüngsten im DFB-Pokal ließen sich leider trotzdem nicht ganz ausschließen, sagte Jost Peter, der Vorsitzende des Fan-Bündnisses "Unsere Kurve". "Es ist schon bedenklich, dass es immer wieder im Fußball vorkommt und in anderen Sportarten nicht in diesem Maße."

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