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Ratingagentur stärkt Mexikos Präsidenten

Andreas Knobloch, Mexiko-City14. Februar 2014

Schwellenländer in Turbulenzen: Da kommt die Heraufstufung Mexikos durch Moody's und andere Ratingagenturen überraschend. Denn die makroökonomischen Daten sind alles andere als berauschend.

Symbolbild - mexikanischer Peso
Bild: picture-alliance/AP

Ein wenig überraschend war es schon, als in der vergangenen Woche die Ratingagentur Moody's, eine der führenden weltweit, die Kreditwürdigkeit Mexikos um eine Stufe von Baa1 auf A3 erhöhte. Positiv bewertet wurden die im vergangenen Jahr verabschiedeten Reformen, die ein größeres Wirtschaftswachstum sowie eine solide Steuerpolitik erwarten lassen, was wiederum erlaubt, größere Geldreserven anzulegen. Den Ausblick bezeichnet Moody's als stabil. Neben Chile (Aa3) ist Mexiko damit das einzige lateinamerikanische Land mit einem A-Rating.

Zuvor hatte bereits Ende Dezember Standard & Poor's (S&P) Mexikos Rating auf BBB+ angehoben; Fitch hatte diesen Schritt im Mai 2013 vollzogen (von BBB- auf BBB), in einer Stellungnahme Ende vergangener Woche aber mitgeteilt, vor einer weiteren Einschätzung wolle man zunächst die Auswirkungen der Strukturreformen abwarten. Die Aufwertung durch Moody's dagegen ist vor allem Ausdruck einer positiven Erwartungshaltung. "Die Entscheidung, die Kreditwürdigkeit [Mexikos] anzuheben, wurde getroffen wegen der Verabschiedung der Strukturreformen im vergangenen Jahr, die das Potenzial wirtschaftlichen Wachstums stärken und robustere Steuereinnahmen versprechen", hieß es in der Mitteilung der Agentur.

Setzt auf Reformen: Mexikos Präsident Enrique Pena NietoBild: Reuters

Strukturreformen als Plus

Im ersten Amtsjahr hatte die Regierung Peña Nieto mit den Stimmen der Opposition eine Reihe von Strukturreformen beschlossen, unter anderem die Liberalisierung des Telekommunikationssektors, um die bestehenden Monopole bei Telefonie und Fernsehen aufzubrechen; eine Finanzreform, die für mehr Wettbewerb im Bankensektor sorgen soll, mit dem Ziel, die Kreditvergabe vor allem an kleine und mittlere Unternehmen anzukurbeln; und vor allem die Öffnung des Energiesektors für private Kapitalbeteiligungen, ein Tabu seit der Nationalisierung durch Präsident Cárdenas 1938.

"Wir sehen die Reform als einen radikalen Wandel. Gleichzeitig wissen wir, dass die wirklichen Auswirkungen erst mittelfristig eintreten werden", erklärte Moody's-Kreditanalyst Mauro Leos-López gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Nach mehreren gescheiterten Anläufen in den vergangenen 20 Jahren während der drei Vorgängerregierungen ist die kürzliche Verabschiedung des Reformpaketes Ausdruck der Bereitschaft und der politischen Handlungsfähigkeit der Regierung", so Moody's in dem Kommuniqué weiter. Trotz des Widerstandes bestimmter Sektoren zeige die Annahme der Reformen, dass in Mexiko ein ausreichender politischer Konsens bestehe, Vereinbarungen zu treffen und einen Wandel in Gang zu setzen, um Hindernisse auszuräumen, die einer Aufwertung der Kreditwürdigkeit Mexikos bisher im Wege standen.

Freihandel: Lateinamerikanische Pazifik-Allianz

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Laut Leos-López werden die Investoren aber nicht allein aufgrund einer besseren Beurteilung der Kreditwürdigkeit nach Mexiko kommen, entscheidend sei die Realwirtschaft. "Aber ein besseres Rating ist etwas, das den Eindruck stärkt, dass es in Mexiko im Gegensatz zu anderen Schwellenländern Reformen durchgeführt werden und das kann ein Anziehungsfaktor sein.“ Das mexikanische Finanzministerium begrüßte das bessere Rating, von dem die Wirtschaft durch niedrigere Kreditkosten profitieren werde. "Die Hochstufung erhöht die Attraktivität Mexikos als Investitionsstandort und stärkt die günstige Wahrnehmung von Mexiko auf den internationalen Märkten." Endlich positive Nachrichten für das Land, das ansonsten vor allem mit ausufernder Gewalt und Drogenhandel in Verbindung gebracht wird. Während Schwellenländer wie Brasilien, Türkei, Indonesien, Südafrika oder Indien zuletzt eher Negativschlagzeilen schrieben und von den Ratingagenturen zunehmend skeptischer bewertet werden - seit Dezember haben Investoren massiv Gelder aus Aktienfonds der Schwellenländer abgezogen - könnte Mexiko, nicht zuletzt durch die Verbesserung seiner Kreditwürdigkeit, an Attraktivität für Investoren gewinnen.

Für Mexiko sprechen zudem sein starker Exportsektor, der Einnahmen vor allem in US-Dollar erwirtschaftet, was die Abhängigkeit von Turbulenzen der einheimischen Währung verringert, sowie eine verhältnismäßige politische Stabilität. Ausdruck dessen ist der relativ reibungslose Machtwechsel von der "ewigen Regierungspartei" PRI zur PAN und zurück. Während des kürzlich zu Ende gegangenen Weltwirtschaftsforums in Davos beispielsweise kündigten multinationale Unternehmen wie Pepsico, Nestlé oder Cisco Systems Investitionen in Mexiko im Wert von mehr als sieben Milliarden US-Dollar an.

Der mexikanische Moment

Größte deutsche Investition: Das VW-Werk in PueblaBild: picture-alliance/dpa

In der Wirtschaftspresse ist seit einiger Zeit vom "mexikanischen Moment" die Rede. Die mexikanische Wirtschaft könnte nun endlich durchstarten. Ein Durchstarten war aber auch schon nach dem Beitritt des Landes zum Freihandelsabkommen NAFTA mit den USA und Kanada vor zwanzig Jahren erwartet worden war und hat sich nie erfüllt. Die Rede vom "mexican moment" sei deshalb mit Vorsicht zu genießen, so einige Analysten. Nicht wenige halten die Aufwertung der Kreditwürdigkeit für verfrüht, denn die mexikanische Realität habe sich nicht geändert. Zudem müssten die sogenannten nachgeordneten Gesetze abgewartet werden, die die Details der Strukturreformen regeln. "Das größte Risiko ist, das die nachgeordneten Gesetze den Markt enttäuschen und es nicht schaffen, das nötige Kapital anzuziehen", so der Wirtschaftsanalyst von Vector Casa de Bolsa, Luis Adrián Muñiz, gegenüber der mexikanischen Tageszeitung El Universal.

In der Tat kam die Aufwertung durch Moody's ein wenig überraschend, denn die makroökonomischen Daten sind in der Tat alles andere als berauschend. Noch Anfang Dezember hatte CNN nach einem Bericht durch die Ratingagentur Standard & Poor's getitelt: "Mexiko bremst die Wirtschaft in Lateinamerika". Grund war, dass das Wirtschaftswachstum des Landes 2013 mit 1,3 Prozent geringer ausgefallen war als erwartet. Die mexikanische Regierung hatte 3,5 % prognostiziert und musste die Erwartungen im Laufe des Jahres viermal nach unten schrauben.

Ratings lösen Probleme nicht

Neben der dem Investitionsklima abträglichen (Un-)Sicherheitslage aufgrund der Gewalt im Kontext des Drogenkrieges wurden als Gründe gesunkene Exporte (vor allem in die USA - die durch NAFTA noch verstärkte große Abhängigkeit vom Nachbarn im Norden ist Segen und Fluch zugleich) sowie die restriktive Ausgabenpolitik der Regierung genannt. Dies habe zur Unsicherheit in der Wirtschaft sowie bei privaten Haushalten geführt. Die Konsumbereitschaft wurde gebremst. So sank der Verbraucherindex laut Bloomberg im letzten Monat um 15 Punkte (von 99 auf 84,5). Hinzu kommt, dass Mexiko in 2013 Mexiko mit 3,8 Prozent eine der höchsten Inflationsraten unter den OECD-Staaten aufwies, nur übertroffen von der Türkei (7,5) und Island (3,9). Zwar wurden im vergangenen Jahr mehr als 460.000 Arbeitsplätze geschaffen, dies aber ist der schlechteste Wert seit 2009. Ein Problem ist zudem der weiterhin bestehende riesige informelle Sektor.

Der Direktor des Instituts für Industrielle Entwicklung und Wirtschaftliches Wachstum, José Luis de la Cruz, erklärt denn auch mit Blick auf Moody's: "Die Ratings bewerten nicht die Realität der sozioökonomischen Probleme des Landes, Faktoren wie Armut, Arbeitslosigkeit oder prekäre Löhne bleiben außen vor. Hoffen wir, dass die Annahmen, aufgrund derer das Rating angehoben wurden, nicht irgendwelchen Interessen gehorchen." Genau hier aber liegt das Problem: Agenturen wie Moody's oder S&P messen auf einer Skala die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls bzw. der Nicht-Einhaltung von Zahlungsfristen, schaffen also einen Index für Investoren, der das Vertrauen der Märkte abbildet. Armut, Arbeitslosigkeit oder geringe Löhne müssen da kein Widerspruch sein, denn bewertet wird das Investitionsklima - und das ist in Mexiko in der Tat vielleicht besser denn je, denn im Zuge der Strukturreformen wurden auch Arbeitnehmerrechte und der Einfluss der Gewerkschaften weiter beschnitten. Oder wie der mexikanische Journalist und Kolumnist Raymundo Riva Palacio in einem anderen Zusammenhang schrieb: "Die Indexe zu verbessern bedeutet nicht, die Probleme zu lösen."

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