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Rebellenchef Ntaganda an Den Haag überstellt

Philipp Sandner22. März 2013

Der kongolesische Rebellenführer Bosco Ntaganda ist an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag übergeben worden. Zuletzt hatte er sich nach einem internen Machtkampf in die US-Botschaft in Ruanda geflüchtet.

Fugitive Congolese warlord Bosco Ntaganda attends rebel commander Sultani Makenga's wedding in Goma December 27, 2009. Ntaganda walked into the U.S. Embassy in Rwanda on March 18, 2013 and asked to be transferred to the International Criminal Court, where he faces war crimes charges racked up during years of rebellion. Picture taken December 27, 2009. REUTERS/Paul Harera (DEMOCRATIC REPUBLIC OF CONGO - Tags: CIVIL UNREST CRIME LAW MILITARY POLITICS SOCIETY)
Bosco NtagandaBild: Reuters

Jahrelang tauchte immer wieder ein Name auf, wenn es um Rebellen-Kämpfe im Ostkongo ging: Bosco Ntaganda. Nachdem der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag vor sieben Jahren einen Haftbefehl gegen den ostkongolesischen Rebellenführer erlassen hatte, war er sozusagen zum lebendigen Beweis für die Straflosigkeit in der Region der Großen Seen geworden. Ntagandas Aufenthaltsort war den kongolesischen Streitkräften bekannt, er bewegte sich frei in der ostkongolesischen Nord-Kivu-Provinz, nach wie vor besitzt er Grundstücke in der Millionenstadt Goma und im nahen Masisi-Hochland. Umso überraschender kam am Montag (18.03.2013) die Nachricht aus dem US-Außenministerium: "Ich kann bestätigen, dass Bosco Ntaganda, der Leiter einer Fraktion der M23-Rebellenbewegung, heute morgen die US-Botschaft in Kigali betreten und um Auslieferung nach Den Haag gebeten hat", erklärte Sprecherin Victoria Nuland der Presse. Jetzt wird er sich vor dem ICC in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten müssen.

Die Rebellen operieren im Grenzgebiet zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda

Dass der internationale Haftbefehl des Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Ntaganda nie vollstreckt werden konnte, hat viel mit den Kräfteverhältnissen im Kongo zu tun. Der Kongo ist zwar Unterzeichner des sogenannten Statuts von Rom und somit zur Kooperation mit dem ICC verpflichtet. Aber Ntaganda schien für die Regierung in Kinshasa offenbar ein zu wichtiges Puzzleteil im fragilen Frieden im Osten des Landes zu sein, als dass es ihn an Den Haag ausgeliefert hätte. Der gebürtige Ruander Ntaganda vertrat im Nachbarland Kongo die Interessen einer ruandischstämmigen Minderheit. Als Anführer der Miliz "Nationalkongress für die Verteidigung des Volkes" (CNDP) hatte er im März 2009 einen Friedensvertrag mit Kongos Regierung ausgehandelt. Der ermöglichte ihm, fortan als General in der kongolesischen Armee zu dienen, wie viele seiner CNDP-Kämpfer, die ebenfalls in die Armee integriert wurden.

Feinde auf allen Seiten

Dabei war Ntaganda in den eigenen Reihen immer umstritten: An der Spitze des CNDP löste er Anfang 2009 Laurent Nkunda ab, nachdem dieser in Ruanda verhaftet worden war. Doch viele Rebellen, darunter der spätere M23-Chef Sultani Makenga, hielten dem verhafteten Nkunda die Treue und beschuldigten Ntaganda des Komplotts. Die Spannungen dauerten auch über das Ende der Miliz und Ntagandas Zeit in der Armee hinweg an. Doch der umstrittene Ntaganda wusste um seine Verletzbarkeit. "Er hat gesehen, was mit anderen Rebellenführern passiert ist", sagt der Bremer Politikwissenschaftler Alex Veit. Veit sieht Parallelen zu einem weiteren Milizionär aus dem Kongo: Ngudjolo Chui. Auch der war nach einem Friedensvertrag in die kongolesische Armee integriert worden. Trotzdem lieferte ihn Kongos Präsident Joseph Kabila an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aus. Als Kabila Anfang 2012 Anstalten machte, dem internationalen Druck nachzugeben und General Ntaganda ebenfalls an Den Haag zu übergeben, zeigte sich, wie schwach der Friede wirklich war: Ntaganda desertierte. Mit ihm verließen andere Weggefährten aus CNDP-Tagen die kongolesische Armee. Es war der Beginn der Rebellen-Bewegung des 23. März (M23).

Mathieu Ngudjolo Chui vor dem Internationalen StrafgerichtshofBild: AFP/Getty Images

Die Rolle, die Ntaganda hier spielte, ist eher undurchsichtig.Von Anfang an hatte der Nkunda-nahe Sultani Makenga in der M23 das Sagen. Immer wieder dementierten die M23, dass sie Kontakt zu Ntaganda hätten. Doch gilt es als sicher, dass er im Hintergrund weiter mitmischte. Das zeigte sich Ende Februar, als Makenga den Führer des politischen Arms der M23 entließ. Die Begründung: Er unterstütze Ntaganda. Der folgende Machtkampf ging zu Gunsten Makengas aus: Hunderte Ntaganda-treue Kämpfer wechselten die Seiten, die Spitze setzte sich mit rund siebenhundert Rebellen nach Ruanda ab, wo sie jetzt offenbar Asyl beantragen wollen.

Hat sich durchgesetzt: M-23-Chef Sultani MakengaBild: Simone Schlindwein

Ntaganda-Prozess in Den Haag nun sicher

Warum sich Ntaganda am Ende doch gestellt hat, darüber gibt es nur Spekulationen. "Offenbar dachte er, dass eine Haftstrafe immer noch besser ist als die anderen Alternativen, die ihm geblieben wären: Die Regierung von Ruanda hat ihm wahrscheinlich angedroht, dass sie ihn selbst ausliefern würde. Oder er hatte Angst, was mit ihm passieren würde, falls Makenga ihn zu fassen bekäme", schreibt der Kongo-Experte des renommierten Rift Valley Institutes, Jason Stearns, in seinem Blog.
 

Ntagandas Zukunft liegt nun außerhalb seines Heimatlandes: Auch wenn die USA das Rom-Statut nie unterschrieben haben, haben sie ihn nun ausgeliefert. Gleiches gilt für Ruanda, denn es erkennt den Internationalen Strafgerichtshof ebenfalls nicht an. Kürzlich aber hatte sich Ruanda dazu verpflichtet, Rebellen aus den Nachbarländern keinen Schutz mehr zu gewähren.

Internationaler Strafgerichtshof in Den HaagBild: picture-alliance/dpa/EPA/JUAN VRIJDAG

Die Verbrechen, für die sich Ntaganda bald in Den Haag verantworten muss, liegen allerdings viel länger zurück: Anfang des Jahrtausends hatte er in der kongolesischen Provinz Ituri mutmaßlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. "Das Leid für die Bevölkerung war groß. Er hat getötet, geplündert, Vergewaltigungen angeordnet", wirft ihm der kongolesische Menschenrechtsaktivist Mustafa Mwiti vor. Er ist zuversichtlich, dass Ntaganda verurteilt wird. Auch im Ituri freuen sich viele Menschen, dass Ntaganda nun vor Gericht kommt. "Er war einer der Anführer", sagt ein Kongolese aus der Region. "Die vielen, die hinter ihm standen, werden es nun mit der Angst zu tun bekommen." Für ihn ist das Ende von Ntagandas Karriere ein Hoffnungsschimmer.

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