In Raumschiff-Captain Picard fand Shakespeare-Mime Patrick Stewart die Rolle seines Lebens. Der britische Schauspieler feiert nun seinen 80. Geburtstag.
Von 1987 bis 1994 wies Patrick Stewart als Jean-Luc Picard der "USS Enterprise" den Weg durch den Weltraum Bild: picture-alliance/Everett Collection/Paramount
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Weit weg von seinem Geburtsort Mirfield, einer Kleinstadt in der englischen Grafschaft West Yorkshire, gelangte Patrick Stewart mit 47 Jahren zu Weltruhm. Im US-amerikanischen Los Angeles, wo er während der Dreharbeiten zur legendären Science Fiction-Reihe "Raumschiff Enterprise" (engl. "Star Trek") angeblich zunächst aus dem Koffer gelebt haben soll, ließ ihn die Rolle seines Lebens sogar noch weiter reisen: Als Captain Jean-Luc Picard führte er die Crew des Raumschiffs der Geschichte nach durch die unendlichen Weiten des Weltraums bis hin zu Galaxien, die nie zuvor ein Mensch gesehen hatte.
Das Interesse an der Schauspielerei weckte ein Lehrer in Stewart als dieser elf oder zwölf Jahre alt war. Er soll ihn aufgefordert haben, ein Werk von Shakespeare vorzutragen. Noch heute hegt er eine Leidenschaft für den großen englischen Dramatiker und Lyriker, dessen Sonette er während der Corona-Pandemie über seinen Twitter-Acount verbreitete.
Häusliche Gewalt - eine prägende Kindheitserfahrung
Stewarts Eltern hingegen hatten nichts mit Schauspielerei zu tun. Der Vater war im Zweiten Weltkrieg Offizier bei der britischen Armee und soll die Mutter, eine Weberin, während Patricks Kindheit geschlagen und misshandelt haben. Über seine Erfahrungen mit häuslicher Gewalt schrieb Stewart 2009 in der englischen Zeitung "The Guardian", da auch sein Erwachsenen-Dasein davon geprägt war. Die Bühne erschien ihm als "ein weitaus sichererer Ort" als die Realität; in der Schauspielerei sah er eine Möglichkeit, dieser zu entfliehen.
Charismatische Ausstrahlung: Charakterdarsteller Patrick StewartBild: picture-alliance/dpa/Paramount
Mit Shakespeare in love
Von jenem Lehrer inspiriert, der ihn mit Shakespeare in Berührung gebracht hatte, begann Patrick als Zwölfjähriger Theater zu spielen. Mit sechzehn verließ er frühzeitig die Schule und konnte dank eines Stipendiums in Bristol Schauspiel studieren. Nebenbei arbeitete er als Journalist. 1965 wurde er dann offizielles Mitglied der Royal Shakespeare Company - und blieb es für ein Vierteljahrhundert.
Für Aufsehen in der Theaterwelt sorgte er mit einer eigenen Bühnen-Adaption der von Charles Dickens 1843 veröffentlichten Erzählungen "A Christmas Carol". Die mehr als 30 Rollen spielte er alle selbst. Nach der Uraufführung 1987 in Stewarts Heimatstadt Mirfield wurde die One-Man-Show zum Kritiker-Liebling und ein Dauerbrenner am New Yorker Broadway.
Shakespeare-Schauspieler: Patrick Stewart (Mitte) als Captain Picard auf der "Enterprise" (1987)Bild: Imago/United Archives
"Star-Trek"-Angebot aus Hollywood
Im selben Jahr geschah es auch, dass der talentierte Mr. Stewart vom Bühnenschauspieler, der er bis auf wenige Film-Nebenrollen 1981 und 1984 hauptsächlich war, zum internationalen Weltstar gebeamt wurde: "Star-Trek"-Produzent Robert Justman bot ihm die Rolle des Captain Jean-Luc Picard an, eine der Hauptrollen in einer Neuauflage der bekannten TV-Serie. Titel: "Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert" (im Original: Star Trek: The Next Generation).
Der erfolgreiche Shakespeare-Mime zögerte. Bislang hatte er mit Hollywood nie etwas zu tun gehabt. Doch sein Agent ermunterte ihn, erinnerte sich Stewart in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" (2020): "Das Angebot kannst Du als Einstieg erst mal annehmen. Das wird keine große Sache, eine so ikonische Serie wie 'Star Trek' kann man eh nicht wiederbeleben."
Abenteuer im Universum auf der USS Enterprise D und E
Auf dem Weg zu neuen galaktischen Abenteuern: Das Raumschiff EnterpriseBild: picture alliance/dpa
Wie falsch. In insgesamt sieben TV-Staffeln mit 178 Episoden und in vier abendfüllenden Kinofilmen führte Patrick Stewart als kommandierender Offizier Jean-Luc Picard die USS Enterprise durch ihre galaktischen Abenteuer. Die TV-Serie hatte in kürzester Zeit astronomischen Erfolg auf Erden. Anfangs waren sich die Produzenten uneins, ob Stewarts britischer Akzent wirklich zum Kommandanten eines US-Raumschiffs im 24. Jahrhundert passen könnte.
Inzwischen ist das leichte Understatement des feinsinnig-diplomatischen Captain Picard nicht mehr aus der Serie wegzudenken. Erst recht nicht, wenn er im Cockpit des Raumschiffs Shakespeare zitiert. Überhaupt fliegt Shakespeare immer mit. All die Zeit auf verschiedenen Bühnen, auf denen er als Shakespeare-Schauspieler auftrat, die er auf englischen Thronen als einer der Shakespeare-Könige verbracht habe, sei im Grunde nichts anderes als die Vorbereitung auf den Kommandanten-Sessel der Enterprise gewesen. Als die Kult-Serie 1994 auslief, schloss Patrick Stewart definitiv aus, je wieder auf die Kommandobrücke der Enterprise zurückzukehren.
Jean-Luc Picard: Commander im vorübergehenden Ruhestand
Aber es kam noch anders. Anfang 2020 startete eine neue Erzählung aus dem Enterprise-Epos: In der Amazon-Serie "Star Trek Picard", sehen wir Captain Jean-Luc Picard im Jahr 2399 auf seinem Landsitz in Frankreich, wo der pensionierte Admiral der Sternenflotte seinen Ruhestand verbringt.
"Star Trek: Picard": In der neuen Serie spielt Stewart (links) Captain Jean-Luc Picard im Ruhestand (re: Jonathan Frakes) Bild: CBS All Access/CBS
Stewart hatte in vielen Interviews betont, er habe zur Figur Picard alles gesagt. Aber nun war es sogar sein Wunsch, sie wieder zu beleben. Der Ex-Raumschiff-Commander kann in der Rolle ausgiebig räsonieren - über das traurige Ende seiner Sternenflotte und die Krise der "Vereinten Planeten".
Darin spiegele sich vieles aus unserer Gegenwart, meint Labour-Mitglied Stewart, der aus seiner Verachtung für US-Präsident Trump und dem britischen Premierminister Boris Johnson keinen Hehl macht. 2010 war der Schauspieler von der Queen zum Ritter geschlagen und in den Adelsstand erhoben worden. Dass er dadurch mit Schauspielgrößen wie Sir Laurence Olivier und Sir Alec Guinness in einer Reihe stehe, sei für Stewart die größte Ehre.
Nicht ohne meinen Pitbull
Eine Bedingung knüpfte Stewart 2017 an seine Rückkehr in die Rolle des Captain Picard. Er müsse einen Hund an seiner Seite haben - einen Pitbull: "Ich bin besessen von Pitbulls. Für mich sind das die schönsten, wunderbarsten, klügsten und mitfühlendsten Wesen, die es gibt."
Ob der Wahl-New Yorker, der dort in dritter Ehe mit Musikerin Sunny Ozell lebt, daran gedacht habe, mit der Schauspielerei bald aufzuhören, fragte ihn der "Playboy" in einem Interview im Juni 2020 - kurz vor seinem 80. Geburtstag. "Nein", erwiderte Stewart, "noch nie! Das würde bedeuten, mein Leben aufzugeben." Er dreht bereits für die zweite Staffel "Star Trek: Picard", die Corona-bedingt vermutlich noch etwas auf sich warten lassen dürfte.
Star Trek - ein ganzes Universum von Kirk bis Picard
Anfangs wollte die Serie "Star Trek - Raumschiff Enterprise" nicht richtig Fuß fassen. Das änderte sich in den 1990er-Jahren - seitdem gibt es jede Menge Spin-Offs und viele Sternenflotten-Kapitäne.
Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry hatte Mitte der 1960er die Vision von einem friedlichen Weltall - gerade als die USA und die UdSSR versuchten, die Vorherrschaft im All an sich zu reißen. Also erfand er das Raumschiff Enterprise und eine Crew, die im 23. Jahrhundert in friedlicher Mission das Universum erforschen sollte - und dabei in Galaxien vordrang, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte.
Bild: picture alliance
Der erste Captain: Christopher Pike
Der Pilotfilm zur Serie "Raumschiff Enterprise" hatte den Titel "The Cage" (Der Käfig). Es blieb beim Piloten um Captain Pike (gespielt von Jeffrey Hunter): Der Film war zu intellektuell, und das Ende war offen. In einer späteren Enterprise-Folge aber taucht Pike noch einmal auf - und seine Geschichte wird zu Ende erzählt.
Bild: picture alliance
Kirk und seine bunte Crew
Der misslungene Pilot war allerdings kein Hindernis. Während der Kalte Krieg herrschte, schickte Roddenberry in der Serie "Raumschiff Enterprise" eine internationale Besatzung ins All: mit einem Japaner, einem Russen und einer schwarzen Kommunikationsoffizierin. 1966 startete die Serie - 79 Folgen wurden gedreht. Der Erfolg als Kult-Serie stellte sich erst später ein.
Bild: Ipol 1188 ARC/dpa/picture alliance
Raumschiff Enterprise: Kirk und Spock
Und wenn schon Multikulti, dann richtig: Mit dem Vulkanier Spock (Leonard Nimoy, rechts) ist erstmals ein Außerirdischer an Bord eines Raumschiffs von der Erde. Das Kommando der ersten Enterprise-Serie hatte Captain James T. Kirk (William Shatner). Das Dreamteam räumte von 1966 bis 1969 im Weltall auf. Nach drei Staffeln war Schluss.
Bild: Sammlung Richter/picture alliance
Treffen der Generationen: Kirk und Picard
Trotz des schwachen Starts hat Star Trek es 1979 ins Kino geschafft: Sechs Mal wurden Kirk & Co. auf die Leinwände gebeamt. Im siebten Kinofilm (1995) gibt Kirk das Staffelholz an Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) weiter. Durch einen Zeitsprung geraten Kirk aus dem 23. Jahrhundert und Picard aus dem 24. Jahrhundert in eine Art Paralleluniversum, von dem aus sie gemeinsam einen Bösewicht bekämpfen.
Bild: dpa-Film UIP/dpa/picture alliance
"The Next Generation" - Die Geschichte der Enterprise geht weiter
Die Fortsetzung der "Enterprise"-Geschichte spielt gut hundert Jahre nach Kirks Ära. Die Mannschaft um Captain Jean-Luc Picard besteht aus zahlreichen Außerirdischen, darunter der Klingone Worf (oben zweiter von links) und die Schiffspsychologin Troi (unten rechts) vom Planeten Betazed.
Kultfigur aus "The Next Generation" (dt. Titel "Das nächste Jahrhundert") aber ist Data (rechts), ein freundlicher Android mit tödlicher Präzision und gleichzeitig allzu menschlichen Zügen. Seinen Kater "Spot" liebt er abgöttisch und nimmt ihn mit auf jede Reise der Enterprise.
Bild: Everett Collection/picture alliance
Eine Frau hat das Kommando: Captain Janeway in "Raumschiff Voyager"
Eine erfolgreiche Spin-Off-Serie hat von 1995 bis 2001 erstmals einer Frau das Kommando über die Brücke anvertraut. Captain Janeway (Kate Mulgrew) war Chefin des Raumschiffs "Voyager" - und traf sogar auf Jean-Luc Picard: Im zehnten Star-Trek-Film "Nemesis" (2002) kommunizieren die beiden über Bildschirme. Ein weiteres Spin-Off war die Serie um die Raumstation "Deep Space Nine" (1993 bis 1999).
Bild: Jeff Katz/Paramount Television/Everett Collection/picture alliance
Den gab es auch noch: Captain Jonathan Archer
Hier haben die Star-Trek-Macher ihren ersten Sprung in der Zeitlinie der Star Trek-Geschichte vollzogen: 100 Jahre bevor Captain James T. Kirk ins All startete, war Captain Jonathan Archer (Scott Bakula) Chef auf der Brücke der Enterprise. "Star Trek: Enterprise" lief von 2001 bis 2005, konnte aber trotz fast 100 Folgen nie so viele Fans erreichen wie andere Star-Trek-Serien.
Bild: UPN/Everett Collection/picture alliance
Kirk und Spock als junge Männer
2009 waren Kirk (Chris Pine) und Spock (Zachary Quinto) wieder da - stark verjüngt. Im elften Star-Trek-Kinofilm, "Star Trek Into Darkness", rast Kirk zur Musik von den Beastie Boys ("Sabotage") mit einer Art Motorrad durch die Wüste - bis er sich mit Spock in sein erstes Abenteuer stürzt. Regie führte J.J. Abrams - bekannt auch als Star-Wars-Regisseur. Bisher gibt es 13 Star-Trek-Kinofilme.
"Discovery": mit Captain Georgiou und Offizier Burnham
2017 startete die nächste Star-Trek-Serie, "Discovery", die über insgesamt fünf Staffeln ausgestrahlt wurde. Mit Frauenpower, denn Captain und Erster Offizier waren weiblich. Mit Philippa Georgiou (Michelle Yeoh) kam eine ambivalente Figur ins Spiel, die im Verlauf der ersten Staffel immer wieder für Überraschungen sorgte - vor allem für unangenehme ...
Bild: Jan Thijs/CBS/dpa/picture alliance
Captain Pike ist wieder da
In Staffel 2 treffen wir auf einen alten Bekannten: Captain Christopher Pike (Anson Mount) steuert das Raumschiff "Discovery". Die Handlung spielt zehn Jahre vor Captain Kirk. So haben die Star-Trek-Macher, ähnlich wie bei Star Wars, die Zeitstränge der verschiedenen Serien verlängert und sind so in der Lage, noch mehr Spin-Offs und Sequels zu produzieren.
Bild: Michael Gibson/Paramount+/dpa/picture alliance
Picard übernimmt nochmal die Brücke
2020 wurde Jean-Luc Picard noch einmal aktiviert: In "Star Trek: Picard" kämpft der Sternenflotten-Admiral a.D. von seinem Weingut in Südfrankreich aus wieder gegen das Böse, denn auch in friedlichen Galaxien gibt es Bösewichte. Picard behielt seine feine britische Art und nahm alte Freunde mit: Nummer Eins Riker (rechts), die Borg-Schönheit Seven of Nine (links), Data, Troi und Guinan.
Bild: Nicole Wilder/Paramount+/Amazon Prime Video/dpa/picture alliance