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Gesellschaft

Rechte "Todeslisten" - was die Polizei tut

Daniel Heinrich
4. Dezember 2019

Mutmaßliche Rechtsextremisten haben zum Mord an der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli und der ZDF-Journalistin Dunja Hayali aufgerufen. Das ist kein Einzelfall. Die Polizei verfolgt eine Doppelstrategie.

Deutschland Pressesprecherin Sawsan Chebli
Die Berliner Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement Sawsan Chebli ist regelmäßig das Ziel von Hasstiraden Bild: picture alliance/AA/M. Kaman

Die sich ähnelnden Texte, die Sawsan Chebli und Dunja Hayali auf Twitter veröffentlicht haben, lassen schaudern: In beiden Schreiben - unterzeichnet von den mutmaßlich rechtsextremistischen selbsternannten "Soldaten der Cyberreichswehr" - ist von einer "Todesliste" die Rede. Sowohl Chebli, Berliner Staatssekretärin mit palästinensischen Wurzeln, als auch Hayali, Moderatorin im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) mit irakischen Wurzeln, hätten es auf diese Liste "geschafft". Die Texte sind mit rassistischen und sexistischen Beleidigungen gespickt und nennen unter anderem die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth als weitere Ziele. Sie enden mit nationalsozialistischen Formeln "Heil Hitler" und "Sieg Heil" und erwähnen den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Der hessische CDU-Politiker wurde am 2. Juni mit einem Kopfschuss auf der Terrasse seines Hauses getötet. Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus.

Trotz der erschreckenden Zeilen gibt sich Chebli im Gespräch mit der Deutschen Welle gefasst: "Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen abgehärtet. Es ist ja nicht die erste Morddrohung, die ich bekomme. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht Hassmails, Beleidigungen, Sexismus oder Rassismus erlebe."

Sawsan Chebli im DW-Gespräch: "Angriffe von Nazis und Rassisten tun nicht weh"

02:35

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Vermehrt Schutz für Kommunalpolitiker

Rainer Wendt zeigt sich gegenüber der DW betroffen vom Inhalt der Schreiben. Wendt ist Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), der zweitgrößten Polizeigewerkschaft in Deutschland. Im Falle einer solchen Bedrohung eines Menschen ginge die Polizei mit einer Doppelstrategie vor: "Zum einen ermittelt die Kriminalpolizei, um herauszufinden wer hinter solchen Schreiben steckt. In einer sogenannten Fallkonferenz werden dann alle Briefe und Hintergründe diskutiert." Wendt betont auch: "Unabhängig von der Person wird jeder Fall gleich ernst genommen." Die Polizei schätzt dann ein, wie groß die akute Gefahr für die betroffene Person ist. "Abhängig von der Einstufung der Gefahrenlage werden dann Schutzmaßnahmen beschlossen."

Das könne vom vorübergehendem Schutz bei bestimmten Veranstaltungen "bis hin zu Rund-um-die-Uhr-Überwachungen reichen. Meines Wissens hat Frau Chebli beispielsweise ständigen Personenschutz." Solche Schutzmaßnahmen seien bei hochrangigen Politikerinnen und Politikern zunächst einmal nichts Ungewöhnliches. Heutzutage ginge es allerdings "schon runter bis in die Kommunalpolitik. Sogar ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden bedroht." Wendts Fazit: "Wir haben eine sehr aufgeheizte Situation."

Rainer Wendt, Chef der Deutschen PolizeigewerkschaftBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Auch Journalisten bedroht

Die Tatsache, dass der Text auch an die ZDF-Journalistin Dunja Hayali geschickt wurde, ist nur ein Beispiel, dass bei Weitem nicht nur Politikerinnen und Politiker von Hasstiraden und Morddrohungen betroffen sind. Zur bundesweiten Bekanntheit brachte es im Sommer der Fall des WDR-Journalisten Georg Restle. Restle hatte am 11. Juli in einem Kommentar für die "Tagesthemen" im Fernsehprogramm Das Erste kritisch gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD) Stellung bezogen. So bezeichnete er die AfD als "parlamentarischen Arm" der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung. Auch die AfD müsse als rechtsextremistisch eingestuft werden, forderte Restle. Daraufhin hatten zahlreiche AfD-Politiker wie Parteichef Jörg Meuthen den Journalisten verbal hart angegriffen. Nachdem eine Morddrohung bekannt wurde, stellte sein Sender, der WDR, Strafanzeige.

Für Rainer Wendt ist es "ganz offensichtlich so, dass Extremisten glauben, die modernen Kommunikationsnetzwerke, auch die sozialen Netzwerke, nutzen zu können, um in der Anonymität ihren Hass und Gewalt zu versprühen". Genau dort sieht er auch die Polizei gefordert: "Wir müssen deutlich machen, dass das Internet kein anonymer Raum ist. Sondern dass diejenigen, die glauben, Hass und Gewalt verbreiten zu können, erwischt werden. Und dann auch hart bestraft werden. Es gilt der Rechtsstaat, und zwar überall. Auch im Internet gilt das ganz normale Strafgesetzbuch."

Sawsan Chebli will Vorbild sein

Dass das Internet auch dazu genutzt werden kann, gegen Rechtsextremismus Flagge zu zeigen, beweist der Fall um Sawsan Chebli und Dunja Hayali. Parteiübergreifend kamen von der Berliner CDU-Fraktion, dem Grünen-Politiker Volker Beck oder dem deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD) Solidaritätsbekundungen in den sozialen Medien. Sie alle zeigten sich erschüttert und gleichzeitig solidarisch mit den Angefeindeten.

Sawsan Chebli dürfte sich über so viel Rückhalt und Unterstützung freuen. Gegenüber der DW betont sie, dass sie sich nicht unterkriegen lassen wolle: "Für mich ist das Ansporn weiterzumachen. Und gegen all jene, die meinen, dass Leute wie ich nicht nach Deutschland gehören, denen zu zeigen: Nein ich bin hier. Ich bin Deutsche. Und andere Menschen dazu motivieren, auch ihre Stimme zu erheben." Das sei auch ein Grund gewesen, den Text zu veröffentlichen: "Ich finde, viele Menschen sind einfach noch zu still in diesem Land."

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