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Raub und Restitution

Cornelia Rabitz / Ba27. Januar 2009

Noch immer steckt die Suche nach Kulturgütern, die jüdischen Eigentümern von den Nationalsozialisten geraubt wurden, in den Anfängen. Höchste Zeit, endlich die nötige Detektivarbeit zu leisten

Geraubt: Dieses Gemälde von Otto Mueller gehörte dem Kunstsammler Ismar LittmannBild: Kunsthalle Emden

Im Dezember 1998 beschlossen Vertreter von 44 Staaten auf einer Konferenz in Washington, dass enteignetes oder geraubtes jüdisches Kulturgut an die einstigen Eigentümer oder ihre Erben zurückgegeben werden muss. Die Museen wurden aufgefordert, ihre Bestände zu durchforsten. Bis heute aber weiß man nicht genau, wie viele gestohlene Gemälde, Bücher oder Kultobjekte sich in Museen, Depots oder im Privatbesitz befinden. Auf einer Tagung im Jüdischen Museum Berlin zum Abschluss der Ausstellung "Raub und Restitution" machten Experten nun deutlich, dass bei der Erforschung des Themas Raubkunst ein neues Kapitel aufgeschlagen werden muss. Zu lange habe sich das öffentliche Interesse auf Millionen Dollar teure Bilder oder Sammlungen konzentriert, sagt etwa Wesley Fisher von der Jewish Claims Conference in New York. Dies seien nur spektakuläre Einzelfälle. Darum drängt er darauf, zuerst zu identifizieren, wo all die Besitztümer von jüdischen Gemeinden und Familien sind: "Es ist sehr viel verloren", beklagt Fisher: "Wir beschäftigen uns besonders mit religiösen Objekten, Thorarollen, Kultgegenständen, aber es geht auch um Archive und Bibliotheken säkularer jüdischer Organisationen."

Suchen, sammeln, sichten

Nicht nur Gemälde wurden geraubt: Dieses Cembalo von 1633 gehörte der Pianistin Wanda Landowska. Es wurde 1940 vom Sonderstab Musik des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg beschlagnahmtBild: Musée des Instruments de Musique

Wer so viele Jahre nach Kriegsende geraubtem jüdischem Besitz auf die Spur kommen will, um die Objekte den Erben zurückzugeben, muss regelrecht Detektivarbeit leisten. Museumsmitarbeiter durchforsten Kataloge und überprüfen Auktionen. Juristen, Wissenschaftler und jüdische Institutionen suchen, sammeln, sichten. Das aber ist schwierig unter den heutigen Gegebenheiten, erklärt Wesley Fisher von der Claims Conference, da viele dieser Objekte sich auf dem Kunstmarkt befinden und von Antiquitätenhändlern gehandelt werden: "Viele Dinge sind auch auf dem Schwarzmarkt, das heißt, Objekte aus Osteuropa werden angeboten, und sie sind ganz offensichtlich aus staatlichen Depots entnommen. Wir möchten das so weit wie möglich stoppen."

Die Jewish Claims Conference hat daher einen Katalog geraubter Judaica zusammengestellt, der als Datenbank im Internet verfügbar sein soll. Europaweit wollen jüdische Museen und Wissenschaftler jetzt bei der Suche zusammenarbeiten. Das sei zwar ein Fortschritt bei einem Thema, das in Osteuropa bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion tabuisiert wurde, meint Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin. Sie sieht heute in vielen dieser Länder eine größere Bereitschaft, Gegenstände zurückzugeben, "aber oft scheitert es in einzelnen Staaten daran, dass Kunstwerke als nationaler Besitz gewertet werden und die Objekte das Land nicht verlassen können."

Bürokratische Blockaden

1945: Amerikanische GI's transportieren Kunstwerke aus einem NS-RaubkunstdepotBild: National Archives, Washington

So erging es dem Jüdischen Museum in Prag. Es hatte in langwieriger Arbeit Angehörige eines von den Nazis ermordeten Kunstsammlers in den USA ausfindig gemacht. Kuratorin Michaela Sidenberg berichtet von dieserm Fall, der zunächst einfach nach einem Akt der Gerechtigkeit aussah. Am Ende aber habe sie erlebt, wie wichtig es für die Familie war, ihre Wurzeln wieder zu finden, von denen sie vorher gar nichts wusste: "Es war so etwas wie der Neubeginn ihrer Identität." Aber nur ein Teil der Sammlung konnte den Erben in den USA zurückgegeben werden: 13 Bilder sind in Prag verblieben und mit Exportverbot belegt.

Bürokratische Hürden, Desinteresse und mangelnder politischer Wille haben aber auch im westlichen Europa die Forschung zum Thema Raubkunst und deren Rückgabe über lange Zeit blockiert. Cilly Kugelmann vom Jüdischen Museum Berlin plädiert jetzt dafür, den Sachverstand von Wissenschaftlern und Experten zu bündeln - jenseits der Politik: Sie drängt darauf, dass Museen anfangen müssen, umfassende Provenienzforschung zu betreiben - "selbst wenn es nur darum geht, dass man die Geschichte sichert, auch wenn der Gerechtigkeit nicht Genüge getan werden kann."

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