1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rechte Szene: Rumpelrock und Wummerbass

Stefan Rheinbay30. April 2013

Hasserfüllte Musik war schon immer wichtig in der rechten Szene. Doch der Trend geht weg vom Rumpel-Rock alter Zeiten. Die deutsche Rechte geht mit aktuellen Sounds auf Stimmenfang.

Teilnehmer der NPD-Veranstaltung "Rock für Deutschland" warten am Samstag (11.07.2009) in Gera auf Einlaß in einen abgesperrten Park (Foto: Peter Müller dpa/lth)
Bild: picture-alliance/dpa

"Nein, nein, die NPD verbreitet keine eigene Musik, wir verlegen und produzieren auch nichts", sagt Frank Franz, Pressesprecher der NPD. Den Wunsch des Reporters, ein neues Exemplar Schulhof-CD zu bekommen, die die NPD in den letzten Jahren verteilte, lehnt Frank Franz ab. Sie sei als "jugendgefährdend" eingestuft und auf den Index gesetzt worden. Dabei wäre sie so wichtig gewesen für die nationale Nachwuchspflege, sagt der Pressesprecher. "Musik ist für uns das Medium, um Jugendliche vorzugsweise anzusprechen." Sie erzeuge auch eine emotionale Bindung, so NPD-Mann Franz.

Nachwuchspflege mit Musik

Das Deutsche Jugendinstitut, das langfristig die Lebenslagen junger Menschen in Deutschland untersucht, hat in einer groß angelegten Studie Jugendliche aus der rechtsextremistischen Szene dazu befragt. Das Ergebnis muss die Nationaldemokraten enttäuschen: "Aus den entsprechenden Interviewaussagen wird deutlich, dass (...) Musik keine initiatorische Rolle hatte."

Gleichgesinnte RechtsradikaleBild: picture-alliance/ZB

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält es in seinem letzten Jahresbericht aus dem Jahr 2011 offen, ob die Tonschöpfungen von Bands wie "Blitzkrieg" und "Hauptkampflinie" als Einstieg in die rechte Szene ihre volle Wucht entfalten. Zumindest wird die Musik aber als das "verbindende subkulturelle Element bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextremistischer gewaltbereiter Jugendlicher" ausgemacht.

Verbindendes Element

Musik fördert Gemeinschaft. Dabei kommt es nicht immer auf die Worte an. "Die rechtsradikale Botschaft wird nicht allein über den Text transportiert", sagt Thorsten Hindrichs im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der Musikwissenschaftler erforscht seit Jahren das Thema "Musik und Jugendkulturen" an der Universität Mainz. "Das ist immer eine Mischung aus der klanglich musikalischen Ebene, der textlichen Ebene und den Interpreten. Image, Styling, Habitus gehören untrennbar dazu." Zunehmend wird sogar ganz auf Text verzichtet. Zu wummernden "Hardbass"-Klängen kann man heutzutage tanzbegeisterte Rechts-Aktivisten auf "Flashmobs" durch die Straßen hüpfen sehen. Sie sind maskiert und schwingen Transparente mit Aufschriften wie "Multikulti wegbassen!"

Experte Thorsten HindrichsBild: DW/S. Rheinbay

Rechtsrock weniger gefragt

Der typische holprige Rechtsrock ist dabei offensichtlich auf dem Rückzug. Das ist freilich nur zum Teil der konsequenten Indizierung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu verdanken, die den Verkauf "volksverhetzender" Produktionen an Jugendliche unterbindet. Auch der Neonazi geht heute mit der Zeit. Die platten Parolen und "Sieg Heil"-Skandierungen von Nazi-Bands wie "Weiße Wölfe" bedienen bestenfalls noch das Provokationsbedürfnis pubertierender Sechstklässler. Darüber hinaus können die dürftigen Produktionen selbst den schlichten Ansprüchen des rechtsradikalen Publikums kaum genügen.

Rechte Inhalte etablieren

Musikwissenschaftler Hindrichs erklärt: "Da tut sich was in Bezug auf die Qualität. Die Texte werden ausgefeilter, die Musik ist nicht nur technisch besser gemacht, auch die Aufnahmequalität ist wesentlich besser geworden, das hängt einfach damit zusammen, dass in den letzten zehn, fünfzehn Jahren durch Computer die Aufnahmetechnik leichter zugänglich und bedienbar geworden ist."

Das machen sich Aktivisten der rechten Szene zu Nutze und rappen ihre selbstausgedachten Holperreime über fertige Samples. Vom amerikanischen Vorbild übernehmen sie die rebellische "Underdog"-Attitüde, die Auflehnung gegen das herrschende System und verkaufen ihren Teutonen-Rap kurzerhand als "Nationalen Sprechgesang".

Auf der "Schulhof-CD" waren mit "n'Socialist Soundsystem" und "Sprechgesang zum Untergang" zwei derartige Bands vertreten - erstaunlich, galt Rap doch in NPD-Kreisen bislang als "Niggergestammel". Mittlerweile denkt man dort offenbar pragmatischer.

"Schulhof-CD" der NPD aus dem Jahr 2006 - die aktuelle CD wurde gerade von der Bundesprüfstelle indiziertBild: picture-alliance/dpa

Die NPD-nahe Kameradschaft "Nationale Sozialisten Rostock" erklärt es so: "Mit dieser Musik können wir unseren Wirkungskreis erweitern und somit nationale Inhalte in allen Jugendkulturen etablieren".

Die "Grauzone"

"Mit rechter Musik ködern sie Nachwuchs", titelte dann auch unlängst die "Bild Zeitung" und präsentierte im Foto eine attraktive Berlinerin. Mia Herm sieht sich mit ihrem im Heimstudio produzierten "patriotischen Rap" als Kämpferin für ein neues Heimatgefühl. Als "Dee Ex" ist sie derzeit ein Internetphänomen und irritiert die YouTube-Gemeinde mit volkstümelndem "Agitprop" - eine Wortschöpfung aus Agitation und Propaganda. Sie betont: "Ich distanziere ich mich seit Beginn meiner Arbeit von Dummheit und Gewalt und mache stets klar, weder links, noch rechts, sondern schlicht und ergreifend 'deutsch' zu sein."

Thorsten Hindrichs von der Uni Mainz ist dennoch skeptisch: "Dee Ex ist eine Grenzgängerin, da kommen wir dann langsam in Richtung Grauzone. Wobei ich finde, Dee Ex gehört schon deutlich in die rechte Ecke. Es ist der 'gesunde Patriotismus', der da propagiert wird. Es ist so wie 'Frei.Wild' auch nicht rechtsradikal. Ich persönlich finde es einfach bedenklich, dass sich da bestimmte Einstellungen, die ich für reaktionär halte, widerspiegeln, die aber bis weit in die Mitte der Gesellschaft reichen."

"Frei.Wild" und der "ECHO"

Die Band wurde unlängst für den ECHO-Preis der deutschen Tonträgerindustrie nominiert. Dort werden alljährlich die verkaufsstärksten Produktionen des deutschen Marktes prämiert. Nach erheblichen Protesten anderer Teilnehmer schlossen die Veranstalter "Frei.Wild" schließlich aus. Sänger Philipp Burger fühlte sich missverstanden: Als Südtiroler sei eine starke Heimatverbundenheit für ihn ganz selbstverständlich. "Frei.Wild" distanzieren sich gebetsmühlenhaft von Rassismus und Rechtsextremismus.

Campino, Leadsinger der "Toten Hosen", überraschte mit dem ungewöhnlichen Vorschlag, die neue ECHO-Kategorie "Rechte gegen Nazis" einzuführen. Dort könne man Interpreten unterbringen, die mal rechts waren, aber heute garantiert "unpolitisch" seien.

Die Band "Frei.Wild" bei einem Konzert in der SchweizBild: cc-by-sa-3.0/Pakeha

An der Tatsache, dass die rechte Szene auch in Zukunft mit Musik auf Stimmenfang geht, wird Campinos Vorschlag sicherlich nichts ändern. Aber er kann damit für mehr Sensibilität im Umgang mit dem Thema werben.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen