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Rauchen hilft

Klaudia Prevezanos7. Oktober 2002

Philip Morris soll die bislang höchste Entschädigung an eine kranke Raucherin zahlen. Doch trotz Prozesswelle hat bisher noch kein Kläger Geld gesehen. Der Konzern wechselt derweil das Image.

Wer lange genug raucht, kann einen Zigarettenkonzern verklagenBild: AP

Die US-Tabakindustrie ist nicht zimperlich, wenn es um ihre Interessen geht. Das ist spätestens seit dem Fall von Jeffrey Wigand bekannt, auf dessen Geschichte der Film "The Insider" basiert. Russell Crowe spielt darin den 1993 entlassenen Forschungsleiter der Tabakfirma Brown & Williamson, der geheime Papiere aus dem Labor schmuggelt, um zu beweisen, dass Zigarettenkonzerne schon lange wissen, dass ihre Produkte süchtig machen. Seine ehemaligen Arbeitgeber ließen Wigand daraufhin mit lebensbedrohlichen Methoden unter Druck setzen. Sie schienen sich ihrer Sache sicher zu sein, denn im Frühjahr 1994 schworen die Bosse der fünf größten US-Tabakkonzerne vor dem Kongress, ihnen lägen keinerlei Hinweise vor, dass Nikotin abhängig mache.

Seitdem haben zahlreiche Raucher Prozesse gegen Zigarettenhersteller in den USA geführt. Mit einem Urteil gegen das weltgrößte Tabakunternehmen Philip Morris scheint der Branche nun (4. Oktober 2002) ein schwerer Schlag versetzt worden zu sein. Ein Geschworenengericht in Los Angeles verpflichtete die Firma zur Zahlung von 28 Milliarden US-Dollar – gut 28 Milliarden Euro – an die krebskranke Betty Bullock. Die höchste Entschädigungssumme, die einem einzelnen Kläger bislang in Aussicht gestellt wurde.

Entschädigung herabgesenkt

Im vergangenen Jahr hatte ein inzwischen verstorbener Raucher aus Kalifornien mit drei Milliarden Dollar die bis dahin höchste so genannte Strafentschädigung vor Gericht erstritten. Damit können nach amerikanischem Recht Unternehmen zusätzlich bestraft werden – neben den üblichen Schadenersatzklagen. Hohe Strafsummen sollen sie dabei von weiteren Vergehen abhalten. Allerdings senkte ein Richter die Entschädigung für den Kalifornier anschließend auf 100 Millionen Dollar ab. Darauf spekuliert Philip Morris auch im aktuellen Fall, andernfalls will der Konzern auf der nächst höheren Gerichtsebene Berufung gegen das Bullock-Urteil einlegen.

Der Tabakriese Philip Morris, dem unter anderem die Zigarettenmarken Marlboro und Camel gehören, kann bereits eine beachtliche Zahl an Prozessen vorweisen: Allein im Jahr 2000 wurden gegen den Konzern mit Sitz in New York 1500 Klagen von Rauchern eingereicht, die das Unternehmen für Gesundheitsschäden verantwortlich machten. Hinzu kommen 3000 Ansprüche von Flugbegleitern wegen Passivrauchens am Arbeitsplatz und 36 so genannte Sammelklagen. Hierzu schließen sich erkrankte Raucher mit ähnlichen Schadenersatzfällen für ein Verfahren zusammen. Ein Pariser Gericht hat zudem Anfang des Jahres einen niederländischen und zwei deutsche Manager von Philip Morris zu Geldstrafen verurteilt, weil sie unkorrekte Gesundheitswarnungen auf Zigarettenschachteln drucken ließen.

USA – Land der Gerichtsverfahren

In den Vereinigten Staaten sind Produkthaftungsklagen gegen Großunternehmen inzwischen ein Riesengeschäft. Nicht nur Zigarettenhersteller sind betroffen, auch Pharma-Unternehmen oder Autofirmen. So soll das US-Unternehmen Dow Corning 2,1 Milliarden Dollar Strafe für schadhafte Brust-Implantate zahlen. Die Pharmafirma American Home Products ist wegen ihres Diätmittels Fen-Phen verklagt worden und hat schließlich einem Milliardenvergleich zugestimmt. Gegen die Autobauer Daimler-Chrysler, General Motors und Ford prozessieren Tausende von Pkw-Besitzern, weil asbesthaltige Bremsbeläge angeblich gesundheitsschädigend sind. Wie erfolgreich die Prozesswellen sind, ist jedoch fraglich: Bis heute hat der Philip-Morris-Konzern laut seinem Chefjuristen William Ohlemeyer noch keinen einzigen Dollar an einen Kläger ausgezahlt.

Neben seiner erfolgreichen Abwehr an der Rechtsfront versucht das Unternehmen schon einige Zeit, Marktstrategie und Image zu ändern. Von seinen 90 Milliarden Dollar Jahresumsatz macht der weltweit größte Zigarettenhersteller inzwischen gut 40 Prozent in anderen Branchen – vor allem mit Lebensmitteln. Neben nikotinhaltigen Tabakprodukten gehören mit Miller-Bier und Milka-Schokolade weitere potenzielle Suchtmittel zum Firmenportfolio. Über sein Tochterunternehmen Kraft besitzt Philip Morris den zweitgrößten Nahrungsmittelkonzern der Welt - nur Nestlé ist noch größer. Ein Namenswechsel der Muttergesellschaft von Philip Morris in Altria ist für Ende dieses Jahres vorgesehen und soll Kunden wie Aktienanleger die prozesslastige Vergangenheit des Unternehmens vergessen lassen.

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