Rebekah Stott: Von der Chemotherapie zur Heim-WM
20. Juli 2023
Für Neuseeland im ausverkauften Eden Park in Auckland das Eröffnungsspiel der Fußball-Heim-WM 2023 zu bestreiten, war für Rebekah Stott nach eigenen Worten die "größte Motivation", während sie sich von ihrer Krebserkrankung in den Sport zurückkämpfte. Dass das Spiel gegen Ex-Europameister Norwegen dann auch noch überraschend mit einem 1:0-Sieg für die Gastgeberinnen endete, hätte sie wohl nicht gedacht, als sie nur wenige Tage vor der Partie wieder im Kader der Nationalmannschaft stand.
Es gab einen Schlüsselmoment bei ihrem Comeback: Er ereignete sich im vergangenen Jahr beim sogenannten SheBelieves Cup, einem seit 2016 ausgetragenen Einladungsturnier in den USA, an dem jeweils vier Nationalteams teilnehmen. Stott hatte ihren Kampf gegen das Hodgkin-Lymphom, eine Form von Lymphdrüsenkrebs, in ihrem Blog und auf Instagram öffentlich gemacht. Die Fußballerin wollte damit Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen.
Alison Gale, eine Fußballanhängerin aus den USA, hatte etwa zur gleichen Zeit wie Stott die niederschmetternde Diagnose erhalten und anschließend über das Internet Kontakt zu ihr aufgenommen. Als Stott nun im Februar 2022 beim SheBelieves Cup im Spiel Neuseelands gegen Island eingewechselt wurde, saß Gale auf der Tribüne und hielt ein Transparent hoch mit der Aufschrift: "Los Stotty!! Danke, dass du mir geholfen hast, das Hodgkin-Lymphom zu besiegen!!"
"Es war ein cooler Moment", erinnerte sich die Verteidigerin des englischen Erstligisten Brighton and Hove Albion vor der WM im Gespräch mit der DW. "Es war das erste Mal, dass ich sie getroffen habe. Wir haben uns gegenseitig durch eine verrückte Zeit geholfen. Es ist einfach cool, diese Beziehung zu haben, wegen etwas, das wirklich kein Spaß ist."
Nachdem sie Brighton während der Saison 2020/21 verlassen hatte, um für ihre Behandlung nach Melbourne zurückzukehren, musste Stott im Rahmen der australischen COVID-19-Bestimmungen zwei Wochen in Isolation verbringen. Dort erfuhr sie auch ihre genaue Diagnose.
Steiniger Weg zurück
"Ich glaube, ich hatte es damals schon verarbeitet. Ich wusste einfach, dass es Krebs war", sagte Stott. "Es ging also mehr darum, mit Leuten am Telefon zu sprechen. Ich hatte meine Teamkolleginnen, meine Freunde und auch die Ärzte, mit denen ich reden konnte. Es fiel mir also nicht allzu schwer." Das Hodgkin-Lymphom ist eine Krebsart mit guter Heilungschance. Doch Stott musste sich vier Monate lang einer Chemotherapie unterziehen, bevor die Ärzte ihr im Juli 2021 mitteilten, dass sie geheilt sei. Kaum hatte sie die Nachricht erhalten, plante Stott, wieder das zu tun, was sie am meisten liebt: Fußballspielen.
So kräftezehrend die Krankheit und die Behandlungen auch waren, empfand Stott den anschließenden Weg zurück zur Fitness, die ein Fußballprofi braucht, steiniger, als sie es sich vorgestellt hatte. "Ich hatte nicht erwartet, dass es so hart sein würde und dass mein Körper so lange brauchen würde, um sich zu erholen." Wenn sie heute die Bilder von sich unmittelbar nach dem Ende der Chemotherapie ansehe, als sie im Dezember 2021 in Australien wieder begann, Fußball zu spielen, erkenne sie sich kaum wieder.
"Ich sah aus wie ein aufgeblähter Fisch", so Stott. "Ich hatte vier, fünf Monate lang nichts gemacht. Ich hatte keine Muskeln mehr, keine Kraft. Ich musste kreislauftechnisch wieder bei Null anfangen. Und dann diese Müdigkeit. Wenn ich eine Trainingseinheit absolviert hatte, war ich danach mindestens zwei oder drei Tage lang völlig fertig. Ich brauchte viel länger, um mich zu erholen." Stott schaffte es: "Es ist schon verrückt, den Unterschied zwischen meinem Zustand nach der Behandlung und jetzt zu sehen. Es ist, als wäre die alte Stotty wieder da, was meinen Körper und meine Kraft angeht."
Hohe WM-Erwartungen in Neuseeland
Stott wirkte entspannt und in sich ruhend - wenige Wochen vor der WM. Doch immer wieder schien ihr starker Willen durch, der ihr auch durch die schwere Zeit der Krankheit und der Genesung half. Nach ihrer Rückkehr nach Brighton kämpfte sie mit ihrer Mannschaft in der Women's Super League nach einer schwierigen Saison gegen den Abstieg und schaffte knapp den Klassenerhalt - und das, obwohl der Verein viel Geld in Infrastruktur, Personal und Spielerinnen investiert hatte.
Stott war einfach nur froh, wieder auf dem Platz stehen zu können. "Während der Chemotherapie war mein einziges Ziel, hierher zurückzukommen und wieder zu spielen. Als sich die Gelegenheit ergab, sagte ich mir: Okay, pack' es an, starte deine Karriere neu!" Trotz einiger Rückschläge wegen Verletzungen ist ihr das gelungen. Auch im neuseeländischen Nationalteam kehrte Stott auf ihre Position im Abwehrzentrum zurück. Beim WM-Eröffnungsspiel stand sie in der Startelf und wurde nach 69 Minuten unter lautem Jubel ausgewechselt.
Auch wenn eigentlich Rugby Nationalsport in ihrem Heimatland ist, ist die Begeisterung für die Fußball-WM mit jedem Tag gestiegen, den das Turnier näher rückte. Als Minimalziel haben sich Neuseeländerinnen gesetzt, die Gruppenphase zu überstehen, in der nach Norwegen auf die Schweiz und die Philippinen treffen.
"Zuletzt waren wir auf Tour in Neuseeland", sagte Stott vor dem Turnier. "Es war cool, den Hype um die WM zu erleben. Neuseeland ist zwar kein Fußballland. Aber wir haben letztes Jahr bei der Rugby-Weltmeisterschaft der Frauen im eigenen Land gesehen, was möglich ist [Neuseeland holte den Titel - Anm. d. Red.]. Die Menschen in Neuseeland haben so eine coole Atmosphäre für die Spielerinnen geschaffen. Deshalb erwarte ich, dass es auch bei uns richtig abgeht."
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.
Der Artikel wurde am 28.04.2023 veröffentlicht und zuletzt am 20.07.2023 aktualisiert