Im DFB-Pokalfinale gegen den SC Freiburg sieht RB Leipzig lange Zeit wie der sichere Verlierer aus, doch dann rettet sich das Team von Trainer Domenico Tedesco noch ins Elfmeterschießen - und da entscheiden die Nerven.
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Als der hart geschossene Ball zurück ins Feld sprang, gab es kein Halten mehr: Freiburgs Ermedin Demirovic knallte den vierten Strafstoß des SC Freiburg im entscheidenden Elfmeterschießen mit voller Wucht an die Latte. Sein Fehlschuss war gleichbedeutend mit dem 4:2 (1:1, 1:1, 0:1)-Sieg von RB Leipzig, die ihren ersten Titel in der jungen Vereinsgeschichte feierten. Kapitän Willi Orban hob seinen Trainer Domenico Tedesco in die Luft, Kevin Kampl liefen die Tränen herunter und Christopher Nkunkus erster Weg führte ihn zu den RB-Fans. "Es ist Wahnsinn", sagte RB-Clubchef Oliver Mintzlaff in der ARD. "Dass es am Ende so geklappt hat, ist unfassbar. Das braucht sicherlich ein bisschen, bis es im Kopf ankommt." Er werde sich aber "die Zeit nehmen, diesen Erfolg zu genießen".
Nach dem Abpfiff ließen sich die Spieler der Leipziger von den eigenen Fans ausgelassen feiern und zelebrierten den ersten Erfolg der Klubhistorie. "Mir fehlen die Worte", sagte Emil Forsberg in der ARD. "So zurückzukommen, ist einfach Wahnsinn, das zeigt Leidenschaft und Mentalität. Ich bin glücklich." Doch auch auf der Gegenseite gab es Beifall. Trotz großer Enttäuschung und fassungslosen Blicken wurde die Freiburger von ihren Fans gefeiert. Besonders einer wurde lautstark besungen. "Christian Streich, du bist der beste Mann", skandierten die SC-Fans immer wieder und der sichtlich bewegte Freiburger Trainer dankte es ihnen mit Beifall und Kusshänden. "Wir haben eine wahnsinnig tolle Saison gespielt", resümierte Streich und ergänzte: "Wir spielen nächstes Jahr Europapokal. Die Fans sind dankbar, das ist auch richtig so, die Mannschaft leistet Unglaubliches."
Tedesco mit Energieleistung
Es war ein intensives Pokalfinale im ausverkauften Berliner Olympiastadion mit einem Sieger, der lange Zeit auf der Verliererstraße zu sein schien. Zunächst sorgte ein umstrittener Treffer durch die Freiburger für den Rückstand der Leipziger. Maximilian Eggestein hatte getroffen, nachdem der Ball seinem Mitspieler Robert Sallai an die Hand gesprungen war. Nach Befragung des Videoassistenten zählte der Treffer (19. Minute). Dann wurde der davoneilende Lucas Höler nach einer knappen Stunde durch Leipzigs Marcel Halstenberg regelwidrig von den Beinen geholt und musste mit Rot den Platz verlassen (57.). Im Grunde war alles vorbereitet für einen Erfolg des Sportclubs aus dem Breisgau. Doch dann übernahm Trainer Domenico Tedesco die Kontrolle und peitschte sein Team energisch nach vorne. Nur eine gelbe Karte durch den Schiedsrichter konnte den 36-Jährigen zwischenzeitlich zur Ruhe bringen.
Doch Tedescos Aktionen hatten den gewünschten Effekt, denn RB gab nicht auf, kämpfte sich zurück ins Spiel und belohnte sich. Nach einem abgeblockten Freistoß verlängerte Orban eine Flanke von Konrad Laimer - Nkunku stand goldrichtig und vollstreckte (76.). Der Franzose ermöglichte RB so die Verlängerung, in der Freiburg sofort aufhorchen ließ. Der eingewechselte Demirovic köpfte an den Pfosten. Und auch Janik Haberer war es nicht vergönnt die erneute Freiburger herzustellen - er scheiterte zweimal am Aluminium. Kurz vor Schluss entschied sich Schiedsrichter Stegemann nach Ansicht der Videobilder gegen einen Leipziger Elfmeter. SC-Verteidiger Nicolas Höfler hatte bei einer Grätsche gegen Dani Olmo im eigenen Strafraum hauchzart noch den Ball gespielt (118.).
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Medizinischer Notfall im Stadion
Beim anschließenden Elfmeterschießen hatten die Leipziger die besseren Nerven und schafften nach zwei verlorenen Finals - 2019 gegen den FC Bayern und 2021 gegen Borussia Dortmund - endlich den ersehnten ersten Sieg im Pokalendspiel. Bis das Team von Trainer Tedesco dann aber den Pokal in den Berliner Nachthimmel recken durfte verging einige Zeit. Wegen eines medizinischen Einsatzes am Spielfeldrand verschoben sich die Feierlichkeiten. Einer der anwesenden Fotografen war offenbar am Rande des Spielfelds zusammengebrochen und musste von Sanitätern und Notärzten behandelt werden.
Minutenlang herrschte Stille im Stadion. Nach und nach schalteten die Zuschauer auf den Rängen die Lampen ihrer Mobiltelefone ein. Ein Lichtermeer zur Unterstützung des Patienten, der schließlich stabil genug war, um im Krankenwagen in die Klinik gebracht zu werden.
Danach gab es endlich den Pokal - und der Abend endete für den neuen Pokalsieger RB Leipzig und seine Fans doch noch ausgelassen. "Es war ein sehr gutes Spiel von uns, vor allem in der zweiten Halbzeit in Unterzahl. Wir sind sehr, sehr glücklich", sagte Tedesco. "Ich kann es noch gar nicht so richtig realisieren, es fühlt sich sehr gut an. Ich kann die Jungs nur loben für diese Wahnsinnsleistung."
DFB-Pokal: RB Leipzig gewinnt den ersten Titel
In Rekordzeit entwickelt sich RB Leipzig vom Oberligisten zum Topklub der Bundesliga und holt mit dem DFB-Pokal den ersten Titel. Durch das Sponsoring von Red Bull hat RB ganz andere Möglichkeiten als "normale" Vereine.
Bild: Revierfoto/IMAGO
Anfang auf dem Dorfplatz
2009 will Red Bull als Klubsponsor im deutschen Fußball einsteigen. Da renommierte Vereine wie St. Pauli und 1860 München eine Kooperation ablehnen, geht der Getränkekonzern nach Leipzig. Die Übernahme von Traditionsklub Sachsen Leipzig scheitert an DFB und Fans. Also steigt man beim SSV Markranstädt ein, übernimmt dessen Lizenz und startet als Rasenballsport Leipzig in der Oberliga Nordost.
Bild: Jan Woitas/dpa/picture-alliance
Überqualifiziert
RB gibt bereits zu Anfang als mittelfristiges Ziel die Bundesliga aus und schlägt gleich mal auf dem Transfermarkt zu. Das Team wird mit Spielern bestückt, die normalerweise mehrere Ligen höher spielen könnten als nur in der fünften Spielklasse. Prominentester Neuzugang ist Ex-Nationalspieler Ingo Hertzsch (2.v.l.).
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Der Mann im Hintergrund
Kopf hinter dem Investment in Leipzig ist Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz. Der österreichische Milliardär sponsert neben RB Leipzig auch Red Bull Salzburg, den Formel-1-Rennstall Red Bull Racing und viele Trendsportarten. In Deutschland ist sein Engagement umstritten: Die Organisation des Vereins fast ohne Mitglieder und damit ohne Mitbestimmung der Basis provoziert viele Fußballromantiker.
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Aufstieg unter Protest
Entsprechend unfreundlich werden die Kicker von RB Leipzig bei Auswärtsspielen empfangen. Viele gegnerische Fans sind mit dem "Konstrukt" RB, gegen das ihre Vereine chancenlos sind, nicht einverstanden. Anfangs kommt es sogar immer wieder zu Spielabsagen. Der Weg von RB geht trotzdem steil nach oben. Gleich in der ersten Saison steigt der "Brauseklub" in die Regionalliga auf.
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Entscheidende Personalie
2012 verpflichtet RB Ralf Rangnick (l.) als Sportdirektor und stellt damit die Weichen endgültig in Richtung große Zukunft. Rangnick bringt mit Alexander Zorniger (r.) einen neuen Trainer mit, mit dem 2013 zunächst der Aufstieg in die 3. Liga und 2014 auch direkt der Durchmarsch in die 2. Bundesliga gelingt.
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Bestes Spielermaterial
Bereits in der Drittligasaison 2013/2014 stehen mit Joshua Kimmich (r.) und Yussuf Poulsen (l.) zwei Spieler im RB-Kader, die mittlerweile zu den Top-Spielern der Bundesliga gehören. In den beiden folgenden Zweitligajahren kommen bis 2015 mit Emil Forsberg, Lukas Klostermann, Marcel Halstenberg, Willi Orban und Peter Gulacsi Akteure hinzu, die heute noch den Stamm der Mannschaft bilden.
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Der Chef übernimmt selbst
Nach zwei Jahren in der 2. Liga hat RB Leipzig sein Ziel erreicht: Sieben Jahre nach dem ersten Pflichtspiel in Markranstädt steht der Aufstieg in die Bundesliga fest. Aufstiegstrainer ist kein anderer als Ralf Rangnick, der neben seinem Posten als Sportdirektor übergangsweise auch den Job als Coach übernommen hat. In der Bundesliga macht er den Platz auf der Bank aber wieder frei.
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Erfolgreiche Premiere
Unter dem neuen Cheftrainer Ralph Hasenhüttl wird die erste Saison in der Bundesliga sehr erfolgreich: Leipzig spielt nicht wie ein gewöhnlicher Aufsteiger, sondern setzt sich von Anfang an in der Spitzengruppe der Tabelle fest. Am Ende belegt Hasenhüttls Team hinter dem FC Bayern und vor Borussia Dortmund Rang zwei. RB feiert die Vizemeisterschaft.
Bild: motivio/dpa/picture alliance
Angekommen in der Königsklasse
Seitdem ist RB Leipzig in jedem Jahr im Europapokal dabei: dreimal in der Champions League, einmal in der Europa League. Beim ersten internationalen Auftritt des Vereins, dem Heimspiel in der Gruppenphase der Königsklasse gegen die AS Monaco, gelingt Emil Forsberg (l.) im September 2017 der erste Leipziger Europapokal-Treffer.
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Nur gucken, nicht anfassen!
Zur Saison 2018/2019 trennt sich RB von Hasenhüttl. Da der ausersehene Nachfolger, Julian Nagelsmann, noch ein Jahr bei Hoffenheim unter Vertrag steht, übernimmt Ralf Rangnick einmal mehr als Cheftrainer. Er führt RB Leipzig bis ins DFB-Pokalfinale. Allerdings sind beim Endspiel in Berlin die Bayern zu stark und holen den Pott. Rangnick und die Leipziger dürfen nur schonmal sehnsüchtig gucken.
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Neues Duo
Bevor Julian Nagelsmann (l.) seinen Dienst bei RB antritt, verlässt Rangnick den Verein im Sommer 2019. Sein Nachfolger als Sportdirektor wird Markus Krösche (r.). Unter dem neuen Duo etabliert sich RB als Bayern-Verfolger, zieht 2020 ins Halbfinale der Champions League ein und erreicht ein Jahr später zum zweiten Mal das DFB-Pokalendspiel. Diesmal unterliegt Leipzig dem BVB.
Bild: motivio/dpa/picture alliance
Leistungsknick unter Marsch
Die Erfolge RBs qualifizieren Julian Nagelsmann für den Trainerjob beim FC Bayern. Im Sommer 2021 wird daher Jesse Marsch Nachfolger Nagelsmanns in Leipzig. Doch die Taktik, die der US-Amerikaner seinem Team verordnet, passt vielen Spielern nicht. Als RB nach 14 Spieltagen nur auf Rang elf steht, zieht der Klub die Reißleine: Marsch muss gehen.
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Aufschwung unter Tedesco
Marschs Nachfolger Domenico Tedesco (4.v.r.) bringt Leipzig zurück in die Erfolgsspur. Unter dem ehemaligen Schalke-Trainer schaffen die "Roten Bullen" als Vierte die Qualifikation zur Champions League. In der Europa League scheitert das Team denkbar knapp erst im Halbfinale an den Glasgow Rangers - und im DFB-Pokal geht es bis ins Finale.
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Endlich am Ziel
Dort wartet nach hartem Kampf gegen den ebenbürtigen SC Freiburg der ersehnte Titel. Freiburg geht in Führung. Nach einer roten Karte gegen RB-Verteidiger Marcel Halstenberg spielt Leipzig in Unterzahl, kommt aber trotzdem zurück ins Spiel und rettet sich in die Verlängerung. Im Elfmeterschießen haben die RB-Spieler dann die besseren Nerven und belohnen sich mit dem Pokalsieg.