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PolitikAsien

Recht auf Bildung für alle? Nicht im Iran!

22. Juni 2017

Der Iran weigert sich, die Bildungsagenda der UNESCO umzusetzen. Religionsführer Chamenei sieht in der globalen Vereinbarung eine Verschwörung des Westens. Damit diskriminiert er Frauen und Minderheiten wie die Bahai.

Iran Protest gegen das UNESCO-Bildungsdokument 2030
Nicht alle Iranerinnen sind für Chancengleichheit - diese protestieren gegen die UNESCO-Bildungsagenda 2030Bild: Tasnim

Die Enttäuschung sitzt tief. Präsident Hassan Rohani - reformorientiert und kürzlich wiedergewählt - hat kapituliert. Als Mitglied im Obersten Rat der iranischen Kulturrevolution hat er zugestimmt, dass die UNESCO-Bildungsagenda im Iran nicht mehr umgesetzt wird. 

Viele Iraner schrieben Tweets wie diesen: "Rohani hatte gesagt: Ich werde auf vieles verzichten, aber nicht auf die Bildungsagenda 2030. Heute hat er als Vorsitzender des Rats der Kulturrevolution den Aktionsplan der Agenda endgültig abgeschafft." 

Die globale Bildungsagenda 2030 hatten die Bildungsminister aus aller Welt 2015 verabschiedet. Die iranische Regierung unter Präsident Hassan Rohani hatte sie unterschrieben. Darin verpflichten sich die Unterzeichner unter anderem, den Zugang zu Bildung für alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht und Religion zu garantieren. Die Bildungsagenda ist Teil der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele. 

Für den obersten politischen und religiösen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, kommt das einer Verschwörung gleich. "Was als nachhaltige Entwicklung entworfen wurde, ist nur ein Plan, um die westlichen Werte und Kultur auf der ganzen Welt zu verbreiten", behauptete Chamenei unvermittelt im Frühjahr kurz vor der Präsidentenwahl. Er kritisierte Rohani scharf für seine Zusammenarbeit mit der UNESCO. Der Iran werde sich der UNESCO-Bildungsagenda "nicht beugen", erklärte Chamenei. Rohani entgegnete, der Religionsführer sei falsch informiert - die Agenda werde an die islamische Kultur der iranischen Gesellschaft angepasst.

Damit begann ein Streit zwischen der Regierung und der konservativen Opposition um das Für und Wider der UNESCO-Bildungsagenda 2030, der mit der erwähnten Niederlage für Rohani endete. Chamenei, der im Iran in allem das letzte Wort hat, teilte lapidar mit: "Wir selbst wissen am besten, was gut für uns ist!"

Erboste Iraner ließen ihrem Sarkasmus in den Sozialen Netzwerken freien Lauf: "Der religiöse Führer mag die Bildungsagenda 2030 nicht, weil sie im Westen geschrieben wurde. Was er vom Westen gerne annimmt, sind ballistische Raketen, Kernenergie und Kräne für öffentliche Hinrichtungen."

Studieren verboten - die Bahai

Die Verweigerung der Bildungsagenda hat für viele Iraner handfeste Folgen. "Unsere Kinder dürfen nicht studieren. Seit der islamischen Revolution im Iran ist das allen Angehörigen der Bahai-Religion verboten", klagt Simin Fahandej gegenüber der DW. Fahandej ist Sprecherin der internationalen Bahai-Gemeinde bei den Vereinten Nationen in Genf. Die Bahai sind eine der größten religiösen Minderheiten im Iran. Iranische Medien schätzen ihre Zahl auf 40.000 bis 300.000 Anhänger - offizielle Statistiken gibt es nicht. 

Andere religiöse Minderheiten im Iran sind geschützt: Etwa Zoroastrier, Mandäer, Juden und Christen, die insgesamt zwei Prozent der 80 Millionen Iraner ausmachen. Das Bahaitum dagegen erkennt die iranische Regierung nicht als Religion an, weil Religionsstifter Baha'ullah nach dem (für Muslime letzten) Propheten Mohammed gewirkt hat. Seine Anhänger werden in der islamischen Republik Iran als Abtrünnige bezeichnet und sind zahlreichen Repressalien ausgesetzt. 

Nachdem die iranische Regierung den Aktionsrahmen der Bildungsagenda abgelehnt hatte, posteten Aktivsten im Netz Fotos von Bahai, die 1983 wegen ihres Glaubens hingerichtet wurden. Eines zeigt die damals 17-jährige Mona Mahmudnizhad. Sie hatte Kinder unterrichtet, die die Schule verlassen mussten, weil sie Bahai waren. Dafür wurde sie zum Tode verurteilt.
"1993 gelangte ein geheimes Memorandum der iranischen Regierung an die Öffentlichkeit. Darin hieß es: Bahai sollen als Analphabeten und ungebildet gehalten werden. Das wollen die iranischen Machthaber nicht ändern", stellt Simin Fahandej fest. 

Diskussion verboten - die Rechte von Frauen

In Bildungsfragen diskriminiert sind auch die Frauen. Die Forderung der UNESCO-Agenda, ihnen gleiche Chancen einzuräumen, war ein weiterer Auslöser für die heftige Debatte im Iran. Die UNESCO-Bildungsagenda will "Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen". Das passt den Hardlinern des Regimes überhaupt nicht. "Sobald die Rede auf Frauen und ihre Rechte kommt, werden alle Gespräche und jede Zusammenarbeit beendet. Die Herrschenden verstehen jede Diskussion über die Rechte der Frauen als Angriff auf die Kultur", analysiert die Frauenrechtsaktivistin Farideh im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Diese Iranerinnen studieren an einer technischen Elitehochschule - viele Fächer sind Frauen jedoch verbotenBild: Tabnak

Farideh gehört zu jenen Aktivisten, die im August 2006 eine Initiative für die gesetzliche Gleichberechtigung von Frauen im Iran gestartet haben, die "Eine Million Unterschriften Kampagne für Frauenrechte". Viele ihrer Mitstreiter sitzen heute in den Gefängnissen, wie die Menschenrechtsaktivistin und Journalistin Narges Mohammadi. Viele von ihnen haben auch Präsident Hassan Rohani im Wahlkampf unterstützt, weil er den Frauen gleiche Rechte versprochen hatte. So hatte er sich wiederholt gegen die Geschlechtertrennung an Universitäten gewandt und damit die Hoffnung genährt, dass er die geschlechtsspezifische Ausbildung beendet. Iranische Studentinnen sind derzeit von 77 Hauptfächern ausgeschlossen, wie zum Beispiel von Rechnungswesen und Ingenieurwissenschaften. 

"Die Zusammenarbeit mit der UNESCO könnte viele Vorteile für uns haben. Wir müssten nicht alle Punkte umsetzten, das ist auch nicht verpflichtend für die iranische Regierung", sagt Aktivistin Farideh. "Aber wir hätten durch den internationalen Austausch unser Bildungssystem sehr verbessern können."

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