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Rechtsextremist Martin Sellner will in Berlin sprechen

11. Juli 2024

Die Bundesregierung in Berlin würde dem Österreicher am liebsten die Einreise nach Deutschland verweigern. Aber das geht in der EU nicht so einfach.

Mann mit erhobenem Zeigefinger spricht in Mikrophon vor dunklem Hintergrund
Martin Sellner bei einer Kundgebung der völkisch orientierten Identitären BewegungBild: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

Ende Mai schrieb Martin Sellner auf Telegram: "Das Einreiseverbot ist gekippt! Bald komme ich wieder nach Deutschland und werde mehr und lauter denn je Remigration und Deislamisierung fordern."

Am Freitag ist es soweit. Dann will Sellner in Berlin als Referent auftreten: Im Verein "Staatsreparatur" des ehemaligen Berliner AfD-Abgeordneten Andreas Wild will er über sein Lieblingsthema sprechen: "Remigration". So heißt auch die Veranstaltung ganz offiziell.

"Remigration" war in Deutschland zum sogenannten Unwort des Jahres 2023 gewählt worden. In der Begründung der Jury hieß es: "Das Wort ist zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisungen bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden."

Druck auch auf Migranten mit deutschem Pass

Anlass für die Wahl war nicht zuletzt ein früherer Auftritt Sellners in Deutschland. Im November 2023 hatte er an einem Treffen radikaler Rechter in einer Potsdamer Villa teilgenommen und dort ebenfalls einen Vortrag über "Remigration" gehalten. Anwesend waren auch Politiker der Partei AfD, der CDU und des konservativen Vereins Werteunion, inzwischen ebenfalls eine Partei. Das Treffen hatte eine Welle von Protesten ausgelöst.

Nach dem Potsdamer Treffen gingen oft zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die StraßeBild: Johannes Simon/Getty Images

In einer Sendung der englischsprachigen DW-"Conflict Zone" äußerte Sellner im Frühjahr, er verstehe die ganze Aufregung nicht. Entgegen der Darstellung des Medienhauses Correctiv, das über das Treffen berichtet hatte, wolle er nur illegale Einwanderer ausweisen. Auf Migranten mit deutschem Pass, die sich nicht anpassen wollten, solle jedoch nicht näher erläuterter Druck ausgeübt werden. Allgemein gehe es aber auch darum, "das Land so unattraktiv wie möglich für diejenigen zu machen, die wir nicht haben wollen".

Einreiseverbot bisher erfolglos

Der Auftritt im November hätte fast zu Sellners eigener Ausweisung aus Deutschland und einem bundesweiten Wiedereinreiseverbot geführt. Die Ausländerbehörde in Potsdam hatte ein Einreiseverbot bereits verhängt.

Sellner ging dagegen vor dem Verwaltungsgericht vor. Das hat zwar nicht über das Einreiseverbot selbst entschieden, aber im Juni dessen Wirksamkeit aufgeschoben; Sellner kann also vorerst nach Deutschland einreisen. Eine "tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung beziehungsweise Sicherheit" durch Sellner habe nicht hinreichend belegt werden können, urteilte das Verwaltungsgericht Potsdam. Es machte damit deutlich, dass eine Einreisesperre von EU-Bürgern rechtlich nur sehr schwer durchzusetzen ist.

Einbürgerung einer aus dem Irak stammenden Familie: Sellner will Druck auf Menschen ausüben, die sich nicht anpassenBild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Andere Staaten haben dem Österreicher schon die Einreise verweigert, so die USA und Großbritannien. Zuvor war bekannt geworden, dass Sellner Mail-Kontakt zu Brenton Tarrant gehabt hatte, dem australischen Terroristen, der im März 2019 in einer Moschee im neuseeländischen Christchurch 51 Muslime tötete. Sellner hatte zuvor eine Spende von Tarrant erhalten. 

Die Idee des "Großen Austauschs"

Sellner ist trotz seiner erst 35 Jahre bereits eine der wichtigsten Figuren der rechtsradikalen Szene im deutschsprachigen Raum. Als Jugendlicher hatte er sich der Neonaziszene in Österreich angeschlossen, sein Mentor war der verurteilte Holocaust-Leugner Gottfried Küssel. Gegenüber der DW gab Sellner seine Vergangenheit offen zu: "Als ich jung war, war ich in dieser rechten Subkultur und machte nie ein Geheimnis daraus."

Martin Sellner war bis zum vergangenen Jahr Sprecher der Identitären Bewegung (IB) in Österreich, ist heute noch ein führender Kopf der Bewegung. Die IB kämpft für eine ethnisch homogene europäische Kultur, die Bevölkerung soll nicht vielfältig, sondern möglichst weiß sein. Die Identität (daher der Name) Europas ist ihrer Meinung nach durch Zuwanderung außereuropäischer, vor allem muslimischer Migranten bedroht.

Anhänger der Identitären Bewegung 2019 in München mit dem Logo der IBBild: Sachelle Babbar/Zumapress/picture alliance

Sellner und die IB verwenden auch offen den Ausdruck "Großer Austausch". Es geht um die oft antisemitisch konnotierte Vorstellung, eine Verschwörung sei im Gang: Durch die massenhafte Einwanderung von Nichtweißen und Muslimen solle die weiße Mehrheitsbevölkerung in den westlichen Staaten ersetzt, ausgetauscht werden.

Im DW-Interview sagt er Sätze wie "Unsere Kultur ist bedroht", "Nicht wir sind extrem, die heutige Einwanderungspolitik ist extrem." Seine Bewegung sieht er als Vorreiter: "In fünf bis zehn Jahren wird jeder in Europa Remigration fordern."

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz stufte die IB 2019 als klar rechtsextremistisch ein und überwacht sie, weil ihre Positionen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang erklärte damals: "Diese geistigen Brandstifter stellen die Gleichheit der Menschen oder gar ihre Menschenwürde an sich infrage, reden von Überfremdung, erhöhen ihre eigene Identität, um andere abzuwerten und schüren gezielt Feindbilder." Auch in Sellners Heimat Österreich wird die Bewegung von den Staatsschutzbehörden überwacht. 2014 attestierte der österreichische Verfassungsschutz ihr ein "rassistisch/nationalistisch geprägtes Weltbild". Verboten ist die IB aber bislang weder in Deutschland noch in Österreich.

Aktiv in den sozialen Medien

Martin Sellner nutzt sehr aktiv die sozialen Medien für die Verbreitung seiner Botschaft, wurde aber wiederholt gesperrt. Das gilt zum Beispiel für seinen früheren YouTube-Kanal. Wegen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen wurde er auch auf Instagram und Twitter gesperrt und auf Facebook blockiert. Seitdem versucht Sellners aus den USA stammende Ehefrau Brittany, geborene Pettibone, ihn über die sozialen Medien dort zu verbreiten. Sellner selbst verlegte sich schließlich hauptsächlich auf Telegram und Rumble. Sellners Konto beim Twitter-Nachfolger X wurde im März 2024 wieder entsperrt.

Sellner mit seiner Frau BrittanyBild: Alex Halada/AFP/Getty Images

Bisher ist es den deutschen Behörden nicht gelungen, Martin Sellner auf gerichtlichem Wege von Auftritten wie dem für Freitag geplanten in Berlin zu hindern.

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