RB Leipzig, Union Berlin und der "Kampf der Kulturen"
Pascal Jochem aus Leipzig
18. Januar 2020
Der Rückrundenauftakt wird begleitet von Protestaktionen der Union-Fans gegen RB Leipzig. Die Leipziger sind nach dem 3:1-Erfolg auf Kurs Meisterschaft, doch sie müssen weiter mit Abneigung rechnen. Warum eigentlich?
Anzeige
Ein schwarzer Schwarm schlängelt sich durch Leipzigs Straßen. Es sind Fußball-Fans, auch wenn sie nicht gleich als solche zu erkennen sind. Keine Gesänge, kein rhythmisches Klatschen, nur eine dunkle Masse, die sich bedächtig fortbewegt. Mehr als tausend Anhänger von Union Berlin marschieren vom Leipziger Hauptbahnhof aus in Richtung Stadion. Still und leise, aber sie schreien nach Aufmerksamkeit. Alle sind in schwarz gekleidet, wie in einem Trauerzug. Und genau das soll es sein.
"In Leipzig stirbt der Fußball", steht in weißen Großbuchstaben auf dem schwarzen Banner, das die Union-Anhänger in vorderster Front präsentieren. Dahinter ragen ein selbst gebauter Sarg und gebastelte Kreuze aus Pappe in die Höhe. Die Unioner protestieren gegen Ligakonkurrenten RB Leipzig, den sie als Sponsoren-Konstrukt wahrnehmen. "Die gibt es nur, um Red Bull zu vermarkten und Dosen zu verkaufen. Das lehnen wir ab", sagt ein Union-Fan und spricht damit wohl vielen Fußball-Traditionalisten aus der Seele.
Der Meistertitel ist möglich
Auch im Stadion soll der Protest weitergehen. Die Gästefans wollen in den ersten 15 Minuten eisern schweigen. Doch ausgerechnet ein Tor der eigenen Mannschaft bricht den Stimmungsboykott: Unions Marius Bülter trifft nach 10 Minuten zur 1:0-Führung für den Außenseiter. In der Berliner Auswärtskurve gibt es kein Halten mehr, Bierbecher fliegen umher, Fans liegen sich in den Armen und brüllen ihren Jubel frei heraus. Die Unioner ärgern den Meisterschaftsfavoriten, nicht nur abseits, auch auf dem Platz. "Hier regiert der FCU", hallt es fortan durchs Stadion.
Der Rest des Spiels ist schnell erzählt und zeigt, wie gefestigt die Leipziger mittlerweile sind und wie ernst sie es meinen mit ihren Ambitionen auf den möglichen ersten Meistertitel der noch jungen Vereinsgeschichte. Kurz nach der Halbzeit dreht RB die Partie mit einem Doppelschlag (Timo Werner, 51. Minute, und Marcel Sabitzer, 57.) und legt kurz vor Schluss, als die Unioner müde werden, noch einmal nach (Werner, 83.). Leipzig übersteht die erste Härteprüfung der Rückrunde und hat den Vorsprung auf den Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach sogar auf fünf Punkte ausgebaut. Die Bayern können allerdings noch mit einem Sieg am Sonntag gegen Hertha BSC auf vier Punkte heranrücken.
Protestaktionen quer durch die Fußball-Republik
Doch für viele Union-Anhänger und "Fußball-Romantiker" bleibt der Klub weiterhin ein Feind- und Reizbild, daran werden auch die Leipziger Erfolge so schnell nichts ändern. Zunächst ist da Milliardär Dietrich Mateschitz aus Österreich, der mit der Getränkemarke Red Bull ein Marken- und Sport-Imperium aufgebaut und gezielt Leipzig als deutschen Fußball-Standort ausgewählt hat. Gut zehn Jahre ist es nun her, dass Red Bull den SSV Markranstädt übernommen hat, einen kleinen Vorort-Klub Leipzigs. Seitdem ging es steil bergauf, dank der Mateschitz-Millionen raus aus der fünftklassigen Oberliga bis in die Bundesliga. Aus Red Bull wurde offiziell "Rasenball Sport Leipzig", um die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zufriedenzustellen, die eigentlich strenge Auflagen stellt, wenn ein Geldgeber bei einem Bundesligisten einsteigen will. Nach der 50+1-Regel etwa darf ein Investor nur weniger als 50 Prozent der Anteile eines Bundesligisten halten. In Leipzig umgeht man diese Konstruktion geschickt, eine überschaubare Anzahl von Mitgliedern (in den ersten Jahren hatte RB weniger als zehn Vereinsmitglieder) und die Nähe zum Unternehmen sorgen dafür, dass Entscheidungen im Sinne von Red Bull getroffen werden.
Das kommt in der Bundesliga nicht gut an, zumindest bei den hartgesottenen Fans. Seit Jahren gibt es Protestaktionen in den Stadion, quer durch die Republik, von Düsseldorf über Dortmund nach Berlin. Auch für die Union-Fans war es nicht der erste "Trauermarsch". "Wenn die Fans sich dafür entscheiden, solche Aktionen zu machen, müssen wir das akzeptieren", sagt Union-Trainer Urs Fischer diplomatisch.
"Keine Mannschaft kommt heutzutage ohne Kommerz und Sponsoren aus"
Viele Leipziger Anhänger können den ganzen Wirbel nicht nachvollziehen. "Völliger Käse" und "Blödsinn", hört man immer wieder, wenn man mit Fans vor dem Stadion über die Protestaktionen spricht. "Keine Mannschaft kommt heutzutage ohne Kommerz und Sponsoren aus, ob es nun Red Bull ist oder Audi", sagt ein Familienvater, der noch ein Selfie im RB-Trikot mit seinem kleinen Sohn macht. "Am Ende geht es darum, elf Spieler und ein echtes Team auf dem Platz zu haben. Da ist auch viel Neid mit dabei." Er wirft sich seinen Schal um den Hals und zieht davon. Von einem Trauermarsch in Leipzig will er nichts mitbekommen haben.
Lesen Sie mehr: Wie nachhaltig ist die Bundesliga?
Wie nachhaltig ist die Fußball-Bundesliga?
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind gesellschaftspolitische Themen, an denen auch die Bundesligisten nicht vorbeikommen. Wir haben die Klubs gefragt, welche Maßnahmen sie sich selbst auf die Vereinsfahne schreiben.
Bild: imago images/ActionPictures
FC Bayern München
Für ihre Umstellung auf Mehrwegbecher haben die Bayern von der europäischen REUSE-Konferenz den Reusable Award erhalten, der unter anderem von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vergeben wird. Seit 2015 ist der FCB Mitglied in der Klimaallianz Bayerns. Im Stadion setzt man auf LED-Technik und plant Anfang Februar eine Photovoltaik-Anlage auf einem der Parkhäuser an der Arena in Betrieb zu nehmen.
Bild: imago images/ActionPictures
Borussia Dortmund
Eine solche Anlage in Form des BVB-Logos ziert in Dortmund das Dach des Stadions. Sie lieferte 2018 rund 485.000 Kilowattstunden Strom für das lokale Stromnetz. In Zusammenarbeit mit einem Ökostrom-Anbieter will die Borussia insgesamt 81.365 Tonnen CO2 einsparen, also eine Tonne pro Sitzplatz. Die Bewässerung der Trainingsplätze erfolgt mit Regenwasser, das in Zisternen gesammelt wird.
Bild: picture-alliance/Augenklick/firo Sportphoto
FC Schalke 04
Bei BVB-Rivale Schalke werden nach den Spielen die Plastikbecher gesammelt, granuliert und zu neuen Bechern verarbeitet. Die Spülmaschinen laufen wassersparend, zudem wird aus Lebensmittelabfällen mit einem Spezialverfahren Wasser gewonnen. Der Umweltschutz ist im Klub-Verhaltenskodex verankert: "Der Schutz der Umwelt und die Schonung natürlicher Ressourcen sind unabdingbar", heißt es dort.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch
RB Leipzig
Die Leipziger arbeiten derzeit noch an einer umfassenden Strategie für die so genannte Corporate Social Responsibility (CSR). Darunter fallen die Themen Klimaverantwortung und Umweltbewusstsein. Im Rahmen der DW-Umfrage konnte der Verein noch keine Angaben machen. Allerdings fiel auf, dass der RB-Tross nie mit dem Zug zu Auswärtsspielen reist. Dreimal fährt man Bus, ansonsten wird geflogen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Borussia Mönchengladbach
Im Borussia-Park leuchten wie bei vielen anderen Bundesligisten nur noch LED-Lampen. Seit 20 Jahren gibt es Mehrwegbecher. Das Wasser kommt aus eigenen Brunnen. Ihre Nahrungsmittel beziehen die Gladbacher regional, Nichtverwendetes wird an gemeinnützige Einrichtungen verteilt. Dazu vertreibt die Borussia mit einem regionalen Energieversorger den "Fohlenstrom" aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen.
Bei Eintracht Frankfurt wurde 2011 das Nachwuchsleistungszentrum nach neuesten ökologischen Standards gebaut. Zudem verzichten die Frankfurter bei ihren Heimspielen bereits seit Beginn der Saison 2012/2013 auf die Verwendung von Einweg-Plastikbechern.
Bild: Imago Images/J. Huebner
Bayer 04 Leverkusen
In der BayArena gibt es seit dieser Saison nur noch Mehrwegbecher, die bis zu 150 Mal wiederverwendet werden können. Wie viele andere Vereine nutzt der Werksklub Ökostrom und wässert seinen Rasen nicht aus der Leitung, sondern mit Brunnenwasser. Seit 2016 gibt es in der Arena ein Klassenzimmer, in dem Kindern und Jugendlichen das Thema "Umweltschutz am Beispiel eines Stadions" vermittelt wird.
Um den Papierverbrauch zu reduzieren, sind die Autogrammkarten im TSG-Fanshop aus Graspapier. Als einziger Vertreter des Sports unterstützt die TSG die Allianz für Entwicklung und Klima des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ). Der CO2-Fußabdruck wird über Klimaprojekte in Uganda kompensiert. Wer ein Ticket kauft, kann eine beliebige Anzahl von Baum-Setzlingen für je einen Euro hinzubuchen.
Bild: Getty Images/Bongarts/C. Koepsel
Werder Bremen
Wie Hoffenheim unterstützt auch Werder die Initiative "Sports for Future", die die verbindende Kraft des Sports nutzen möchte, um die Klimakrise zu bewältigen. Bremen verzichtet, soweit es geht, auf Plastik und Verpackungen und hat eigene Bienenstöcke. Die Fans werden angehalten, nicht mit dem Auto zum Spiel zu fahren. Das Weserstadion ist das einzige Stadion, zu dem man auch mit der Fähre kommt.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Hake
SC Freiburg
In Sachen ökologisches Bewusstsein waren die Freiburger Vorreiter in der Bundesliga. Schon 1995 wurde eine Photovoltaik-Anlage auf das Stadiondach gebaut, ein Jahr später funktionierten alle Urinale wasserlos. Die 2001 eröffnete Fußballschule wird ökologisch klimatisiert und beheizt. Zudem arbeitet der SC seit Jahren mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) bei Naturschutzprojekten zusammen.
Bild: Imago Images//Heuberger
FSV Mainz 05
2011 nannten sich die Mainzer "erster klimaneutraler Bundesligist". Auf ihrem Stadiondach befindet sich eine Photovoltaik-Anlage, die laut Vereinsangaben 470 Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Weitere CO2-Emissionen werden über den Erwerb von Zertifikaten zur Förderung von Klimaschutzprojekten kompensiert. Die 05er machen Schulprojekte zum Thema Umweltschutz und produzieren am Stadion eigenen Honig.
Bild: picture-alliance/dpa/Rath
VfL Wolfsburg
Der VfL war der erste Bundesliga-Klub, der LEDs zur Stadionbeleuchtung nutzte. Seit 2011 wird vom Verein 100-prozentiger Ökostrom verwendet. Das Brauchwasser der Arena kommt aus dem Mittellandkanal. Als Geschäftsstellen-Fahrzeuge stehen E-Modelle für die Mitarbeiter zur Verfügung. Außerdem hat der VfL einen eigenen Wald. Über 2000 Bäume wurden bereits in der Umgebung Wolfsburgs angepflanzt.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Wolf
1. FC Union Berlin
Die "Eisernen" setzen bei der Versorgung ihrer Stadionbesucher auf ökologische Produkte und solche aus fairem Handel. Der FC Union bezieht seine Lebensmittel soweit möglich von regionalen Händlern und Produzenten. Im Stadion an der alten Försterei gibt es nur Mehrwegbecher. Von der Deutschen Umwelthilfe wurde Union als Spitzenreiter der 1. und 2. Liga in Sachen Abfallmanagement ausgezeichnet.
Bild: Getty Images/Bongarts/M. Kern
1. FC Köln
Der Aufsteiger nimmt an einem Projekt zur Müllvermeidung teil und heizt seinen Rasen energiesparend. Geißbock Hennes wird mit einem Elektrofahrzeug von seinem Stall im Kölner Zoo zu den Spielen ins Stadion gebracht. Ärger mit Umweltaktivisten droht dem FC allerdings, weil man drei neue Trainingsplätze bauen möchte - in ein Landschaftsschutzgebiet, in dem streng geschützte Fledermäuse leben.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Ibing
FC Augsburg
Das Stadion in Augsburg ist laut Klubangaben die erste CO2-neutrale Arena der Welt. Sie wird klimaneutral geheizt und gekühlt. Zum einen wird Geothermie genutzt, außerdem werden aus zwei Brunnen pro Stunde bis zu 200.000 Liter Wasser durch Wärmetauscher gepumpt, an die das Heizsystem angeschlossen ist. Insgesamt spart der FCA so über 750 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ein.
Bild: Imago Images/Schiffmann
Hertha BSC
Die Berliner konzentrieren sich bei ihren Bemühungen um Nachhaltigkeit vor allem auf den Müll, der rund um das Stadion anfällt. Er wird getrennt, auch eine eigene Müllpresse ist im Einsatz. Jährlich findet eine Müllsammelaktion rund um das Olympiastadion statt. Beim Waschen der Kleidung und der Reinigung des Stadions werden Reinigungsmittel mit Umweltzertifikat verwendet.
Bild: Getty Images/Bongarts/A. Rentz
Fortuna Düsseldorf
Die Fortuna ist in ihrer Arena nur Mieter. Sie verhandelt mit der Betreibergesellschaft über bessere Ökologie-Standards: Photovoltaik-Anlage, Nutzung von aufbereitetem Brauchwasser, LED statt Flutlicht, etc. Auch in Sachen Catering ist der Klub noch nicht da, wo er gerne hin möchte. Immerhin gibt es im Stadion nur noch Mehrwegbecher, und im Nachwuchszentrum verzichtet man auf PET-Flaschen.
Bild: picture-alliance/Fotostand/Wundrig
SC Paderborn
Das Stadion des SC Paderborn mag zwar mit 15.000 Plätzen eher klein sein, groß ist dagegen die Fläche, auf der das Stadiondach mit Solarzellen ausgerüstet ist: 4570 Quadratmeter produzieren fast 500.000 Kilowattstunden sauberen Strom. Unter dem Dach trinken die Zuschauer nur aus Mehrwegbechern, die man gegen Pfand am Getränkestand bekommt und dort auch wieder abgeben soll.