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Rauer Ton zwischen USA und China beim Shangri-La Dialog

Yuchen Li z. Z. in Singapur
2. Juni 2025

Auf dem sicherheitspolitischen Forum Shangri-La fehlte zwar Chinas Verteidigungsminister. Aber heftige Wortgefechte deuten auf ein wachsendes Konfliktpotenzial zwischen China und den USA hin. Yuchen Li aus Singapur.

Singapur | US-Verteidigungsminister Hegseth beim 22. Shangri-La Dialog
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth beim Shangri-La DialogBild: Mohd Rasfan/AFP/Getty Images

Die Botschaft Washingtons beim Shangri-La Dialog, einem der wichtigsten sicherheitspolitischen Foren weltweit, war glasklar. Der indopazifische Raum habe für die US-Regierung um Präsident Donald Trump angesichts der "realen" Bedrohung durch China höchste Priorität, sagte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth am Wochenende.

Die jährlich in Singapur stattfindende Konferenz, an dem Verteidigungsminister und Diplomaten aus fast 50 Ländern teilnehmen, wird zunehmend zu einer Bühne, auf der sich die USA und China einen Schlagabtausch über die regionale Sicherheit liefern. Hegseth forderte auf dem dreitägigen Forum seine asiatischen Verbündeten auf, ihre Verteidigungsetats zu erhöhen, um auf Chinas militärische Aufrüstung zu reagieren.

Chinas Delegationsleiter in Singapur: Hu Gangfeng Bild: Edgar Su/REUTERS

Eine direkte Antwort des chinesischen Verteidigungsministers Dong Jun blieb aus. Er war zu dem Dialog nicht erschienen. Sein Stellvertreter in Singapur, Hu Gangfeng, der eine Delegation der Nationalen Verteidigungsuniversität der Volksbefreiungsarmee leitete, wies Hegseths Äußerungen als "unbegründete Anschuldigungen" zurück. Das Pekinger Außenministerium protestierte und konterte am Folgetag, es sei die übermächtige Militärpräsenz der USA gewesen, die die asien-pazifische Region in ein "Pulverfass" verwandelt habe. Ende Mai kreuzten vier der acht US-Flugzeugträger im Pazifik, nur zwei in der Golfregion und ebenfalls zwei im Atlantik.

Warum blieb Chinas Verteidigungsminister fern?

Am Rande des Dialogs gab es Spekulationen darüber, warum Peking den Verteidigungsminister Dong Jun nicht nach Singapur entsandt hat. "Aus Termingründen", sagt Zhou Bo vom Zentrum für internationale Sicherheit und Strategie an der chinesischen Tsinghua-Universität im Interview mit der DW. Es gebe keine strategischen Überlegungen hinter dieser Entscheidung.

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Andere Analysten vermuteten jedoch, dass China möglicherweise vermeiden wolle, wie in den vergangenen Jahren mit neuen Anschuldigungen direkt konfrontiert zu werden. "China hat dieses Jahr einen vorsichtigeren und defensiveren Ansatz gewählt", sagt Lin Ying-Yu, Juniorprofessor am Graduate Institute of International Affairs and Strategic Studies an der taiwanesischen Tamkang-Universität.

"Peking hat darauf gewartet, dass die USA zuerst den Aufschlag machen und ihre Strategie erläutern werden. Erst dann wird China womöglich verhältnismäßig darauf reagieren", sagt Lin. Außerdem habe China ein Konkurrenzformat für sicherheitspolitische Konsultationen mit seinen eigenen Verbündeten etabliert. Unter dem Namen Xiangshan-Forum findet es jedes Jahr im Herbst in Peking statt.

Steigendes Konfliktpotenzial

China hat - gemessen an der Anzahl der Schiffe - die größte Kriegsflotte der Welt. Verteidigungsminister Dong hatte vor seiner Berufung zum Minister 45 Jahre lang bei der Marine gedient. Das unterstreicht die Bedeutung der Marine in der sicherheitspolitischen Strategie Pekings. Neben Vorstößen im Südchinesischen Meer verstärkt Chinas Marine auch ihre Präsenz im Ostchinesischen Meer vor den Küsten der aus Pekings Sicht abtrünnigen Provinz Taiwan.

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"Jeder Versuch des kommunistischen Chinas, Taiwan mit Gewalt zu erobern, hätte verheerende Folgen für den Indopazifik und für die Welt. Es gibt keinen Grund, dieses Szenario schön zu reden", warnte Hegseth am Samstag. "Die Bedrohung, die von China ausgeht, ist real. Und sie könnte unmittelbar bevorstehen."

Hegseth verwendete dabei bewusst den Begriff "kommunistisches China", der im Kontrast zu der Inselrepublik Taiwan steht. Diese bezeichnet sich laut Verfassung als Republik China. Die Volksrepublik China, die von der kommunistischen Partei Chinas regiert wird, beschränkt sich faktisch auf das Festland. Peking besteht aber auf eine "Ein-China-Politik" unter Einschluss von Taiwan.

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Die Position des US-Verteidigungsministers sei eine "180-Grad-Wendung", sagt Chinas Militärexperte Zhou in Singapur gegenüber DW. Die Äußerung stehe im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger. Ex-US-Verteidigungsminister Lloyd Austin der Vorgängerregierung um Präsident Joe Biden hatte noch vor einem Jahr in Singapur bekräftigt, dass ein Krieg mit China weder unmittelbar bevorstehe noch unvermeidlich sei. Austin wollte durch intensiven Dialog zwischen den beiden Ländern vermeiden, dass die Streitkräfte die Lage falsch einschätzen.

Inzwischen gehen Chinas Militärberater wie Da Wei, Direktor des Zentrums für internationale Sicherheit und Strategie (CISS) an der Tsinghua-Universität, aber davon aus, dass die militärischen Routineoperationen beider Länder nun "konfrontativer" erscheinen werden. Mit einer nennenswerten Eskalation rechnet er jedoch nicht.

War in Singapur vor Ort: Frankreichs Staatschef Emmanuel MacronBild: LUDOVIC MARIN/AFP

Europa warnt vor Konflikt zwischen USA und China

Auf dem Shangri-La Dialog bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron in seinem Keynote zur Eröffnung der Konferenz die offensichtlich wachsende Spaltung zwischen China und den USA als das größte Risiko, mit dem die Welt derzeit konfrontiert sei.

"Ihre Botschaften an alle anderen Staaten lauten: 'Ihr müsst euch für ein Land entscheiden'. Wenn wir das tun würden, würden wir die globale Ordnung zerstören und alle multilateralen Institutionen zerstören, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben", warnte Macron.

Chinas Experte Zhou hält die europäischen Sorgen derzeit aber für unbegründet: "Wir werden natürlich die Lage nicht so weit eskalieren lassen, dass beide Länder völlig feindlich gegenüberstehen. Davon sind wir noch weit entfernt. Und ich hoffe, dass es auch so bleibt."

Ein taiwanesisches Kriegsschiff in Keelung (Archiv) Bild: Carlos Garcia Rawlins/REUTERS

Taiwan-Konflikt als Auslöser?

Der Konflikt an der Taiwanstraße spitzt sich aber weiter zu. China hat nie das langfristige Ziel einer Wiedervereinigung mit der in Pekings Augen abtrünnigen Provinz aufgegeben, notfalls auch mit militärischen Mitteln.

Nach Ansicht des US-Verteidigungsministers Hegseth könnten Chinas Militärkapazitäten bis 2027 ein Niveau erreichen, das für die Besetzung Taiwans notwendig ist - eine Einschätzung, die auch frühere US-Regierungen teilten. China bestreitet diesen Zeitplan.

Taiwan war als einer der Dauerkrisenherde der Welt auf dem Shangri-La Dialog offiziell nicht präsent. Zwei Vertreter, ein Wissenschaftler von einer regierungsnahen Denkfabrik sowie der Verteidigungsminister a. D., standen zwar auf der Liste. Die Ortsbezeichnung "Taiwan" habe aber gefehlt, berichteten die Medien in Taiwan.

Taiwans Experte Lin befürchtet, dass das Festland China nach dem Shangri-La Dialog mit militärischen Aktionen gegen Taiwan auf die harschen Drohgebärden der USA reagieren würde. "Wir sollten auf der Hut sein", sagt Lin.

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan

Yuchen Li Ostasien-Korrespondentin mit Schwerpunkt China und Taiwan