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PolitikRumänien

Rechtsextremer geht in Stichwahl um Rumäniens Präsidentenamt

25. November 2024

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien endet mit einer großen Überraschung: Der rechtsgerichtete, prorussische Kandidat Calin Georgescu geht in Führung. Aber er muss in eine Stichwahl.

Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu umlagert von Mikrofonen
Unerwarteter Wahlsieg: Calin GeorgescuBild: Alexandru Dobre/AP Photo/picture alliance

Nach der Auszählung fast aller Stimmen liegt der parteilose Populist und NATO-Kritiker Calin Georgescu mit gut 22,9 Prozent unerwartet an der Spitze. An zweiter Stelle folgt die Mitte-Rechts-Politikerin und Kleinstadtbürgermeisterin Elena Lasconi mit 19,17 Prozent. Der pro-europäische Premierminister Marcel Ciolacu, der als Favorit galt, fiel mit nur tausend Stimmen Unterschied auf den dritten Platz zurück und erhielt 19,15 Prozent. Die 52-jährige Lasconi, die für die konservativ-liberale Reformpartei angetreten war, profitierte offenbar vor allem von der Unterstützung der Rumänen im Ausland.  

Elena Lasconi bei der Abgabe ihrer Stimme in BukarestBild: Andreea Campeanu/REUTERS

Der Rechtspopulist George Simion kam nach den bisherigen Auszählungen der Präsidentschaftswahl auf den vierten Platz.

Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, müssen die beiden Erstplatzierten am 8. Dezember in einer Stichwahl gegeneinander antreten - eine Woche nach der Parlamentswahl in Rumänien. Nachwahlbefragungen hatten zunächst einen komfortablen Vorsprung für Ciolacu vorausgesagt.

Regierungschef Marcel Ciolacu bei der Stimmabgabe in BukarestBild: Vadim Ghirda/AP/picture alliance/dpa

Offenbar erfolgreiche Tiktok-Kampagne

Der parteilose Georgescu war mit antiwestlichen Positionen und einer demonstrativen Verehrung für die rumänischen Faschisten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aufgefallen. Von seinen Konkurrenten und den klassischen Medien wurde der 62-jährige Agrarwissenschaftler und Tiermediziner weitgehend ignoriert, dafür ist er sehr erfolgreich auf der Online-Plattform Tiktok unterwegs, auf der er ein Ende der Hilfen für die Ukraine forderte. Außerdem äußerte er sich skeptisch über die NATO-Mitgliedschaft Rumäniens.

Am Wahlabend sagte Georgescu, das rumänische Volk sei "zum Bewusstsein erwacht" und habe seinen Willen bekundet, "nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt" zu bleiben. Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. "Heute Abend hat das rumänische Volk nach Frieden geschrien. Und es hat sehr laut geschrien, sehr laut", erklärte Georgescu - wohl mit Blick auf Russlands Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine. Meinungsumfragen hatten ihm weniger als zehn Prozent der Stimmen vorhergesagt. Lasconi setzt sich hingegen für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben und die Unterstützung der Ukraine ein.

Rechtsextremes Lager bündelt Kräfte für Stichwahl

Der ausgeschiedene Bewerber George Simion von der rechtsextremen Parlamentspartei AUR kündigte an, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen. Der bekennende Donald Trump-Anhänger hatte darauf gehofft, dass ein gutes Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl seiner Partei Auftrieb für die Parlamentswahl in Rumänien gibt, die am 1. Dezember stattfindet.

Der Kandidat George Simion nach einer TV-Debatte Bild: Cristian Ștefănescu/DW

Nach den bisherigen Auszählungen kämen die Kandidaten der extremen Rechten zusammen auf rund ein Drittel der Stimmen - ein politisches Erdbeben in dem NATO- und EU-Mitgliedsland. "Die extreme Rechte ist bei weitem der große Gewinner dieser Wahl", sagte Politikwissenschaftler Cristian Pirvulescu der Nachrichtenagentur AFP.

13 Kandidaten

Insgesamt 13 Kandidaten hatten sich um die Nachfolge des deutschstämmigen Präsidenten Klaus Iohannis beworben, der seit 2014 Staatschef in dem Nachbarland der Ukraine ist. Regierungschef Ciolacu von der Sozialdemokratischen Partei, die in den vergangenen 30 Jahren die Politik in dem Land dominierte, hatte in den Umfragen auf dem ersten Platz gelegen.

Die Sozialdemokraten sind die Nachfolgepartei der Kommunisten des langjährigen Diktators Nicolae Ceausescu. Die sozialdemokratischen Regierungsjahre ab den 1990er-Jahren wurden von mehreren Korruptionsskandalen überschattet. Derzeit regiert die Partei in einer Koalition mit der liberalen PNL. Ciolacu hat niedrige Beliebtheitswerte im Land, versuchte aber im Wahlkampf, sich als Garant für Stabilität und als demütiger, lernwilliger Politiker zu präsentieren.

Angespannte Stimmung

Die politische Stimmung in Rumänien ist angespannt. Insbesondere die rekordverdächtige Inflation, die 2023 zehn Prozent erreicht hatte und 2024 immer noch 5,5 Prozent betrug, sorgt für Unmut. Der östlichste EU-Mitgliedstaat Rumänien hat rund 19 Millionen Einwohner und gilt als eines der ärmsten Länder Europas. Der Wahlkampf konzentrierte sich vor allem auf die steigenden Lebenshaltungskosten. Das Land hat den höchsten Anteil armutsgefährdeter Menschen in der Europäischen Union.

Das NATO-Mitgliedsland hat angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine große strategische Bedeutung: Rumänien teilt im Norden eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine, die sich seit bald drei Jahren einer russischen Invasion erwehrt. Die rumänische Schwarzmeerküste reicht bis 150 Kilometer an die ukrainische Großstadt Odessa heran. Etwa 5000 NATO-Soldaten sind in Rumänien stationiert. Das Land spielt auch eine herausragende Rolle für den Export von ukrainischem Getreide.

Erinnerungen an denkwürdiges Duell

Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 hatte es eine ähnliche Konstellation nach der ersten Wahlrunde gegeben: Damals standen sich in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der Rechtsextremist Corneliu Vadim Tudor gegenüber. Die demokratischen Parteien taten sich zusammen und konnten auch dank kräftiger Unterstützung durch europäische Verbündete einen Extremisten im höchsten Staatsamt verhindern.

Der damalige rumänische Präsident Ion Iliescu im Jahr 2008Bild: Xinhua/IMAGO

In Rumänien bestimmt der Präsident die Außen- und Verteidigungspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt. Er hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident und weniger als das Staatsoberhaupt in Frankreich. Das Abschneiden der Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl dürfte auch die Parlamentswahl am 1. Dezember beeinflussen.

kle/sti (afp, rtr, dpa, efe)

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