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Politik

Rechts überholt: Die Linke

7. September 2019

Im Osten lange Volks- und Protestpartei, im Westen Nischenpartei. Nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen erwecken die Sozialisten eher den Eindruck eines Auslaufmodells. Und das liegt nicht nur an der AfD.

Bundesparteitag Die Linke
Bild: Picture-Alliance/dpa/P. Steffen

So tief ist die Linke bei Wahlen noch nie gefallen. Schon gar nicht im Osten. In Brandenburg, wo sie sich noch vor zehn Jahren der 30-Prozent-Marke näherte, stürzte die Partei am 1. September auf 10,7 Prozent ab. In Sachsen ist das Ergebnis mit 10,4 Prozent sogar noch schlechter.

"Kein schöner Abend", sei das gewesen, seufzt Parteichef Bernd Riexinger am Morgen nach dem Debakel. Eine "schmerzhafte Niederlage", beklagt Katja Kipping. Die Ostdeutsche und der aus dem Westen stammende Riexinger teilen sich seit 2012 den Parteivorsitz.

Mit diesem gemischten Doppel wollte die Linke vor allem im Westen weiter wachsen. Dort, wo ihr lange der Makel besonders schwer zu schaffen machte, Nachfolgerin der Sozialistischen Einheitspartei (SED) aus DDR-Zeiten zu sein. 

Im Osten spielte das nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 keine größere Rolle. Die Post-Kommunisten wurden zum Auffangbecken für Menschen, die der untergegangenen DDR nachtrauerten – oder aus Protest links wählten. Gründe gab es viele: Massenarbeitslosigkeit, weniger Rente, schlechtere Löhne und Gehälter.

Ärger über "Agenda 2010"

Es fiel den Linken leicht, in die Rolle der Kümmerer zu schlüpfen. Bis zur Jahrtausendwende verdoppelten sie im Osten ihre Ergebnisse fast flächendeckend auf Werte von über 20 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern glückte der Partei als Juniorpartnerin der Sozialdemokraten (SPD) 1998 sogar erstmals der Sprung in eine Landesregierung. Im Westen hingegen blieben die Linken weiter in der außerparlamentarischen Opposition, weil sie an der in Deutschland geltenden Fünf-Prozent-Sperrminorität scheiterten.

Die Trendwende zugunsten der Linken lösten völlig unerwartet SPD und Grüne aus, die bis 2005 auf Bundesebene regierten. Sie lockerten den Kündigungsschutz und kürzten Sozialleistungen. Mit ihrer als "Agenda 2010" bezeichneten Wirtschafts- und Sozialpolitik verprellten sie Millionen Wähler und trieben sie in die Arme der Linken. Höhepunkt war die Bundestagswahl 2009, als die Linke mit 11,9 Prozent erstmals deutschlandweit ein zweistelliges Ergebnis erzielte.

Früher Linke, heute AfD 

Auf dem Weg dahin hat sich die Partei allerdings massiv verändert. Sie ist westlicher, jünger und urbaner geworden. Die Kehrseite der Medaille: Im Osten sterben die alten Stammwähler aus und vor allem in ländlichen Regionen ist inzwischen die Alternative für Deutschland (AfD) erste Adresse für Protestwähler.

Dieser Befund wurde bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen auf dramatische Weise bestätigt. Die Rechtspopulisten avancierten in beiden Bundesländern zur zweitstärksten Kraft. Mit Ergebnissen wie früher die Linke: deutlich über 20 Prozent. 

Ein Bild mit Symbolkraft: Katja Kipping (i.) und Bernd Riexinger wollen alle erreichen, schaffen es aber nicht (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Linken-Chef Riexinger macht sich über die Gründe keinerlei Illusionen. "Wir hatten eine Mobilisierungsschwäche." Das deute auf strukturelle Probleme in den ostdeutschen Landesverbänden hin. Man müsse stark darauf hinarbeiten, "dass die Partei wieder präsenter wird". Trost und Zuversicht schöpft der 63-Jährige aus Wahlanalysen. Demnach vertrete die Linke noch immer am stärksten die Interessen der Ostdeutschen.

Doch dafür kann sich die Partei nichts kaufen, weil sie mit ihrer Politik der offenen Grenzen für Flüchtlinge und Migranten gerade auf dem Gebiet der früheren DDR auf weit verbreitete Ablehnung stößt. An diesem Kurs will das Duo Riexinger/Kipping auch nach dem Wahl-Desaster festhalten.

Die noch amtierende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht hält die Linke für eine "grün-liberale Lifestyle-Partei" Bild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt

Unumstritten ist diese Haltung innerhalb der Linken allerdings nicht. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, plädiert schon lange für eine differenziertere Position beim Reizthema Zuwanderung. Durch die jüngsten Wahlschlappen fühlt sie sich bestätigt und ätzt, die Linke sei eine "grün-liberale Lifestyle-Partei" geworden oder werde so wahrgenommen.

Zuwachs in Universitätsstädten

Damit spielt Wagenknecht auf den schleichenden Wandel bei Mitgliedern und Wählern in der Gesamtpartei an. Die im Osten verbliebenen und im Westen hinzugekommenen Hochburgen liegen in klassischen Universitätsstädten.

So gelang es der Linken bei der Sachsen-Wahl sogar, in Leipzig ein Direktmandat zu gewinnen. Und in Bremen wurde sie im Mai erstmals in einem westdeutschen Bundesland zweistellig und bildet eine Regierungskoalition mit SPD und Grünen. Auch das gab es im alten Bundesgebiet noch nie.

Die gegenläufigen Entwicklungen innerhalb der Linken scheinen sich zu verfestigen. Im Osten schrumpft die einstige Volks- und Protestpartei weiter. Bei den jüngsten Wahlen hat sie einstellige Ergebnisse nur mit Mühe verhindern können. Der Aufschwung im Westen kann da nur ein schwacher Trost sein, weil die Verluste im deutschlandweiten Maßstab damit nur zum Teil ausgeglichen werden.

Mehr Stimmen im Westen

In Wirklichkeit ist die Linke längst eine westdominierte Partei. Nur noch die Hälfte ihrer 62.000 Mitglieder stammt aus dem Osten, obwohl lediglich jeder Fünfte in diesem Teil Deutschlands lebt. Ein weiteres Indiz: Bei der Bundestagswahl 2017 kamen fast zwei Drittel der Linken-Stimmen aus dem Westen.

Was das für die Zukunft der Partei bedeutet, ist noch völlig offen. Klarheit könnte es im Oktober geben. Dann wählen die Bundestagsabgeordneten ihre neue Fraktionsspitze und die Thüringer ein neues Parlament.

Letzter Pfeil im Köcher der Linken: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat die Wahl am 27. Oktober im Visier Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Sahra Wagenknecht hat bereits im Frühjahr angekündigt, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Damit dürfte der Einfluss jener schwinden, die für begrenzte Zuwanderung nach Deutschland sind. Und in Thüringen steht die Zukunft des ersten und einzigen Ministerpräsidenten der Linken auf dem Spiel.

Hoffnungsschimmer Thüringen

Bodo Ramelow will die von ihm geführte Koalition mit SPD und Grünen am liebsten fortsetzen. Das könnte ihm sogar gelingen, denn in der aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA kommt die Linke mit 26 Prozent auf Platz eins. Rot-Rot-Grün hätte im Moment eine knappe Mehrheit.

Sollte es dabei bleiben, wäre das ein Lichtblick für die gebeutelte Partei. Sie sollte sich davon aber nicht blenden lassen, denn das Gesamtbild sieht düster aus: Die Linke als Ganzes befindet sich im Niedergang – Thüringen ist kaum mehr als die Ausnahme von der Regel.         

 

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