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GlobalisierungDeutschland

Deutsches Lieferkettengesetz in Afrika unbekannt

Antonio Cascais
23. Juni 2023

Seit Januar verpflichtet ein deutsches Gesetz Unternehmen, ihre Lieferketten auf Menschenrechts- und Umweltstandards zu überprüfen. Doch um seine Wirkung zu entfalten, muss es bekannter werden, mahnt eine Studie.

Ruanda VW eröffnet Werk (Foto: Getty Images/AFP/C. Ndegeya)
Auch für Tochterfirmen und Zulieferer im Ausland gilt das deutsche LieferkettengesetzBild: Getty Images/AFP/C. Ndegeya

Es ist ein sperriger Name für ein Projekt, das große Veränderungen verspricht: Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen mit Sitz in Deutschland dazu, entlang ihrer Lieferketten menschen-, arbeits- und umweltrechtliche Risiken und Defizite zu identifizieren, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße zu verhindern und angemessene Abhilfemaßnahmen zu treffen.

Dies gilt auch für Tochtergesellschaften im Ausland sowie für Zulieferer und Subunternehmer. Zunächst betroffen sind Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Ab Januar 2024 soll diese Schwelle dann auf 1000 Mitarbeiter abgesenkt werden.

Schutz vor Ausbeutung, Diskriminierung und Umweltverschmutzung

Angenommen, ein deutscher Automobilhersteller bezieht Rohstoffe wie Metalle oder Kunststoffe aus Südafrika für die Fahrzeugproduktion: In dem Fall würde das LkSG das Unternehmen dazu verpflichten, sicherzustellen, dass die Rechte der Arbeitnehmer in den Lieferketten dieser Produktion, etwa was die verwendeten Rohstoffe angeht, respektiert werden. Das Unternehmen müsste sicherstellen, dass die Arbeitnehmer in den Rohstoffminen oder Produktionsstätten, auch in Afrika, angemessene Löhne erhalten und die Arbeitsbedingungen den internationalen Standards entsprechen. Dies müsste eine faire Bezahlung und den Schutz vor Ausbeutung, Diskriminierung oder gefährlichen Arbeitsbedingungen umfassen.

Auch Umweltschutz- und Menschenrechtsstandards müssen eingehalten werden: Das Gesetz verpflichtet deutsche Unternehmen, sicherzustellen, dass keine umweltschädigenden Produktionsformen oder Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette stattfinden. Dies könnte den Schutz vor Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Diskriminierung einschließen. Das Unternehmen müsste sicherstellen, dass seine Lieferanten diese Grundsätze einhalten.

Deutsches Lieferkettengesetz ist in Afrika weitgehend unbekannt

Doch wie wird das deutsche Lieferkettengesetz im Globalen Süden, und speziell in Afrika, wahrgenommen? Kennen afrikanische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen das Gesetz überhaupt? Betrachten Gewerkschaften die neuen Vorgaben zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten als Chance, in der Lieferkette tätige Arbeiter zu schützen und zu organisieren?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine empirische Studie über den Automobilsektor in Südafrika, Kenia und Ghana in Auftrag gegeben, die - wenig überraschend - ergab, dass das Gesetz bei afrikanischen Arbeitern und Gewerkschaften noch weitgehend unbekannt ist.

Kathrin Meißner, Leiterin des Kompetenzzentrums Gewerkschaften Subsahara-Afrika der Friedrich-Ebert-StiftungBild: FES TUCC

"Das Gesetz ist ja noch relativ jung, es ist erst seit sechs Monaten in Kraft. Selbst in Deutschland ist es noch nicht umfassend bekannt", sagt Kathrin Meißner, Leiterin des Kompetenzzentrums Gewerkschaften Subsahara-Afrika der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Sitz in Johannesburg, im Gespräch mit der DW. Das geringe Wissen der Gewerkschaften, aber auch der Unternehmen im Ausland über das Lieferkettengesetz müsse als Auftrag verstanden werden, dieses Defizit auszugleichen, und das Wissen zu vertiefen.

"Wir sollten den Gewerkschaften, auch in afrikanischen Ländern, dieses Lieferkettengesetz als starkes Instrument an die Hand geben. Nur wenn starke Gewerkschaften und Vertreter der Arbeitnehmerinnen das Gesetz auch nutzen, kann es seine Wirkung entfalten. Ansonsten würde es nur auf Papier bestehen und es wäre ein Leichtes für Unternehmen, Risiken in ihrer gesamten Lieferkette abzuwenden."

Einbindung von Gewerkschaften in Deutschland und Afrika

Die FES-Studie benennt eine entscheidende Voraussetzung für die Anwendbarkeit des deutschen Lieferkettengesetzes in Afrika: Im Falle von Verstößen sei es dafür notwendig, dass die Gewerkschaften in den jeweiligen Ländern, ebenso wie in Deutschland, effektiv zusammenarbeiten, heißt es in der Studie der FES.

Die Gewerkschaften könnten dafür sorgen, dass etwaige Verstöße abgestellt werden, indem der entsprechende Rechtsweg eingeschlagen wird, um das Unternehmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu zwingen. Wenn Gewerkschaften sich transnational vernetzten, könnten sie das Gesetz für sich nutzbar machen.

"Auf dem afrikanischen Kontinent hat es einige Bestrebungen gegeben, unter anderem auch von der FES, um Gewerkschaften über dieses deutsche Lieferkettengesetz zu informieren und ihnen Möglichkeiten zu dessen Nutzung zu bieten", sagt Kathrin Meißner. "Gleichzeitig haben wir auch Kontakte hergestellt zu deutschen Gewerkschaften, denn Ziel ist es, die transnationale Solidarität unter Gewerkschaften zu stärken."

Volkswagen hat 2018 ein E-Auto-Projekt in Ruanda gestartetBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

So gebe es ein transnationales Netzwerk für den Automobilsektor, an dem neben Gewerkschaften aus Südafrika, Ghana und Kenia auch die deutsche IG Metall beteiligt sei. "Dieser Austausch hilft dabei, Gewerkschaftsmacht aufzubauen", betont Meißner und fügt hinzu: "Wir haben es mit transnationalen Unternehmen zu tun. Insofern müssen sich die Gewerkschaften auch transnational organisieren, um die Interessen der Arbeiterinnen durchzusetzen, innerhalb der Unternehmen."

Sollte ein Unternehmen Kritik nicht aufnehmen, können diese transnationalen Netzwerke dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Verstöße melden. Zu Beschwerden aus afrikanischen Ländern ist bislang aber noch nichts bekannt.

Deutschland, der Vorreiter?

"Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hat zweifellos eine Vorreiterrolle in Bezug auf die Einführung einer nationalen Gesetzgebung zur Verantwortung von Unternehmen in globalen Lieferketten eingenommen. Es war das erste Gesetz dieser Art in Europa", sagt Kathrin Meißner.

Platinabbau in Südafrika: Sicherheit geht vorBild: Sunshine Seeds/Zoonar/picture alliance

Doch heute steht Deutschland längst nicht mehr alleine da: Tatsächlich haben einige EU-Länder bereits ähnliche Gesetze oder Maßnahmen erlassen, um die Verantwortung von Unternehmen in Lieferketten zu regeln. Beispielsweise hat Frankreich bereits 2017 das Gesetz zur Sorgfaltspflicht von Muttergesellschaften und Auftraggebern ("Devoir de Vigilance") eingeführt, das ähnliche Anforderungen wie das deutsche LkSG stellt. Dieses Gesetz betrifft Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern in Frankreich oder mehr als 10.000 Mitarbeitern weltweit.

Auch andere EU-Länder, darunter die Niederlande und Norwegen, haben nationale Gesetze oder Initiativen zur Lieferkettentransparenz und Verantwortung von Unternehmen eingeführt.

Und was macht die EU?

Auf EU-Ebene gibt es ebenfalls Bestrebungen, einen einheitlichen Rahmen für die Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten zu schaffen. Die Europäische Kommission hat im März 2021 einen Vorschlag für eine EU-weite Lieferkettensorgfaltspflicht-Richtlinie vorgelegt. Diese Richtlinie würde für alle Unternehmen gelten, die in der EU tätig sind oder Waren und Dienstleistungen auf den EU-Markt bringen. Der Vorschlag befindet sich derzeit in der Diskussions- und Verhandlungsphase zwischen den EU-Mitgliedstaaten, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament.

Bis zu seiner Umsetzung könnte also noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Kathrin Meißner jedenfalls erhofft sich von der europäischen Richtlinie, dass sie Schwächen auch des deutschen Gesetzes auffängt. Etwa, was die Transparenz von Beschwerdeverfahren und den Schutz von Beschwerdeführerinnen angeht. Und auch mit Blick auf die Informationspflicht von Unternehmen.

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