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Rechtlosigkeit in der Ostukraine

Inna Kuprianowa24. September 2014

In den von den pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine herrscht Angst. Willkür und Misshandlungen sind an der Tagesordnung. Menschenrechtler schlagen Alarm.

Ein Polizeifahrzeug der "Donezker Volksrepublik" (Foto: DW)
Ein Polizeifahrzeug der "Donezker Volksrepublik"Bild: DW/I. Kuprijanova

Anfang September hat die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) mitgeteilt, pro-russische Separatisten würden auf den von ihnen kontrollierten Gebieten in der Ostukraine Menschen zur Zwangsarbeit einsetzen. Ihnen werden angebliche Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zur Last gelegt. Dass die selbsternannten Machthaber der sogenannten "Donezker Volksrepublik" nach ihren Vorstellungen für "Ordnung" sorgen, haben sie auf ihrer Internetseite verkündet.

Wie in diesem Zusammenhang Strafen aussehen - davon berichten Menschen aus Ilowajsk. Als Ende August um die Stadt im Donbass heftige Kämpfe tobten, töteten Anhänger der "Donezker Volksrepublik" einen 23-jährigen Mann, dem sie Plünderungen vorgeworfen hatten. Berichte über willkürliche Erschießungen häufen sich. Urteile werden von Standgerichten gefällt.

Drastische Strafen

Zwangsarbeit muss auch an Straßensperren verrichtet werdenBild: DW/A.Savizki

Wie aus dem Bericht von HRW und Gesprächen mit Menschen vor Ort hervorgeht, werden schon wegen Ordnungswidrigkeiten drakonische Strafen verhängt. Dazu gehört vor allem die Zwangsarbeit. Sie wird von separatistischen Milizen verhängt, wenn Menschen beispielsweise gegen die Ausgangssperre verstoßen oder keinen Ausweis bei sich haben. Ein Gerichtsverfahren findet nicht statt.

"Bürger, die Zwangsarbeit leisten mussten, wurden geschlagen und brutal erniedrigt", stellt HRW fest. Ferner seien Fälle bekannt, "in denen Menschen gezwungen wurden, an Straßensperren und in Kampfgebieten Dienst zu leisten, wo sie Gefahr liefen, verletzt oder getötet zu werden". Hugh Williamson, Bereichsleiter für Europa und Zentralasien bei HRW, fordert, solchen "Strafbrigaden" ein Ende zu setzen, da sie einen groben Verstoß gegen die Menschenrechte darstellen.

Schläge und Misshandlungen

"Mein Bruder wurde unweit von Donezk festgenommen. Ich schließe nicht aus, dass er angetrunken war und keinen Ausweis bei sich hatte", erzählt Natalia. Bekannte hätten gesehen, wie er zur Strafe Müll von einer Straße habe aufsammeln müssen. Erst Tage später sei er wieder freigelassen worden. "Zu Essen hatte er gut bekommen. Wer Befehle verweigerte, wurde geschlagen. Aber Einzelheiten will ich nicht erzählen", sagt die Frau.

"Ich sah einen Mann, der vor dem Quartier der Separatisten die Straße fegte", erzählt Sergej, der aus der Ostukraine stammt. "Nur mit Mühe habe ich ihn erkannt, so schwer war sein Gesicht und sein Körper von Schlägen gezeichnet. Dann habe ich beobachtet, wie er zwei bis drei Wochen verschiedene Arbeiten verrichtete: Er hob Gräben aus und entlud Lastwagen. Heute gehört er den Separatisten an. Er sagte, er habe keine andere Wahl gehabt", berichtet Sergej.

"Ich war ein Luxus-Gefangener"

Alexander ist 59 Jahre alt. Über seine Erlebnisse konnte er in Donezk nicht sprechen, erst, als er sich an einem sicheren Ort befand. Am 11. August zerrten ihn Unbekannte in Tarnanzügen in ein Auto und brachten ihn in die von den Separatisten besetzte Dienststelle des Innenministeriums. Dort habe man ihm das Foto eines Mannes gezeigt, der sich angeblich an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Armee gegen die Separatisten beteiligt habe. Das Foto habe ihm ähnlich gesehen. "Man hat mich deshalb für vier Tage eingekerkert. Aber ich hatte noch Glück - man hat mich nicht geschlagen", erzählt er.

"Diese Leute sind einfach Kriminelle. Ich habe sie tagelang gebeten, meine Angehörigen anzurufen und ihnen zu sagen, dass ich lebe. Erst am vierten Tag kamen dann Vertreter des 'Ministeriums für Staatssicherheit der Donezker Volksrepublik' zu mir und ich wurde freigelassen. Sie konnten die Vorwürfe gegen mich nicht bestätigen." Alexander vermutet, dass er wegen seiner pro-ukrainischen Gesinnung verhaftet wurde: "Alle meine Nachbarn haben gesehen, dass früher in meinem Auto ein ukrainisches blau-gelbes Fähnchen hing."

Bürger leiden unter Schutzlosigkeit

Noch immer flüchten Menschen aus der KonfliktregionBild: DW/I. Kuprijanova

In den von den Separatisten kontrollierten Gebieten gebe es weder rechtlichen Schutz für die Bürger, noch Versammlungs- und Meinungsfreiheit, beklagt Alexander Bukalow, Leiter der Menschenrechtsorganisation "Donezker Memorial". Auch deshalb würden viele Menschen die Region verlassen.

Es gebe keine rechtlichen Mechanismen, um wieder freizukommen oder entschädigt zu werden, sagt der Menschenrechtler. "Das bedeutet nicht, dass jeder Anhänger der Separatisten ein Krimineller ist oder überall Chaos herrscht. Aber bei so einer Willkür fühlen sich die Bürger absolut schutzlos“, sagt Bukalow.

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