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Rebellion der Basis mit päpstlichem Segen?

Astrid Prange24. Juli 2013

Der "lateinamerikanische Papst" Franziskus will, so hoffen es jedenfalls viele Gläubige, die Rolle der Laien in der Kirche aufwerten. Das könnte eine Umwälzung im katholischen Kosmos auslösen.

Papst Franziskus fährt im offenen Wagen durch Rio (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Surreal und dennoch lebensnah - die katholische Kirche in Lateinamerika versteht sich auf den Umgang mit Widersprüchen: Statt über Priesterweihe für Frauen oder Zölibat zu streiten, schaffen Laien in ihren Gemeinden Fakten und neue Formen von Gottesdiensten. Auf dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro ist die Hoffnung groß, dass unter Papst Franziskus die Macht der Laien wachsen und sich die Weltkirche verändern wird.

Erwin Kräutler, Bischof der Amazonas-Diözese Xingu, nimmt die Worte "Frauenpriestertum" und "Zölibat" ganz bewusst nicht in den Mund. Der Österreicher, der seit 40 Jahren am Amazonas lebt, sieht die Sache rein pragmatisch: "Für 700.000 Leute in einem Gebiet so groß wie Deutschland habe ich 28 Priester", erklärt er, "und da stellte sich einfach die Frage: Wie können wir den Leuten im Urwald, wo immer sie sind, die Möglichkeit geben, dass sie Eucharistie feiern?"

Amazonas-Bischof Erwin Kräutler plädiert für PragmatismusBild: picture-alliance/dpa

Gottesdienst ohne Priester

Viele Laien haben diese Frage für sich bereits beantwortet: Sie feiern ihre Gottesdienste ohne klerikale Unterstützung. Sie beten, brechen das Brot, teilen Wein aus, ohne sich dabei um kirchliche Vorgaben zu kümmern, wonach das Sakrament der Eucharistie nur von geweihten Priestern gespendet werden darf.

"Die Laien übernehmen Verantwortung, und die Kirche geht voran - auch ohne Pfarrer und Priester, und es funktioniert gut", bestätigt Schwester Lucilene Antonio, die im Amazonas kleine Gemeinden unterstützt. "Ich habe schon Frauen gesehen, die Wortgottesdienste gestalten und danach das Brot teilen."

Nah an der Basis: Papst Franziskus im offenen WagenBild: Reuters

Die Aufwertung der Laien entspringt dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, das zwischen 1962 und 1965 unter Papst Johannes XXIII. stattfand. Es sorgte für die Erneuerung und die Aktualisierung dogmatischer Grundsätze der Kirchenführung in Rom. Zu den Teilnehmern gehörten auch die späteren Päpste Karol Józef Wojtyła (Johannes Paul II.) und Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.), der damals für eine "weniger klerikale Kirche" eintrat.

"Die Kirche sind wir alle"

Der brasilianische Vatikanexperte Luiz Paulo Horta ist sich sicher, dass Papst Franziskus nun mit dem Priestertum aller Gläubigen Ernst machen wird. "Er weiß, dass die Teilnahme der Laien absolut notwendig ist", erklärt Horta, der Mitglied der angesehenen brasilianischen Akademie für Literatur sowie der Kulturkommission der Erzdiözese von Rio de Janeiro ist. "Franziskus will, dass sich die Kirche von der Basis her wiederbelebt."

Was für Außenstehende wie eine Selbstverständlichkeit anmuten mag, bedeutet im katholischen Kosmos nach Ansicht des brasilianischen Vatikankenners Horta eine Revolution. "Die Kirche sind wir alle, wenn wir das nicht anerkennen, wird nichts passieren", meint er und fügt verschwörerisch hinzu: "Ich glaube, Franziskus hat die Basis zur Rebellion aufgerufen."

Die katholische Kirche soll von der Basis her wachsenBild: Jürgen Escher/Adveniat

Reformimpuls aus Lateinamerika

Rebellion und Revolution - zumindest im theologischen Bereich hat die katholische Kirche in Lateinamerika damit Erfahrung: Bereits in den 1960er und 1970er Jahren inspirierten lateinamerikanische Befreiungstheologen wie Gustavo Gutiérrez und Óscar Romero Geistliche und Gläubige auf der ganzen Welt, darunter auch den jetzigen Vorsitzenden der Glaubenskongregation im Vatikan, Ludwig Gerhard Müller. 2004 brachte der ehemalige Bischof von Regensburg gemeinsam mit Gutiérrez das Buch "An der Seite der Armen: Theologie der Befreiung" heraus.

Papst Franziskus scheint auf die theologische Erneuerungskraft Lateinamerikas und die Anerkennung seiner Vorbilder zu setzen. Nach dem Abschlussgottesdienst am Sonntag (28.07.2013) wird er sich in Rio am Nachmittag mit dem Präsidium der lateinamerikanischen Bischofskonferenz Celam (Consejo Episcopal Latinoamericano) treffen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder starke Veränderungen angestoßen hat. Auch das Verfahren für die Seligsprechung des ermordeten Erzbischofs von El Salvador, Óscar Romero, soll wieder aufgenommen werden. Romero wird in ganz Lateinamerika wegen seines Einsatzes für Frieden und Menschenrechte während des Bürgerkriegs in El Salvador verehrt.

Der brasilianische Theologe Leonardo Boff ist fest davon überzeugt, dass in Zukunft von Lateinamerika Reformimpulse ausgehen werden, die die Weltkirche verändern. "Unsere Kirche spiegelt nicht mehr die europäischen Mutterkirche wider, sie hat ihre eigenen Quellen, ihre eigenen Traditionen, Helden, Märtyrer, Propheten und Persönlichkeiten wie den berühmten ehemaligen Bischof von Recife, Dom Hélder Câmara, oder den Volksheiligen Óscar Romero. Diese Kirchen hauchen dem Christentum neues Leben ein."

Der Theologe Leonardo Boff glaubt an große Veränderungen unter FranziskusBild: AFP/Getty Images
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