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Politik

Rechtes Lager gewinnt Parlamentswahl in Israel

10. April 2019

Israels Premier Netanjahu hat nach der Parlamentswahl gute Aussichten auf eine fünfte Amtszeit. Zwar liegt seine Likud-Partei nur gleichauf mit der Liste Blau-Weiß - doch am Ende kommt es auf die Bündnispartner an.

Sara Netanjahu gratuliert ihrem Ehemann
Sara Netanjahu gratuliert ihrem EhemannBild: picture-alliance/dpa/O. Weiken

Das rechte Lager um Regierungschef Benjamin Netanjahu hat bei der Parlamentswahl in Israel einen deutlichen Vorsprung erzielt. Zwar erhielt Netanjahus rechtskonservativer Likud nach Auszählung von 97 Prozent der abgegebenen Stimmen nur 35 von 120 Mandaten, womit er lediglich gleichauf mit dem Oppositionsbündnis Blau-Weiß von Ex-Militärchef Benny Gantz lag. Insgesamt kam das Lager rechter und religiöser Parteien jedoch auf 65 Mandate, das Mitte-Links-Lager dagegen auf 55 Mandate. Daher ist davon auszugehen, dass Netanjahu erneut mit der Regierungsbildung beauftragt wird. 

Derzeit müssen nach Angaben der Nachrichtenseite "ynet" noch rund 200.000 Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen, Matrosen sowie Patienten in Krankenhäusern ausgezählt werden. Das Endergebnis werde am Donnerstagabend oder Freitagmorgen vorliegen. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees mit 67,9 Prozent etwas niedriger als bei der Wahl vor vier Jahren (71,8 Prozent).

Wohl nur der zweite Sieger: Benny Gantz am WahlabendBild: Reuters/A. Cohen

Nach der Wahl am Dienstag hatten sich zunächst sowohl Netanjahu als auch sein Herausforderer Gantz als Gewinner gesehen. "Der rechte Block unter Führung des Likud hat eindeutig gesiegt", sagte Netanjahu bereits am Abend. "Ich danke den israelischen Bürgern für ihr Vertrauen. Ich werde noch heute Nacht damit beginnen, gemeinsam mit meinen natürlichen Partnern eine rechte Regierung aufzubauen." Später fügte er hinzu, nachdem ein Sender, der zuvor den Konkurrenten in Führung gesehen hatte, Likud mit einem Sitz vorne sah: "Dies ist die Nacht eines großen Sieges." Er dankte seinen Unterstützern für einen "unvorstellbaren Erfolg". 

Der oppositionelle Ex-Militärchef Gantz hatte zuvor von einem "historischen Tag für Israel" gesprochen. Die größte Partei müsse den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen. "Wir danken Netanjahu für seine Dienste", sagte der 59-Jährige, als ob die Wahl schon entschieden sei. Er wollte sich auch am Mittwoch noch nicht geschlagen geben. Er schrieb auf Twitter: "Es zeichnen sich zwar dunkle Wolken ab, aber nichts ist endgültig, Bewegungen sind noch möglich, und wir können noch politische Vorstöße unternehmen." Man habe den Wählern Hoffnung gegeben, und das Ergebnis von Blau-Weiß sei ein "beispielloser historischer Erfolg".

Für eine Regierungsmehrheit sind mindestens 61 von 120 Mandaten notwendig. Mögliche Koalitionspartner für Likud und Blau-Weiß erzielten lediglich Mandate im einstelligen Bereich. Die strengreligiösen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum kamen jeweils auf acht Mandate. Die Partei Die Neue Rechte von Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked verpasste vermutlich den Einzug in das Parlament. Die ultrarechte Israel Beitenu von Avigdor Lieberman und die Union rechter Parteien erhielten jeweils fünf Mandate. Die einst starke Arbeitspartei kam auf nur sechs Sitze, genau wie die arabische Partei Hadasch-Taal. Kulanu von Finanzminister Mosche Kachlon kam auf vier Mandate, ebenso wie die linke Merez-Partei und die arabische Partei Balad-Vereinigte Arabische Liste. 

Anhänger der Liste Blau-Weiß verfolgen am Wahlabend die HochrechnungenBild: Getty Images/AFP/M. Kahana

Rechnerisch möglich wäre nach den Ergebnissen auch eine große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Allerdings hatten sowohl Netanjahu als auch Gantz im Wahlkampf gesagt, sie würden nicht mit dem jeweils anderen in einer Regierung sitzen wollen. Netanjahu führte zuletzt eine Regierungskoalition mit den rechten und strengreligiösen Parteien an.

Unter Korruptionsverdacht

Netanjahu würde als erster israelischer Regierungschef eine fünfte Amtszeit antreten. Er  ist seit 2009 durchgängig im Amt und war auch von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Der Amtsinhaber steht aktuell massiv unter Druck: Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanjahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat aber noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanjahu weist alle Vorwürfe zurück. 

Netanjahu-Anhänger konnten sich am Wahlabend ihrer Mehrheit nicht sicher seinBild: picture-alliance/dpa/O. Welken

Allerdings konnte Netanjahu zuletzt außenpolitische Erfolge verbuchen. So erhielt er Unterstützung von US-Präsident Donald Trump, der die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte und die Golanhöhen offiziell als israelisches Staatsgebiet anerkannte. Israel hatte das Gebiet 1967 von Syrien erobert und 1981 annektiert. US-Präsident Donald Trump will nach der Wahl seinen lange erwarteten Friedensplan zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern präsentieren.

Glückwünsche aus den USA, Indien und Österreich

Trump begrüßte den sich abzeichnenden Sieg Netanjahus. Das Wahlergebnis gebe dem US-Friedensplan eine "bessere Chance", sagte der Republikaner in Washington vor Journalisten. Von Netanjahu sei ein "ziemlich gutes" Vorgehen zugunsten des Friedens zu erwarten. Netanjahu hatte allerdings kurz vor der Wahl die Annexion jüdischer Siedlungsgebiete im Westjordanland angekündigt, was den Konflikt mit den Palästinensern wohl weiter anheizen würde.

Auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der ebenfalls einer rechtskonservativen Regierung vorsitzt, und Indiens Premierminister Narendra Modi beglückwünschten Netanjahu. Zurückhaltender zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe noch nicht gratuliert, weil es noch kein amtliches Endergebnis gebe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das Verhältnis beider Länder ist in den vergangenen Jahren unter Netanjahu merklich abgekühlt. Dennoch bekräftigte Seibert: "Die Bundesregierung wird mit der neuen israelischen Regierung eng, freundschaftlich, vertrauensvoll zusammenarbeiten."

Enttäuschung bei den Palästinensern

Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, kritisierte das Wahlergebnis. "Israelis haben dafür gestimmt, den Status Quo zu erhalten, was die Besatzung von Palästina angeht", schrieb Erekat auf Twitter. "Prognosen zeigen, dass nur 18 Mitglieder des Parlaments mit 120 Sitzen zwei Staaten in den Grenzen von 1967 unterstützen." 

Binnen zwei Wochen muss Präsident Reuven Rivlin entscheiden, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dies dürfte jedoch früher geschehen. Für den 23. April ist die feierliche Eröffnungssitzung der 21. Knesset geplant. Bis Ende Mai wird erwartet, dass die neuen Koalitionspartner ihren Vertrag unterzeichnen. Damit könnte bis Anfang Juni eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen.

stu/mak (dpa, afp, rtr)

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